Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

dronk, qui ne scaurait compter le nombre de ses
anes,
wie jener P ........ General sagte --
gar nicht in den Kopf wollen. Klagen, Sorgen und
Noth haben deßhalb auch kein Ende in der Gesell-
schaft; nur eine gewisse lustige und vortreffliche alte
Dame weiß einzig und allein, fast überall, und bei
jeder Gelegenheit, den ersten Rang zu behaupten --
weil sie mit vielem Geist viel körperliche Kräfte und
persönliche Tapferkeit verbindet, und durch diese ver-
einten Eigenschaften bald mit Witz, bald mit gött-
licher Grobheit, bald auch, wenn nichts anders hel-
fen will, mit einem derben Fauststoß, bei Hof und
andern Festen sich als die Erste gerirt, und die Erste
bleibt. Ich weiß unter andern von guter Hand, daß
die Gräfin Kakerlack bei einem der Höfe (denn es
giebt deren Mehrere hier) sich durch eine Hof-Cabale
zurück gesetzt fühlte, und auf den Rath ihres Freun-
des, des Starostes von Pückling, sich direkt an den
stets gerechten und billigen Regenten wandte, und
offiziell um die Bestimmung ihres Ranges bat. Man
ertheilte ihr hierauf auch diesen, unmittelbar nach
der Fürstin Bona, welche (hier einmal der Ver-
dienste
ihres seligen Mannes wegen) den ersten
inne hat -- und der Großwürdenträger, Fürst
Weise, brachte ihr selbst diese Ordre, aber sagte er:
"Liebste Gräfin, der Baronin Stolz müßen Sie doch
"den Rang lassen, denn was wollen Sie mit Ihrer
"schlanken Taille gegen die ausrichten? ein einziger
"Ellenbogenstoß, und Sie sind lahm auf ewig! Also
"lassen Sie die immer vorgehn, denn Sie wissen,

dronk, qui ne scaurait compter le nombre de ses
ânes,
wie jener P ........ General ſagte —
gar nicht in den Kopf wollen. Klagen, Sorgen und
Noth haben deßhalb auch kein Ende in der Geſell-
ſchaft; nur eine gewiſſe luſtige und vortreffliche alte
Dame weiß einzig und allein, faſt überall, und bei
jeder Gelegenheit, den erſten Rang zu behaupten —
weil ſie mit vielem Geiſt viel körperliche Kräfte und
perſönliche Tapferkeit verbindet, und durch dieſe ver-
einten Eigenſchaften bald mit Witz, bald mit gött-
licher Grobheit, bald auch, wenn nichts anders hel-
fen will, mit einem derben Fauſtſtoß, bei Hof und
andern Feſten ſich als die Erſte gerirt, und die Erſte
bleibt. Ich weiß unter andern von guter Hand, daß
die Gräfin Kakerlack bei einem der Höfe (denn es
giebt deren Mehrere hier) ſich durch eine Hof-Cabale
zurück geſetzt fühlte, und auf den Rath ihres Freun-
des, des Staroſtes von Pückling, ſich direkt an den
ſtets gerechten und billigen Regenten wandte, und
offiziell um die Beſtimmung ihres Ranges bat. Man
ertheilte ihr hierauf auch dieſen, unmittelbar nach
der Fürſtin Bona, welche (hier einmal der Ver-
dienſte
ihres ſeligen Mannes wegen) den erſten
inne hat — und der Großwürdenträger, Fürſt
Weiſe, brachte ihr ſelbſt dieſe Ordre, aber ſagte er:
„Liebſte Gräfin, der Baronin Stolz müßen Sie doch
„den Rang laſſen, denn was wollen Sie mit Ihrer
„ſchlanken Taille gegen die ausrichten? ein einziger
„Ellenbogenſtoß, und Sie ſind lahm auf ewig! Alſo
„laſſen Sie die immer vorgehn, denn Sie wiſſen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="32"/>
dronk, <hi rendition="#aq">qui ne scaurait compter le nombre de ses<lb/>
ânes,</hi> wie jener P ........ General &#x017F;agte &#x2014;<lb/>
gar nicht in den Kopf wollen. Klagen, Sorgen und<lb/>
Noth haben deßhalb auch kein Ende in der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft; nur eine gewi&#x017F;&#x017F;e lu&#x017F;tige und vortreffliche alte<lb/>
Dame weiß einzig und allein, fa&#x017F;t überall, und bei<lb/>
jeder Gelegenheit, den er&#x017F;ten Rang zu behaupten &#x2014;<lb/>
weil &#x017F;ie mit vielem Gei&#x017F;t viel körperliche Kräfte und<lb/>
per&#x017F;önliche Tapferkeit verbindet, und durch die&#x017F;e ver-<lb/>
einten Eigen&#x017F;chaften bald mit Witz, bald mit gött-<lb/>
licher Grobheit, bald auch, wenn nichts anders hel-<lb/>
fen will, mit einem derben Fau&#x017F;t&#x017F;toß, bei Hof und<lb/>
andern Fe&#x017F;ten &#x017F;ich als die Er&#x017F;te gerirt, und die Er&#x017F;te<lb/>
bleibt. Ich weiß unter andern von guter Hand, daß<lb/>
die Gräfin Kakerlack bei einem der Höfe (denn es<lb/>
giebt deren Mehrere hier) &#x017F;ich durch eine Hof-Cabale<lb/>
zurück ge&#x017F;etzt fühlte, und auf den Rath ihres Freun-<lb/>
des, des Staro&#x017F;tes von Pückling, &#x017F;ich direkt an den<lb/>
&#x017F;tets gerechten und billigen Regenten wandte, und<lb/>
offiziell um die Be&#x017F;timmung ihres Ranges bat. Man<lb/>
ertheilte ihr hierauf auch die&#x017F;en, unmittelbar nach<lb/>
der Für&#x017F;tin Bona, welche (hier einmal der <hi rendition="#g">Ver-<lb/>
dien&#x017F;te</hi> ihres &#x017F;eligen Mannes wegen) den er&#x017F;ten<lb/>
inne hat &#x2014; und der Großwürdenträger, Für&#x017F;t<lb/>
Wei&#x017F;e, brachte ihr &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e Ordre, aber &#x017F;agte er:<lb/>
&#x201E;Lieb&#x017F;te Gräfin, der Baronin Stolz müßen Sie doch<lb/>
&#x201E;den Rang la&#x017F;&#x017F;en, denn was wollen Sie mit Ihrer<lb/>
&#x201E;&#x017F;chlanken Taille gegen <hi rendition="#g">die</hi> ausrichten? ein einziger<lb/>
&#x201E;Ellenbogen&#x017F;toß, und Sie &#x017F;ind lahm auf ewig! Al&#x017F;o<lb/>
&#x201E;la&#x017F;&#x017F;en Sie <hi rendition="#g">die</hi> immer vorgehn, denn Sie wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0056] dronk, qui ne scaurait compter le nombre de ses ânes, wie jener P ........ General ſagte — gar nicht in den Kopf wollen. Klagen, Sorgen und Noth haben deßhalb auch kein Ende in der Geſell- ſchaft; nur eine gewiſſe luſtige und vortreffliche alte Dame weiß einzig und allein, faſt überall, und bei jeder Gelegenheit, den erſten Rang zu behaupten — weil ſie mit vielem Geiſt viel körperliche Kräfte und perſönliche Tapferkeit verbindet, und durch dieſe ver- einten Eigenſchaften bald mit Witz, bald mit gött- licher Grobheit, bald auch, wenn nichts anders hel- fen will, mit einem derben Fauſtſtoß, bei Hof und andern Feſten ſich als die Erſte gerirt, und die Erſte bleibt. Ich weiß unter andern von guter Hand, daß die Gräfin Kakerlack bei einem der Höfe (denn es giebt deren Mehrere hier) ſich durch eine Hof-Cabale zurück geſetzt fühlte, und auf den Rath ihres Freun- des, des Staroſtes von Pückling, ſich direkt an den ſtets gerechten und billigen Regenten wandte, und offiziell um die Beſtimmung ihres Ranges bat. Man ertheilte ihr hierauf auch dieſen, unmittelbar nach der Fürſtin Bona, welche (hier einmal der Ver- dienſte ihres ſeligen Mannes wegen) den erſten inne hat — und der Großwürdenträger, Fürſt Weiſe, brachte ihr ſelbſt dieſe Ordre, aber ſagte er: „Liebſte Gräfin, der Baronin Stolz müßen Sie doch „den Rang laſſen, denn was wollen Sie mit Ihrer „ſchlanken Taille gegen die ausrichten? ein einziger „Ellenbogenſtoß, und Sie ſind lahm auf ewig! Alſo „laſſen Sie die immer vorgehn, denn Sie wiſſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/56
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/56>, abgerufen am 24.11.2024.