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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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meisten beruhigt und erfreut, ist der Anblick so all-
gemein größern Wohlseyns und würdigerer Lebens-
verhältnisse. Was man bei uns Wohlhabenheit
nennt, findet man hier als das Nothwendige
angesehen, und durch alle Klassen verbreitet. Daraus
entsteht, bis auf die kleinsten Details, ein Streben
nach Zierlichkeit, eine sorgsame Eleganz und Reinlich-
keit, mit einem Wort: ein Trachten nach dem Schö-
nen neben dem Nützlichen, das unsern geringern
Klassen noch ganz unbekannt ist. Ich glaube, ich
schrieb Dir schon einmal von Birmingham, daß, als
ich eben dort war, die Londoner Oppositions-Blätter
von einer in Birmingham herrschenden Hungersnoth
unter den Fabrikarbeitern berichteten. Diese bestand
in der Wirklichkeit darin, daß die Leute, statt drei
oder vier Mahlzeiten, mit Thee, kaltem Fleisch, But-
terbrod, Beefstakes oder Braten, sich nun eine Weile,
vielleicht mit einer oder zwei, und blos mit Fleisch
und Kartoffeln begnügen mußten. Es war aber zu-
gleich Erndtezeit, und der Mangel an Arbeitern hier-
bei so groß, daß fast jeder Preis dafür bezahlt
wurde. Demohngeachtet versicherte man mich, die
Fabrikarbeiter würden eher alle Maschinen demoliren,
ja wirklich Hungers sterben, ehe sie sich entschlössen,
eine Sense in die Hand zu nehmen, oder Garben zu
binden. So verwöhnt und eigensinnig, durch allge-
meines Wohlleben und Sicherheit des Verdienstes
(wenn man diesen nur ernstlich aufzusuchen Lust
hat) ist das englische gemeine Volk, und man kann
sich, nach dem Gesagten, abstrahiren, was von den

meiſten beruhigt und erfreut, iſt der Anblick ſo all-
gemein größern Wohlſeyns und würdigerer Lebens-
verhältniſſe. Was man bei uns Wohlhabenheit
nennt, findet man hier als das Nothwendige
angeſehen, und durch alle Klaſſen verbreitet. Daraus
entſteht, bis auf die kleinſten Details, ein Streben
nach Zierlichkeit, eine ſorgſame Eleganz und Reinlich-
keit, mit einem Wort: ein Trachten nach dem Schö-
nen neben dem Nützlichen, das unſern geringern
Klaſſen noch ganz unbekannt iſt. Ich glaube, ich
ſchrieb Dir ſchon einmal von Birmingham, daß, als
ich eben dort war, die Londoner Oppoſitions-Blätter
von einer in Birmingham herrſchenden Hungersnoth
unter den Fabrikarbeitern berichteten. Dieſe beſtand
in der Wirklichkeit darin, daß die Leute, ſtatt drei
oder vier Mahlzeiten, mit Thee, kaltem Fleiſch, But-
terbrod, Beefſtakes oder Braten, ſich nun eine Weile,
vielleicht mit einer oder zwei, und blos mit Fleiſch
und Kartoffeln begnügen mußten. Es war aber zu-
gleich Erndtezeit, und der Mangel an Arbeitern hier-
bei ſo groß, daß faſt jeder Preis dafür bezahlt
wurde. Demohngeachtet verſicherte man mich, die
Fabrikarbeiter würden eher alle Maſchinen demoliren,
ja wirklich Hungers ſterben, ehe ſie ſich entſchlöſſen,
eine Senſe in die Hand zu nehmen, oder Garben zu
binden. So verwöhnt und eigenſinnig, durch allge-
meines Wohlleben und Sicherheit des Verdienſtes
(wenn man dieſen nur ernſtlich aufzuſuchen Luſt
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[4/0028] meiſten beruhigt und erfreut, iſt der Anblick ſo all- gemein größern Wohlſeyns und würdigerer Lebens- verhältniſſe. Was man bei uns Wohlhabenheit nennt, findet man hier als das Nothwendige angeſehen, und durch alle Klaſſen verbreitet. Daraus entſteht, bis auf die kleinſten Details, ein Streben nach Zierlichkeit, eine ſorgſame Eleganz und Reinlich- keit, mit einem Wort: ein Trachten nach dem Schö- nen neben dem Nützlichen, das unſern geringern Klaſſen noch ganz unbekannt iſt. Ich glaube, ich ſchrieb Dir ſchon einmal von Birmingham, daß, als ich eben dort war, die Londoner Oppoſitions-Blätter von einer in Birmingham herrſchenden Hungersnoth unter den Fabrikarbeitern berichteten. Dieſe beſtand in der Wirklichkeit darin, daß die Leute, ſtatt drei oder vier Mahlzeiten, mit Thee, kaltem Fleiſch, But- terbrod, Beefſtakes oder Braten, ſich nun eine Weile, vielleicht mit einer oder zwei, und blos mit Fleiſch und Kartoffeln begnügen mußten. Es war aber zu- gleich Erndtezeit, und der Mangel an Arbeitern hier- bei ſo groß, daß faſt jeder Preis dafür bezahlt wurde. Demohngeachtet verſicherte man mich, die Fabrikarbeiter würden eher alle Maſchinen demoliren, ja wirklich Hungers ſterben, ehe ſie ſich entſchlöſſen, eine Senſe in die Hand zu nehmen, oder Garben zu binden. So verwöhnt und eigenſinnig, durch allge- meines Wohlleben und Sicherheit des Verdienſtes (wenn man dieſen nur ernſtlich aufzuſuchen Luſt hat) iſt das engliſche gemeine Volk, und man kann ſich, nach dem Geſagten, abſtrahiren, was von den

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/28>, abgerufen am 23.11.2024.