heit die Schrecken des Vergangenen eine Zeit lang verscheuchend -- denn unerträgliche Leiden der Seele, wie des Körpers, heilt die liebende Natur, durch Ohnmacht oder Tod. --
Unterdessen war in der Stadt der Mord bereits entdeckt, und das grausenerregende Ende des sanf- ten Jünglings, der, ein Fremder, sich ihrer Gast- freundschaft vertraut, von allen Classen mit Schmerz und Empörung vernommen worden. Man hatte ei- nen Dolch neben dem herabgefallenen Sammtbarett des Spaniers, in Blut getaucht, gefunden, und nicht weit davon einen Hut, mit einer Agraffe aus Edelsteinen, und mit bunten Federn geschmückt, auch die frische Spur eines Menschen ausgemittelt, der in der Richtung des Waldes seine Rettung ge- sucht zu haben schien. Der Hut wurde sogleich für den des jungen Lynch erkannt, und da er selbst nir- gends aufzufinden war, fing man auch für sein Le- ben zu fürchten an, ihn mit dem Freunde zu- gleich ermordet glaubend. Der bestürzte Vater bestieg sein Pferd, und von dem Rache rufenden Volke begleitet, schwur er: daß nichts den Mörder retten solle, müßte er ihn auch selbst am Galgen aufknüpfen. -- Man denke sich, erst das Freude- jauchzen, dann den Schauder der Menge, und die Gefühle des Vaters, als man bei Tages Anbruch Edward Lynch, unter einem Baume gesunken, le- bend, und obgleich voll Blut, doch, wie es schien, ohne gefährliche Verwundung, auffand -- gleich dar-
heit die Schrecken des Vergangenen eine Zeit lang verſcheuchend — denn unerträgliche Leiden der Seele, wie des Körpers, heilt die liebende Natur, durch Ohnmacht oder Tod. —
Unterdeſſen war in der Stadt der Mord bereits entdeckt, und das grauſenerregende Ende des ſanf- ten Jünglings, der, ein Fremder, ſich ihrer Gaſt- freundſchaft vertraut, von allen Claſſen mit Schmerz und Empörung vernommen worden. Man hatte ei- nen Dolch neben dem herabgefallenen Sammtbarett des Spaniers, in Blut getaucht, gefunden, und nicht weit davon einen Hut, mit einer Agraffe aus Edelſteinen, und mit bunten Federn geſchmückt, auch die friſche Spur eines Menſchen ausgemittelt, der in der Richtung des Waldes ſeine Rettung ge- ſucht zu haben ſchien. Der Hut wurde ſogleich für den des jungen Lynch erkannt, und da er ſelbſt nir- gends aufzufinden war, fing man auch für ſein Le- ben zu fürchten an, ihn mit dem Freunde zu- gleich ermordet glaubend. Der beſtürzte Vater beſtieg ſein Pferd, und von dem Rache rufenden Volke begleitet, ſchwur er: daß nichts den Mörder retten ſolle, müßte er ihn auch ſelbſt am Galgen aufknüpfen. — Man denke ſich, erſt das Freude- jauchzen, dann den Schauder der Menge, und die Gefühle des Vaters, als man bei Tages Anbruch Edward Lynch, unter einem Baume geſunken, le- bend, und obgleich voll Blut, doch, wie es ſchien, ohne gefährliche Verwundung, auffand — gleich dar-
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heit die Schrecken des Vergangenen eine Zeit lang
verſcheuchend — denn unerträgliche Leiden der Seele,
wie des Körpers, heilt die liebende Natur, durch
Ohnmacht oder Tod. —
Unterdeſſen war in der Stadt der Mord bereits
entdeckt, und das grauſenerregende Ende des ſanf-
ten Jünglings, der, ein Fremder, ſich ihrer Gaſt-
freundſchaft vertraut, von allen Claſſen mit Schmerz
und Empörung vernommen worden. Man hatte ei-
nen Dolch neben dem herabgefallenen Sammtbarett
des Spaniers, in Blut getaucht, gefunden, und
nicht weit davon einen Hut, mit einer Agraffe aus
Edelſteinen, und mit bunten Federn geſchmückt,
auch die friſche Spur eines Menſchen ausgemittelt,
der in der Richtung des Waldes ſeine Rettung ge-
ſucht zu haben ſchien. Der Hut wurde ſogleich für
den des jungen Lynch erkannt, und da er ſelbſt nir-
gends aufzufinden war, fing man auch für ſein Le-
ben zu fürchten an, ihn mit dem Freunde zu-
gleich ermordet glaubend. Der beſtürzte Vater
beſtieg ſein Pferd, und von dem Rache rufenden
Volke begleitet, ſchwur er: daß nichts den Mörder
retten ſolle, müßte er ihn auch ſelbſt am Galgen
aufknüpfen. — Man denke ſich, erſt das Freude-
jauchzen, dann den Schauder der Menge, und die
Gefühle des Vaters, als man bei Tages Anbruch
Edward Lynch, unter einem Baume geſunken, le-
bend, und obgleich voll Blut, doch, wie es ſchien,
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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