Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

um zu erfahren, wo ich eigentlich sey? Ich stand
grade über der Bucht und dem weiten stillen Meer,
das die sanften Bergabhänge vor mir näher zu rük-
ken schienen als es wirklich war. Nach einiger An-
strengung entdeckte ich, unter den Baumgruppen der
Ebne, auch das Schloß von K ... Park, und rasch
darauf zutrabend, erreichte ich es noch zur rechten
Zeit für die Mittags-Toilette.



Mit der lieblichen kleinen Fanny, der jüngsten
Tochter des Hauses, die noch nicht out ist, *) spa-
zierte ich diesen Morgen, als Alle noch schliefen, im
Park und Garten umher, wo sie mir ihre dairy
(Milchkeller) und ihre aviary (Etablissement für Ge-
flügel) zeigte.

Ich schrieb Dir schon, daß der Milchkeller hier im-
mer eine der Hauptzierden jedes Parkes ausmacht
und von den Kuhställen ganz entfernt, für sich, in
der Form eines eleganten Pavillons besteht, mit Fon-

*) To come out heißt bei den jungen Mädchen in
England: in die Welt treten. Die Eltern lassen
manche dieses Glück bis ins zwanzigste Jahr und noch
länger erwarten. Bis dahin lernen sie die Welt nur
aus Romanen kennen, und später geht es auch dar-
nach, wo nicht die Häuslichkeit und Tugend (denn
ein solches Ding giebt es zuweilen in England) einen
zu festen Grund gelegt haben.
A. d. H.

um zu erfahren, wo ich eigentlich ſey? Ich ſtand
grade über der Bucht und dem weiten ſtillen Meer,
das die ſanften Bergabhänge vor mir näher zu rük-
ken ſchienen als es wirklich war. Nach einiger An-
ſtrengung entdeckte ich, unter den Baumgruppen der
Ebne, auch das Schloß von K … Park, und raſch
darauf zutrabend, erreichte ich es noch zur rechten
Zeit für die Mittags-Toilette.



Mit der lieblichen kleinen Fanny, der jüngſten
Tochter des Hauſes, die noch nicht out iſt, *) ſpa-
zierte ich dieſen Morgen, als Alle noch ſchliefen, im
Park und Garten umher, wo ſie mir ihre dairy
(Milchkeller) und ihre aviary (Etabliſſement für Ge-
flügel) zeigte.

Ich ſchrieb Dir ſchon, daß der Milchkeller hier im-
mer eine der Hauptzierden jedes Parkes ausmacht
und von den Kuhſtällen ganz entfernt, für ſich, in
der Form eines eleganten Pavillons beſteht, mit Fon-

*) To come out heißt bei den jungen Mädchen in
England: in die Welt treten. Die Eltern laſſen
manche dieſes Glück bis ins zwanzigſte Jahr und noch
länger erwarten. Bis dahin lernen ſie die Welt nur
aus Romanen kennen, und ſpäter geht es auch dar-
nach, wo nicht die Häuslichkeit und Tugend (denn
ein ſolches Ding giebt es zuweilen in England) einen
zu feſten Grund gelegt haben.
A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="141"/>
um zu erfahren, wo ich eigentlich &#x017F;ey? Ich &#x017F;tand<lb/>
grade über der Bucht und dem weiten &#x017F;tillen Meer,<lb/>
das die &#x017F;anften <choice><sic>Bergabha&#x0307;nge</sic><corr>Bergabhänge</corr></choice> vor mir näher zu rük-<lb/>
ken &#x017F;chienen als es wirklich war. Nach einiger An-<lb/>
&#x017F;trengung entdeckte ich, unter den Baumgruppen der<lb/>
Ebne, auch das Schloß von K &#x2026; Park, und ra&#x017F;ch<lb/>
darauf zutrabend, erreichte ich es noch zur rechten<lb/>
Zeit für die Mittags-Toilette.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 5<hi rendition="#sup">ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Mit der lieblichen kleinen Fanny, der jüng&#x017F;ten<lb/>
Tochter des Hau&#x017F;es, die noch nicht <hi rendition="#aq">out</hi> i&#x017F;t, <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">To come out</hi> heißt bei den jungen Mädchen in<lb/>
England: in die Welt treten. Die Eltern la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
manche die&#x017F;es Glück bis ins zwanzig&#x017F;te Jahr und noch<lb/>
länger erwarten. Bis dahin lernen &#x017F;ie die Welt nur<lb/>
aus Romanen kennen, und &#x017F;päter geht es auch dar-<lb/>
nach, wo nicht die Häuslichkeit und Tugend (denn<lb/>
ein &#x017F;olches Ding giebt es zuweilen in England) einen<lb/>
zu fe&#x017F;ten Grund gelegt haben.<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note> &#x017F;pa-<lb/>
zierte ich die&#x017F;en Morgen, als Alle noch &#x017F;chliefen, im<lb/>
Park und Garten umher, wo &#x017F;ie mir ihre <hi rendition="#aq">dairy</hi><lb/>
(Milchkeller) und ihre <hi rendition="#aq">aviary</hi> (Etabli&#x017F;&#x017F;ement für Ge-<lb/>
flügel) zeigte.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;chrieb Dir &#x017F;chon, daß der Milchkeller hier im-<lb/>
mer eine der Hauptzierden jedes Parkes ausmacht<lb/>
und von den Kuh&#x017F;tällen ganz entfernt, für &#x017F;ich, in<lb/>
der Form eines eleganten Pavillons be&#x017F;teht, mit Fon-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0165] um zu erfahren, wo ich eigentlich ſey? Ich ſtand grade über der Bucht und dem weiten ſtillen Meer, das die ſanften Bergabhänge vor mir näher zu rük- ken ſchienen als es wirklich war. Nach einiger An- ſtrengung entdeckte ich, unter den Baumgruppen der Ebne, auch das Schloß von K … Park, und raſch darauf zutrabend, erreichte ich es noch zur rechten Zeit für die Mittags-Toilette. Den 5ten. Mit der lieblichen kleinen Fanny, der jüngſten Tochter des Hauſes, die noch nicht out iſt, *) ſpa- zierte ich dieſen Morgen, als Alle noch ſchliefen, im Park und Garten umher, wo ſie mir ihre dairy (Milchkeller) und ihre aviary (Etabliſſement für Ge- flügel) zeigte. Ich ſchrieb Dir ſchon, daß der Milchkeller hier im- mer eine der Hauptzierden jedes Parkes ausmacht und von den Kuhſtällen ganz entfernt, für ſich, in der Form eines eleganten Pavillons beſteht, mit Fon- *) To come out heißt bei den jungen Mädchen in England: in die Welt treten. Die Eltern laſſen manche dieſes Glück bis ins zwanzigſte Jahr und noch länger erwarten. Bis dahin lernen ſie die Welt nur aus Romanen kennen, und ſpäter geht es auch dar- nach, wo nicht die Häuslichkeit und Tugend (denn ein ſolches Ding giebt es zuweilen in England) einen zu feſten Grund gelegt haben. A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/165
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/165>, abgerufen am 25.11.2024.