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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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farben kleidet. -- Verführerisch, und leicht zu ver-
führen -- war es ein Wunder, daß solch ein Jüng-
ling selbst Edward Lynch unwillkührlich die Palme
aus der Hand wand? Nichts von dem jedoch ah-
nete Edward's Vater. Voll Dankbarkeit für seinen
Freund, voll Wohlgefallens an dessen hoffnungsvol-
lem Sohn, beschloß er für Letzteren dem alten Go-
mez seine Tochter anzubieten. Der Antrag war zu
schmeichelhaft, um ihn von der Hand gewiesen zu
sehen. Bald kamen die Väter überein, und es ward
bestimmt, daß Gonzalvo sogleich seinen Gönner nach
Irlands Küsten begleiten, und, wenn die Neigung
der jungen Leute dem gefaßten Plane entspräche, die
Verbindung Beider mit der Edwards zu gleicher
Zeit statt finden, dann aber das vereinte Paar nach
Spanien zurückkehren sollte. Der 19jährige Gomez
selbst folgte dem ehrwürdigen Freunde seines Vaters
mit Freuden. Sein frisches, romantisches Gemüth
genoß im Voraus, still entzückt, die mannichfaltigen
Scenen fremder Länder, die er zu sehen, die Wun-
der des Meers, die er zu betrachten, das neue Le-
ben ihm unbekannter Völker, dem er sich anzu-
schließen im Begriff stand, und sein warmes Herz
umfing schon mit Liebe das Mädchen, von deren
Reizen der Vater, vielleicht keine ganz unpartheyische
Beschreibung gemacht.

Jeder Augenblick der langen Seefahrt, die damals
mit größeren Gefahren verbunden war, und mehr
Zeit erforderte, als es jetzt der Fall ist, vermehrte
die Vertraulichkeit und gegenseitige Zuneigung der

farben kleidet. — Verführeriſch, und leicht zu ver-
führen — war es ein Wunder, daß ſolch ein Jüng-
ling ſelbſt Edward Lynch unwillkührlich die Palme
aus der Hand wand? Nichts von dem jedoch ah-
nete Edward’s Vater. Voll Dankbarkeit für ſeinen
Freund, voll Wohlgefallens an deſſen hoffnungsvol-
lem Sohn, beſchloß er für Letzteren dem alten Go-
mez ſeine Tochter anzubieten. Der Antrag war zu
ſchmeichelhaft, um ihn von der Hand gewieſen zu
ſehen. Bald kamen die Väter überein, und es ward
beſtimmt, daß Gonzalvo ſogleich ſeinen Gönner nach
Irlands Küſten begleiten, und, wenn die Neigung
der jungen Leute dem gefaßten Plane entſpräche, die
Verbindung Beider mit der Edwards zu gleicher
Zeit ſtatt finden, dann aber das vereinte Paar nach
Spanien zurückkehren ſollte. Der 19jährige Gomez
ſelbſt folgte dem ehrwürdigen Freunde ſeines Vaters
mit Freuden. Sein friſches, romantiſches Gemüth
genoß im Voraus, ſtill entzückt, die mannichfaltigen
Scenen fremder Länder, die er zu ſehen, die Wun-
der des Meers, die er zu betrachten, das neue Le-
ben ihm unbekannter Völker, dem er ſich anzu-
ſchließen im Begriff ſtand, und ſein warmes Herz
umfing ſchon mit Liebe das Mädchen, von deren
Reizen der Vater, vielleicht keine ganz unpartheyiſche
Beſchreibung gemacht.

Jeder Augenblick der langen Seefahrt, die damals
mit größeren Gefahren verbunden war, und mehr
Zeit erforderte, als es jetzt der Fall iſt, vermehrte
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[272/0296] farben kleidet. — Verführeriſch, und leicht zu ver- führen — war es ein Wunder, daß ſolch ein Jüng- ling ſelbſt Edward Lynch unwillkührlich die Palme aus der Hand wand? Nichts von dem jedoch ah- nete Edward’s Vater. Voll Dankbarkeit für ſeinen Freund, voll Wohlgefallens an deſſen hoffnungsvol- lem Sohn, beſchloß er für Letzteren dem alten Go- mez ſeine Tochter anzubieten. Der Antrag war zu ſchmeichelhaft, um ihn von der Hand gewieſen zu ſehen. Bald kamen die Väter überein, und es ward beſtimmt, daß Gonzalvo ſogleich ſeinen Gönner nach Irlands Küſten begleiten, und, wenn die Neigung der jungen Leute dem gefaßten Plane entſpräche, die Verbindung Beider mit der Edwards zu gleicher Zeit ſtatt finden, dann aber das vereinte Paar nach Spanien zurückkehren ſollte. Der 19jährige Gomez ſelbſt folgte dem ehrwürdigen Freunde ſeines Vaters mit Freuden. Sein friſches, romantiſches Gemüth genoß im Voraus, ſtill entzückt, die mannichfaltigen Scenen fremder Länder, die er zu ſehen, die Wun- der des Meers, die er zu betrachten, das neue Le- ben ihm unbekannter Völker, dem er ſich anzu- ſchließen im Begriff ſtand, und ſein warmes Herz umfing ſchon mit Liebe das Mädchen, von deren Reizen der Vater, vielleicht keine ganz unpartheyiſche Beſchreibung gemacht. Jeder Augenblick der langen Seefahrt, die damals mit größeren Gefahren verbunden war, und mehr Zeit erforderte, als es jetzt der Fall iſt, vermehrte die Vertraulichkeit und gegenſeitige Zuneigung der

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/296>, abgerufen am 27.04.2024.