ein, und ein derber Regen strömte auf uns herab, gegen den mein Schirm mich nicht lange schützte. Wir flüchteten endlich in die Ruine einer alten Burg, und nachdem ich mühsam eine verfallne Wendeltreppe erstiegen, gelangte ich auf den Ueberrest eines Söl- lers, wo ich unter Epheuranken ein gutes Obdach fand. Alles um mich her sah aber gar melancholisch aus. Die zerbröckelten Mauern, der Wind, der kla- gend durch sie hinrauschte, der monotone Fall des Regens, und die so unangenehm getäuschte Hoff- nung, stimmten mich ganz traurig -- ich dachte seufzend, wie mir nichts, auch das Kleinste nicht, wie ich es wünsche, gelingt, wie Alles, was ich un- ternehme, das Ansehen des Unzeitgemäßen und Son- derlingartigen annimmt, so daß ich überall wie hier, was Andere bei Sonnenschein vollbringen, in Regen und Sturm durcharbeiten muß. Ungeduldig verließ ich das alte Gemäuer, und steuerte wieder bergan. Das Wetter wurde aber nun so fürchterlich, und der sich erhebende Sturm selbst so gefährlich, daß wir von neuem in einer elenden verfallenen Hütte Schutz suchen mußten. In dem räuchrigen Innern spann stillschweigend eine alte Frau, und einige halbnackte Kinder kauten, auf dem Boden liegend, an trocknen Brodrinden. Mein Eintreten schien von der ganzen Familie kaum bemerkt zu werden, wenigstens än- derte es nichts in ihren Beschäftigungen. Ei- nen Augenblick starrten mich die Kinder ohne Neugierde an, und fielen dann wieder in die Apathie des Elends zurück. Ich setzte mich auf den
5*
ein, und ein derber Regen ſtrömte auf uns herab, gegen den mein Schirm mich nicht lange ſchützte. Wir flüchteten endlich in die Ruine einer alten Burg, und nachdem ich mühſam eine verfallne Wendeltreppe erſtiegen, gelangte ich auf den Ueberreſt eines Söl- lers, wo ich unter Epheuranken ein gutes Obdach fand. Alles um mich her ſah aber gar melancholiſch aus. Die zerbröckelten Mauern, der Wind, der kla- gend durch ſie hinrauſchte, der monotone Fall des Regens, und die ſo unangenehm getäuſchte Hoff- nung, ſtimmten mich ganz traurig — ich dachte ſeufzend, wie mir nichts, auch das Kleinſte nicht, wie ich es wünſche, gelingt, wie Alles, was ich un- ternehme, das Anſehen des Unzeitgemäßen und Son- derlingartigen annimmt, ſo daß ich überall wie hier, was Andere bei Sonnenſchein vollbringen, in Regen und Sturm durcharbeiten muß. Ungeduldig verließ ich das alte Gemäuer, und ſteuerte wieder bergan. Das Wetter wurde aber nun ſo fürchterlich, und der ſich erhebende Sturm ſelbſt ſo gefährlich, daß wir von neuem in einer elenden verfallenen Hütte Schutz ſuchen mußten. In dem räuchrigen Innern ſpann ſtillſchweigend eine alte Frau, und einige halbnackte Kinder kauten, auf dem Boden liegend, an trocknen Brodrinden. Mein Eintreten ſchien von der ganzen Familie kaum bemerkt zu werden, wenigſtens än- derte es nichts in ihren Beſchäftigungen. Ei- nen Augenblick ſtarrten mich die Kinder ohne Neugierde an, und fielen dann wieder in die Apathie des Elends zurück. Ich ſetzte mich auf den
5*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0091"n="67"/>
ein, und ein derber Regen ſtrömte auf uns herab,<lb/>
gegen den mein Schirm mich nicht lange ſchützte.<lb/>
Wir flüchteten endlich in die Ruine einer alten Burg,<lb/>
und nachdem ich mühſam eine verfallne Wendeltreppe<lb/>
erſtiegen, gelangte ich auf den Ueberreſt eines Söl-<lb/>
lers, wo ich unter Epheuranken ein gutes Obdach<lb/>
fand. Alles um mich her ſah aber gar melancholiſch<lb/>
aus. Die zerbröckelten Mauern, der Wind, der kla-<lb/>
gend durch ſie hinrauſchte, der monotone Fall des<lb/>
Regens, und die ſo unangenehm getäuſchte Hoff-<lb/>
nung, ſtimmten mich ganz traurig — ich dachte<lb/>ſeufzend, wie mir nichts, auch das Kleinſte nicht,<lb/>
wie ich es wünſche, gelingt, wie Alles, was ich un-<lb/>
ternehme, das Anſehen des Unzeitgemäßen und Son-<lb/>
derlingartigen annimmt, ſo daß ich überall wie hier,<lb/>
was Andere bei Sonnenſchein vollbringen, in Regen<lb/>
und Sturm durcharbeiten muß. Ungeduldig verließ<lb/>
ich das alte Gemäuer, und ſteuerte wieder bergan.<lb/>
Das Wetter wurde aber nun ſo fürchterlich, und der<lb/>ſich erhebende Sturm ſelbſt ſo gefährlich, daß wir<lb/>
von neuem in einer elenden verfallenen Hütte Schutz<lb/>ſuchen mußten. In dem <choice><sic>rȧuchrigen</sic><corr>räuchrigen</corr></choice> Innern ſpann<lb/>ſtillſchweigend eine alte Frau, und einige halbnackte<lb/>
Kinder kauten, auf dem Boden liegend, an trocknen<lb/>
Brodrinden. Mein Eintreten ſchien von der ganzen<lb/>
Familie kaum bemerkt zu werden, wenigſtens än-<lb/>
derte es nichts in ihren <choice><sic>Beſchȧftigungen</sic><corr>Beſchäftigungen</corr></choice>. Ei-<lb/>
nen Augenblick ſtarrten mich die Kinder ohne<lb/>
Neugierde an, und fielen dann wieder in die<lb/>
Apathie des Elends zurück. Ich ſetzte mich auf den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">5*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[67/0091]
ein, und ein derber Regen ſtrömte auf uns herab,
gegen den mein Schirm mich nicht lange ſchützte.
Wir flüchteten endlich in die Ruine einer alten Burg,
und nachdem ich mühſam eine verfallne Wendeltreppe
erſtiegen, gelangte ich auf den Ueberreſt eines Söl-
lers, wo ich unter Epheuranken ein gutes Obdach
fand. Alles um mich her ſah aber gar melancholiſch
aus. Die zerbröckelten Mauern, der Wind, der kla-
gend durch ſie hinrauſchte, der monotone Fall des
Regens, und die ſo unangenehm getäuſchte Hoff-
nung, ſtimmten mich ganz traurig — ich dachte
ſeufzend, wie mir nichts, auch das Kleinſte nicht,
wie ich es wünſche, gelingt, wie Alles, was ich un-
ternehme, das Anſehen des Unzeitgemäßen und Son-
derlingartigen annimmt, ſo daß ich überall wie hier,
was Andere bei Sonnenſchein vollbringen, in Regen
und Sturm durcharbeiten muß. Ungeduldig verließ
ich das alte Gemäuer, und ſteuerte wieder bergan.
Das Wetter wurde aber nun ſo fürchterlich, und der
ſich erhebende Sturm ſelbſt ſo gefährlich, daß wir
von neuem in einer elenden verfallenen Hütte Schutz
ſuchen mußten. In dem räuchrigen Innern ſpann
ſtillſchweigend eine alte Frau, und einige halbnackte
Kinder kauten, auf dem Boden liegend, an trocknen
Brodrinden. Mein Eintreten ſchien von der ganzen
Familie kaum bemerkt zu werden, wenigſtens än-
derte es nichts in ihren Beſchäftigungen. Ei-
nen Augenblick ſtarrten mich die Kinder ohne
Neugierde an, und fielen dann wieder in die
Apathie des Elends zurück. Ich ſetzte mich auf den
5*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/91>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.