chen, wohin ich mich auch nach dem Essen sogleich aufmachte.
Das Fahren hat nun gänzlich aufgehört, fortan ist nur auf Berg-Pony's, oder zu Fuß, weiter zu kom- men. Ein solcher Pony trug mein Gepäck, der Führer und ich gingen daneben her, und war einer von uns müde, so mußte das gute Pferdchen ihn ebenfalls tragen. Die Sonne ging bald unter, aber der Mond schien hell. Die Gegend war nicht ohne Interesse, der Weg aber abscheulich, und führte oft durch Sümpfe und reißende Bäche, ohne Brücke noch Steg. Ueber alle Vorstellung beschwerlich, ward er aber, nach sechs bis acht Meilen, wo wir einen hohen Berg fast perpendikulair hinaufklimmen muß- ten, nur auf loses und spitzes Gerölle tretend, auf welchen man jeden Augenblick halb so weit herab- rutschte, als man vorher hinangeklettert war. Noch schlimmer beinah ging es auf der andern Seite hin- ab, besonders wenn ein vortretender Berg den Mond auslöschte. Ich konnte vor Müdigkeit nicht weiter gehen, und setzte mich daher auf den Pony. Dieses Thier zeigte wahren Menschenverstand. Bergauf half er sich mit der Nase, und den Zähnen selbst, glaube ich, wie mit einem fünften Beine, und berg- unter spann er sich, mit unaufhörlichen Drehungen des Körpers, wie eine Spinne herab. Kam er an einen Sumpf, in dem, statt des Steges, nur von Schritt zu Schritt einige Steine hineingeworfen wa- ren, so kroch er mit der Langsamkeit eines Faul-
chen, wohin ich mich auch nach dem Eſſen ſogleich aufmachte.
Das Fahren hat nun gänzlich aufgehört, fortan iſt nur auf Berg-Pony’s, oder zu Fuß, weiter zu kom- men. Ein ſolcher Pony trug mein Gepäck, der Führer und ich gingen daneben her, und war einer von uns müde, ſo mußte das gute Pferdchen ihn ebenfalls tragen. Die Sonne ging bald unter, aber der Mond ſchien hell. Die Gegend war nicht ohne Intereſſe, der Weg aber abſcheulich, und führte oft durch Sümpfe und reißende Bäche, ohne Brücke noch Steg. Ueber alle Vorſtellung beſchwerlich, ward er aber, nach ſechs bis acht Meilen, wo wir einen hohen Berg faſt perpendikulair hinaufklimmen muß- ten, nur auf loſes und ſpitzes Gerölle tretend, auf welchen man jeden Augenblick halb ſo weit herab- rutſchte, als man vorher hinangeklettert war. Noch ſchlimmer beinah ging es auf der andern Seite hin- ab, beſonders wenn ein vortretender Berg den Mond auslöſchte. Ich konnte vor Müdigkeit nicht weiter gehen, und ſetzte mich daher auf den Pony. Dieſes Thier zeigte wahren Menſchenverſtand. Bergauf half er ſich mit der Naſe, und den Zähnen ſelbſt, glaube ich, wie mit einem fünften Beine, und berg- unter ſpann er ſich, mit unaufhörlichen Drehungen des Körpers, wie eine Spinne herab. Kam er an einen Sumpf, in dem, ſtatt des Steges, nur von Schritt zu Schritt einige Steine hineingeworfen wa- ren, ſo kroch er mit der Langſamkeit eines Faul-
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chen, wohin ich mich auch nach dem Eſſen ſogleich
aufmachte.
Das Fahren hat nun gänzlich aufgehört, fortan iſt
nur auf Berg-Pony’s, oder zu Fuß, weiter zu kom-
men. Ein ſolcher Pony trug mein Gepäck, der
Führer und ich gingen daneben her, und war einer
von uns müde, ſo mußte das gute Pferdchen ihn
ebenfalls tragen. Die Sonne ging bald unter, aber
der Mond ſchien hell. Die Gegend war nicht ohne
Intereſſe, der Weg aber abſcheulich, und führte oft
durch Sümpfe und reißende Bäche, ohne Brücke noch
Steg. Ueber alle Vorſtellung beſchwerlich, ward er
aber, nach ſechs bis acht Meilen, wo wir einen
hohen Berg faſt perpendikulair hinaufklimmen muß-
ten, nur auf loſes und ſpitzes Gerölle tretend, auf
welchen man jeden Augenblick halb ſo weit herab-
rutſchte, als man vorher hinangeklettert war. Noch
ſchlimmer beinah ging es auf der andern Seite hin-
ab, beſonders wenn ein vortretender Berg den Mond
auslöſchte. Ich konnte vor Müdigkeit nicht weiter
gehen, und ſetzte mich daher auf den Pony. Dieſes
Thier zeigte wahren Menſchenverſtand. Bergauf
half er ſich mit der Naſe, und den Zähnen ſelbſt,
glaube ich, wie mit einem fünften Beine, und berg-
unter ſpann er ſich, mit unaufhörlichen Drehungen
des Körpers, wie eine Spinne herab. Kam er an
einen Sumpf, in dem, ſtatt des Steges, nur von
Schritt zu Schritt einige Steine hineingeworfen wa-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/335>, abgerufen am 05.12.2024.
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