gleich nicht ohne einigem Schauer, Einer nach dem Andern, langsam hinab. Die Stufen führten in eine lange Gallerie, an deren Ende ein schweres eisernes Thor allem weitern Vordringen ein Ende zu machen schien. Näher kommend, fanden sie je- doch einen goldnen Schlüssel darin stecken, der es auch mit Leichtigkeit aufschloß. Sie schritten nun in dem sich gleich darauf wendenden Gange kühn weiter, und bemerkten bald ein anderes Thor, über dem, in Brusthöhe, ein durchsichtiges Gitter ihre Blicke auf sich zog. Johny erhob die Laterne, um Dyk hin- durch sehen zu lassen, doch kaum hatte dieser einen Blick hineingeworfen, als er voller Freuden aufschrie: Hurrah, bei Noonans Geist! wir sind gemachte Leute! -- Das letzte Wort schwebte noch auf seinen Lippen, als ein furchtbarer Donner krachend das Gewölbe zusammen brach -- ein sausender Wirbel- wind schlug die Laterne zu Boden, und Johny, flach auf sein Antlitz stürzend, verlor in unnennba- rem Graus Gedächtniß und Besinnung. Als er wie- der zu sich kam, lag er unter dem einsamen Tarus- baum und eine hohe Flamme spielte, gleich einem riesigen Irrlicht, auf dem Thurme der Abtei. Eine schwarze Figur schien lustig darin zu tanzen, und stärker erscholl, dicht neben ihm, dasselbe heisere Lachen, das er in der Ruine zu hören geglaubt. Wie er aber, von Schrecken bleich, sich nach seinem Vetter umsah, lag, von der Flamme grell erleuchtet, Dyk, mit umgedrehtem Halse, neben ihm, die blau
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gleich nicht ohne einigem Schauer, Einer nach dem Andern, langſam hinab. Die Stufen führten in eine lange Gallerie, an deren Ende ein ſchweres eiſernes Thor allem weitern Vordringen ein Ende zu machen ſchien. Näher kommend, fanden ſie je- doch einen goldnen Schlüſſel darin ſtecken, der es auch mit Leichtigkeit aufſchloß. Sie ſchritten nun in dem ſich gleich darauf wendenden Gange kühn weiter, und bemerkten bald ein anderes Thor, über dem, in Bruſthöhe, ein durchſichtiges Gitter ihre Blicke auf ſich zog. Johny erhob die Laterne, um Dyk hin- durch ſehen zu laſſen, doch kaum hatte dieſer einen Blick hineingeworfen, als er voller Freuden aufſchrie: Hurrah, bei Noonans Geiſt! wir ſind gemachte Leute! — Das letzte Wort ſchwebte noch auf ſeinen Lippen, als ein furchtbarer Donner krachend das Gewölbe zuſammen brach — ein ſauſender Wirbel- wind ſchlug die Laterne zu Boden, und Johny, flach auf ſein Antlitz ſtürzend, verlor in unnennba- rem Graus Gedächtniß und Beſinnung. Als er wie- der zu ſich kam, lag er unter dem einſamen Tarus- baum und eine hohe Flamme ſpielte, gleich einem rieſigen Irrlicht, auf dem Thurme der Abtei. Eine ſchwarze Figur ſchien luſtig darin zu tanzen, und ſtärker erſcholl, dicht neben ihm, daſſelbe heiſere Lachen, das er in der Ruine zu hören geglaubt. Wie er aber, von Schrecken bleich, ſich nach ſeinem Vetter umſah, lag, von der Flamme grell erleuchtet, Dyk, mit umgedrehtem Halſe, neben ihm, die blau
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gleich nicht ohne einigem Schauer, Einer nach dem
Andern, langſam hinab. Die Stufen führten in
eine lange Gallerie, an deren Ende ein ſchweres
eiſernes Thor allem weitern Vordringen ein Ende
zu machen ſchien. Näher kommend, fanden ſie je-
doch einen goldnen Schlüſſel darin ſtecken, der es
auch mit Leichtigkeit aufſchloß. Sie ſchritten nun in
dem ſich gleich darauf wendenden Gange kühn weiter,
und bemerkten bald ein anderes Thor, über dem, in
Bruſthöhe, ein durchſichtiges Gitter ihre Blicke auf
ſich zog. Johny erhob die Laterne, um Dyk hin-
durch ſehen zu laſſen, doch kaum hatte dieſer einen
Blick hineingeworfen, als er voller Freuden aufſchrie:
Hurrah, bei Noonans Geiſt! wir ſind gemachte
Leute! — Das letzte Wort ſchwebte noch auf ſeinen
Lippen, als ein furchtbarer Donner krachend das
Gewölbe zuſammen brach — ein ſauſender Wirbel-
wind ſchlug die Laterne zu Boden, und Johny,
flach auf ſein Antlitz ſtürzend, verlor in unnennba-
rem Graus Gedächtniß und Beſinnung. Als er wie-
der zu ſich kam, lag er unter dem einſamen Tarus-
baum und eine hohe Flamme ſpielte, gleich einem
rieſigen Irrlicht, auf dem Thurme der Abtei. Eine
ſchwarze Figur ſchien luſtig darin zu tanzen, und
ſtärker erſcholl, dicht neben ihm, daſſelbe heiſere
Lachen, das er in der Ruine zu hören geglaubt.
Wie er aber, von Schrecken bleich, ſich nach ſeinem
Vetter umſah, lag, von der Flamme grell erleuchtet,
Dyk, mit umgedrehtem Halſe, neben ihm, die blau
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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