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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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pfindlich kalt geworden, und das flackernde Kamin-
feuer, mit dem gedeckten Tisch davor, leuchtete uns
gar angenehm durch die Fenster entgegen, als wir
wieder auf Capt. S. Landhause ankamen. Ein äch-
tes Jagd- und Junggesellenmahl folgte. Auf Ele-
ganz und Prunk war es nicht abgesehen. Gläser,
Schüsseln und Bestecke waren von allen Formen
und Zeitaltern vereinigt; Einer trank seinen Wein
aus Liqueur-, der Andere aus Champagner-, der
Durstigste aus Biergläsern; Dieser speiste mit des
Urgroßvaters Messer und Gabel, Jener mit dem
neuen grünen Besteck, das der Bediente wahrschein-
lich erst gestern auf dem Cashel'er Markt eingekauft
hatte. Hunde waren dabei eben so viel im Zimmer
als Gäste, bedienen that sich ein jeder selbst, und
Essen und Getränk schleppte eine alte Magd und ein
plumpfäustiger Reitknecht reichlich herzu. Die Haus-
mannskost war übrigens gar nicht zu verachten, eben
so wenig der Wein, und der ächte, in den Bergen
heimlich bereitete "Potheen," den ich hier zum ersten-
mal ganz unverfälscht kostete. Um einen Pudding
zu zuckern, wurden zwei große Stücken Zucker darü-
ber gehalten, und an einander gerieben, wie die Wil-
den Feuer zu machen pflegen, indem sie Holz so
lange reiben, bis es zu brennen anfängt. Daß da-
bei ungeheuer getrunken wurde, kann man voraus-
setzen. Obgleich indeß Mehrere zuletzt nur noch stam-
melten, beging doch keiner etwas Unanständiges, und
die wenigen vom Wein Bezwungenen, erhöhten die
Lustigkeit durch manches gute Bonmot und drollige

pfindlich kalt geworden, und das flackernde Kamin-
feuer, mit dem gedeckten Tiſch davor, leuchtete uns
gar angenehm durch die Fenſter entgegen, als wir
wieder auf Capt. S. Landhauſe ankamen. Ein äch-
tes Jagd- und Junggeſellenmahl folgte. Auf Ele-
ganz und Prunk war es nicht abgeſehen. Gläſer,
Schüſſeln und Beſtecke waren von allen Formen
und Zeitaltern vereinigt; Einer trank ſeinen Wein
aus Liqueur-, der Andere aus Champagner-, der
Durſtigſte aus Biergläſern; Dieſer ſpeiste mit des
Urgroßvaters Meſſer und Gabel, Jener mit dem
neuen grünen Beſteck, das der Bediente wahrſchein-
lich erſt geſtern auf dem Caſhel’er Markt eingekauft
hatte. Hunde waren dabei eben ſo viel im Zimmer
als Gäſte, bedienen that ſich ein jeder ſelbſt, und
Eſſen und Getränk ſchleppte eine alte Magd und ein
plumpfäuſtiger Reitknecht reichlich herzu. Die Haus-
mannskoſt war übrigens gar nicht zu verachten, eben
ſo wenig der Wein, und der ächte, in den Bergen
heimlich bereitete „Potheen,“ den ich hier zum erſten-
mal ganz unverfälſcht koſtete. Um einen Pudding
zu zuckern, wurden zwei große Stücken Zucker darü-
ber gehalten, und an einander gerieben, wie die Wil-
den Feuer zu machen pflegen, indem ſie Holz ſo
lange reiben, bis es zu brennen anfängt. Daß da-
bei ungeheuer getrunken wurde, kann man voraus-
ſetzen. Obgleich indeß Mehrere zuletzt nur noch ſtam-
melten, beging doch keiner etwas Unanſtändiges, und
die wenigen vom Wein Bezwungenen, erhöhten die
Luſtigkeit durch manches gute Bonmot und drollige

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[110/0132] pfindlich kalt geworden, und das flackernde Kamin- feuer, mit dem gedeckten Tiſch davor, leuchtete uns gar angenehm durch die Fenſter entgegen, als wir wieder auf Capt. S. Landhauſe ankamen. Ein äch- tes Jagd- und Junggeſellenmahl folgte. Auf Ele- ganz und Prunk war es nicht abgeſehen. Gläſer, Schüſſeln und Beſtecke waren von allen Formen und Zeitaltern vereinigt; Einer trank ſeinen Wein aus Liqueur-, der Andere aus Champagner-, der Durſtigſte aus Biergläſern; Dieſer ſpeiste mit des Urgroßvaters Meſſer und Gabel, Jener mit dem neuen grünen Beſteck, das der Bediente wahrſchein- lich erſt geſtern auf dem Caſhel’er Markt eingekauft hatte. Hunde waren dabei eben ſo viel im Zimmer als Gäſte, bedienen that ſich ein jeder ſelbſt, und Eſſen und Getränk ſchleppte eine alte Magd und ein plumpfäuſtiger Reitknecht reichlich herzu. Die Haus- mannskoſt war übrigens gar nicht zu verachten, eben ſo wenig der Wein, und der ächte, in den Bergen heimlich bereitete „Potheen,“ den ich hier zum erſten- mal ganz unverfälſcht koſtete. Um einen Pudding zu zuckern, wurden zwei große Stücken Zucker darü- ber gehalten, und an einander gerieben, wie die Wil- den Feuer zu machen pflegen, indem ſie Holz ſo lange reiben, bis es zu brennen anfängt. Daß da- bei ungeheuer getrunken wurde, kann man voraus- ſetzen. Obgleich indeß Mehrere zuletzt nur noch ſtam- melten, beging doch keiner etwas Unanſtändiges, und die wenigen vom Wein Bezwungenen, erhöhten die Luſtigkeit durch manches gute Bonmot und drollige

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/132>, abgerufen am 28.04.2024.