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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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um Wälder, Dörfer und Schluchten deutlich zu un-
terscheiden, und in einer Länge von zehn deutschen
Meilen sich ausbreitet. -- In allen Schattirungen
gruppiren sich die Berge, manche sind noch von Wol-
ken bedeckt, manche glänzen frei in der Sonne, an-
dere strecken blaue Hörner noch über die Wolken her-
vor, und Dörfer, Städte, weiße Kirchen, schmucke
Landhäuser und Schlösser werden in den Falten der
Abhänge sichtbar, während blinkende Streiflichter
auf den grünen Matten spielen. Der Ruhe bedürf-
tig wendest Du Dich endlich dem Norden, der Dir
links liegt, zu. Hier zerstreut Dich nichts mehr. Der
weite Ocean allein fließt da mit dem Himmel zusam-
men. Nur kurze Zeit verfolgst Du noch auf Deiner
Seite die zurückweichenden, waldigen Ufer von Angle-
sea, wo hohe Nußbäume und Eichen mit ihren wei-
ten Aesten über das Meer hinhängen, dann bist Du
mit Himmel und Wasser allein, höchstens glaubst Du
in neblicher Ferne die Segel eines Dreideckers zu
unterscheiden, oder ein Wolkenbild malt Dir phanta-
stische Gestalten vor.

Nach einer genußreich hier verlebten Stunde ritt
ich, meinen in Beaumaris gemietheten Klepper nach
Kräften anstrengend, der großen Brücke zu. Der
beste Gesichtspunkt ist unten auf dem Sandgestade,
bei einigen Fischerhütten, ohngefähr 100 Schritt von
ihr entfernt. Je mehr, je genauer man sie betrach-
tet, je mehr staunt man, und glaubt zuweilen das
Ganze nur im Traume zu sehen, aus Filagranarbeit

um Wälder, Dörfer und Schluchten deutlich zu un-
terſcheiden, und in einer Länge von zehn deutſchen
Meilen ſich ausbreitet. — In allen Schattirungen
gruppiren ſich die Berge, manche ſind noch von Wol-
ken bedeckt, manche glänzen frei in der Sonne, an-
dere ſtrecken blaue Hörner noch über die Wolken her-
vor, und Dörfer, Städte, weiße Kirchen, ſchmucke
Landhäuſer und Schlöſſer werden in den Falten der
Abhänge ſichtbar, während blinkende Streiflichter
auf den grünen Matten ſpielen. Der Ruhe bedürf-
tig wendeſt Du Dich endlich dem Norden, der Dir
links liegt, zu. Hier zerſtreut Dich nichts mehr. Der
weite Ocean allein fließt da mit dem Himmel zuſam-
men. Nur kurze Zeit verfolgſt Du noch auf Deiner
Seite die zurückweichenden, waldigen Ufer von Angle-
ſea, wo hohe Nußbäume und Eichen mit ihren wei-
ten Aeſten über das Meer hinhängen, dann biſt Du
mit Himmel und Waſſer allein, höchſtens glaubſt Du
in neblicher Ferne die Segel eines Dreideckers zu
unterſcheiden, oder ein Wolkenbild malt Dir phanta-
ſtiſche Geſtalten vor.

Nach einer genußreich hier verlebten Stunde ritt
ich, meinen in Beaumaris gemietheten Klepper nach
Kräften anſtrengend, der großen Brücke zu. Der
beſte Geſichtspunkt iſt unten auf dem Sandgeſtade,
bei einigen Fiſcherhütten, ohngefähr 100 Schritt von
ihr entfernt. Je mehr, je genauer man ſie betrach-
tet, je mehr ſtaunt man, und glaubt zuweilen das
Ganze nur im Traume zu ſehen, aus Filagranarbeit

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[92/0116] um Wälder, Dörfer und Schluchten deutlich zu un- terſcheiden, und in einer Länge von zehn deutſchen Meilen ſich ausbreitet. — In allen Schattirungen gruppiren ſich die Berge, manche ſind noch von Wol- ken bedeckt, manche glänzen frei in der Sonne, an- dere ſtrecken blaue Hörner noch über die Wolken her- vor, und Dörfer, Städte, weiße Kirchen, ſchmucke Landhäuſer und Schlöſſer werden in den Falten der Abhänge ſichtbar, während blinkende Streiflichter auf den grünen Matten ſpielen. Der Ruhe bedürf- tig wendeſt Du Dich endlich dem Norden, der Dir links liegt, zu. Hier zerſtreut Dich nichts mehr. Der weite Ocean allein fließt da mit dem Himmel zuſam- men. Nur kurze Zeit verfolgſt Du noch auf Deiner Seite die zurückweichenden, waldigen Ufer von Angle- ſea, wo hohe Nußbäume und Eichen mit ihren wei- ten Aeſten über das Meer hinhängen, dann biſt Du mit Himmel und Waſſer allein, höchſtens glaubſt Du in neblicher Ferne die Segel eines Dreideckers zu unterſcheiden, oder ein Wolkenbild malt Dir phanta- ſtiſche Geſtalten vor. Nach einer genußreich hier verlebten Stunde ritt ich, meinen in Beaumaris gemietheten Klepper nach Kräften anſtrengend, der großen Brücke zu. Der beſte Geſichtspunkt iſt unten auf dem Sandgeſtade, bei einigen Fiſcherhütten, ohngefähr 100 Schritt von ihr entfernt. Je mehr, je genauer man ſie betrach- tet, je mehr ſtaunt man, und glaubt zuweilen das Ganze nur im Traume zu ſehen, aus Filagranarbeit

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/116>, abgerufen am 28.04.2024.