Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

geschwollnen Züge schauderhaft verzerrt, und die
starren Augen fest auf Johny gerichtet.


Herzens Julie, ich fürchte, das materielle Leben
dieser Tage hat mich ein wenig dumpfsinnig gemacht,
und meine Geschichte trägt die Farbe davon. Sie
sieht in der That wie der Traum einer Indigestion
aus. Nach einigem Fasten produzire ich Dir indeß
vielleicht eine bessere.

En et[t]endant wünsche ich Dir gute Nacht, und
angenehmere Träume als dem armen Johny.



Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker
hier so oft in Contribution gesetzt, daß ich en con-
science
sie einmal erwiedern mußte, und lud daher
vor meiner Abreise heute Alle zu einem kleinen Fest
bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht,
car il faut hurler avec les loups, dann Conzert
des großen Piper's, einen Spazierritt auf ihren eig-
nen Pferden, und zuletzt grand festin, grande chair
et bon feu.
Während unsres Rittes kamen wir an
eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magistrat, mit
Namen Baker, erschossen wurde. Dies war ein
Charakter, vollkommen dem der Iffländischen Amt-
männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-

geſchwollnen Züge ſchauderhaft verzerrt, und die
ſtarren Augen feſt auf Johny gerichtet.


Herzens Julie, ich fürchte, das materielle Leben
dieſer Tage hat mich ein wenig dumpfſinnig gemacht,
und meine Geſchichte trägt die Farbe davon. Sie
ſieht in der That wie der Traum einer Indigeſtion
aus. Nach einigem Faſten produzire ich Dir indeß
vielleicht eine beſſere.

En et[t]endant wünſche ich Dir gute Nacht, und
angenehmere Träume als dem armen Johny.



Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker
hier ſo oft in Contribution geſetzt, daß ich en con-
science
ſie einmal erwiedern mußte, und lud daher
vor meiner Abreiſe heute Alle zu einem kleinen Feſt
bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht,
car il faut hurler avec les loups, dann Conzert
des großen Piper’s, einen Spazierritt auf ihren eig-
nen Pferden, und zuletzt grand festin, grande chair
et bon feu.
Während unſres Rittes kamen wir an
eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magiſtrat, mit
Namen Baker, erſchoſſen wurde. Dies war ein
Charakter, vollkommen dem der Iffländiſchen Amt-
männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="132"/>
ge&#x017F;chwollnen Züge &#x017F;chauderhaft verzerrt, und die<lb/>
&#x017F;tarren Augen fe&#x017F;t auf Johny gerichtet.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Herzens <hi rendition="#aq">Julie,</hi> ich fürchte, das materielle Leben<lb/>
die&#x017F;er Tage hat mich ein wenig dumpf&#x017F;innig gemacht,<lb/>
und meine Ge&#x017F;chichte trägt die Farbe davon. Sie<lb/>
&#x017F;ieht in der That wie der Traum einer Indige&#x017F;tion<lb/>
aus. Nach einigem Fa&#x017F;ten produzire ich Dir indeß<lb/>
vielleicht eine be&#x017F;&#x017F;ere.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">En et<supplied>t</supplied>endant</hi> wün&#x017F;che ich Dir gute Nacht, und<lb/>
angenehmere Träume als dem armen Johny.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 21<hi rendition="#sup">&#x017F;ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker<lb/>
hier &#x017F;o oft in Contribution ge&#x017F;etzt, daß ich <hi rendition="#aq">en con-<lb/>
science</hi> &#x017F;ie einmal erwiedern mußte, und lud daher<lb/>
vor meiner Abrei&#x017F;e heute Alle zu einem kleinen Fe&#x017F;t<lb/>
bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht,<lb/><hi rendition="#aq">car il faut hurler avec les loups,</hi> dann Conzert<lb/>
des großen Piper&#x2019;s, einen Spazierritt auf ihren eig-<lb/>
nen Pferden, und zuletzt <hi rendition="#aq">grand festin, grande chair<lb/>
et bon feu.</hi> Während un&#x017F;res Rittes kamen wir an<lb/>
eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magi&#x017F;trat, mit<lb/>
Namen Baker, er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en wurde. Dies war ein<lb/>
Charakter, vollkommen dem der Iffländi&#x017F;chen Amt-<lb/>
männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0154] geſchwollnen Züge ſchauderhaft verzerrt, und die ſtarren Augen feſt auf Johny gerichtet. Herzens Julie, ich fürchte, das materielle Leben dieſer Tage hat mich ein wenig dumpfſinnig gemacht, und meine Geſchichte trägt die Farbe davon. Sie ſieht in der That wie der Traum einer Indigeſtion aus. Nach einigem Faſten produzire ich Dir indeß vielleicht eine beſſere. En ettendant wünſche ich Dir gute Nacht, und angenehmere Träume als dem armen Johny. Den 21ſten. Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker hier ſo oft in Contribution geſetzt, daß ich en con- science ſie einmal erwiedern mußte, und lud daher vor meiner Abreiſe heute Alle zu einem kleinen Feſt bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht, car il faut hurler avec les loups, dann Conzert des großen Piper’s, einen Spazierritt auf ihren eig- nen Pferden, und zuletzt grand festin, grande chair et bon feu. Während unſres Rittes kamen wir an eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magiſtrat, mit Namen Baker, erſchoſſen wurde. Dies war ein Charakter, vollkommen dem der Iffländiſchen Amt- männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/154
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/154>, abgerufen am 22.11.2024.