Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

kein Vernünftler, hier kein Verständiger der Welt,
hier sind wir ja Alle nur einfältige Christuslämmer,
eine Heerde und ein Hirt.

Doch ist Warnung stets vonnöthen, und drum rufe
ich heute Allarm! Wir haben bis jetzt zwar nur Bruch-
stücke jener giftigen Betrachtungen erhalten, und wis-
sen noch nicht ganz, wo der Verfasser eigentlich da-
mit hinaus will, aber auf uns ist es gemünzt, daran
bleibt kein Zweifel, und Gottlob! finden wir ja auch
schon in dem Vorhandenen genug, ihn als Gottlosen
anzuklagen! Ist es nicht offenbar, daß er frevelnd der
Vorsicht und ihrer Allmacht spottet?

Wir hoffen, wir bitten daher gläubig und inbrün-
stig, daß diese Allmacht auch ihre Rache selbst über-
nehmen, und jener gemüthlichen Seele schon hier ei-
nen Vorschmack von dem geben möge, was sie ohn-
fehlbar einst in den ewigen Flammen erwartet; und
der allliebende Gott thue dies bald und schreck-
lich, damit kein reines Schaf unsrer Heerde vorher
noch verführt werde von diesem Unreinen, und selbst

nants selbst, mit gleißnerischen Worten suchend sie zu
bethören -- doch die Frömmigkeit siegte, und bald
mußte er sich decouvriren, in aller seiner Schmach. So
triumphiren zuletzt immer die Gerechten! Sexaginta
aber wußte seitdem, daß es Dinge giebt, von denen sich
manche unsrer sogenannten Weisen nichts träumen lassen,
und konnte, frömmer als der Dichter, ausrufen: Der
Teufel, er ist kein leerer Wahn!
Anm. des Redacteurs der Lammzeitung.
Briefe eines Verstorbenen. I. 6

kein Vernünftler, hier kein Verſtändiger der Welt,
hier ſind wir ja Alle nur einfältige Chriſtuslämmer,
eine Heerde und ein Hirt.

Doch iſt Warnung ſtets vonnöthen, und drum rufe
ich heute Allarm! Wir haben bis jetzt zwar nur Bruch-
ſtücke jener giftigen Betrachtungen erhalten, und wiſ-
ſen noch nicht ganz, wo der Verfaſſer eigentlich da-
mit hinaus will, aber auf uns iſt es gemünzt, daran
bleibt kein Zweifel, und Gottlob! finden wir ja auch
ſchon in dem Vorhandenen genug, ihn als Gottloſen
anzuklagen! Iſt es nicht offenbar, daß er frevelnd der
Vorſicht und ihrer Allmacht ſpottet?

Wir hoffen, wir bitten daher gläubig und inbrün-
ſtig, daß dieſe Allmacht auch ihre Rache ſelbſt über-
nehmen, und jener gemüthlichen Seele ſchon hier ei-
nen Vorſchmack von dem geben möge, was ſie ohn-
fehlbar einſt in den ewigen Flammen erwartet; und
der allliebende Gott thue dies bald und ſchreck-
lich, damit kein reines Schaf unſrer Heerde vorher
noch verführt werde von dieſem Unreinen, und ſelbſt

nants ſelbſt, mit gleißneriſchen Worten ſuchend ſie zu
bethören — doch die Frömmigkeit ſiegte, und bald
mußte er ſich decouvriren, in aller ſeiner Schmach. So
triumphiren zuletzt immer die Gerechten! Sexaginta
aber wußte ſeitdem, daß es Dinge giebt, von denen ſich
manche unſrer ſogenannten Weiſen nichts träumen laſſen,
und konnte, frömmer als der Dichter, ausrufen: Der
Teufel, er iſt kein leerer Wahn!
Anm. des Redacteurs der Lammzeitung.
Briefe eines Verſtorbenen. I. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="81"/>
kein Vernünftler, hier kein Ver&#x017F;tändiger der Welt,<lb/>
hier &#x017F;ind wir ja Alle nur einfältige Chri&#x017F;tuslämmer,<lb/><hi rendition="#g">eine</hi> Heerde und <hi rendition="#g">ein</hi> Hirt.</p><lb/>
          <p>Doch i&#x017F;t Warnung &#x017F;tets vonnöthen, und drum rufe<lb/>
ich heute Allarm! Wir haben bis jetzt zwar nur Bruch-<lb/>
&#x017F;tücke jener giftigen Betrachtungen erhalten, und wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en noch nicht ganz, wo der Verfa&#x017F;&#x017F;er eigentlich da-<lb/>
mit hinaus will, aber auf uns i&#x017F;t es gemünzt, daran<lb/>
bleibt kein Zweifel, und Gottlob! finden wir ja auch<lb/>
&#x017F;chon in dem Vorhandenen genug, ihn als Gottlo&#x017F;en<lb/>
anzuklagen! I&#x017F;t es nicht offenbar, daß er frevelnd der<lb/>
Vor&#x017F;icht und ihrer Allmacht &#x017F;pottet?</p><lb/>
          <p>Wir hoffen, wir bitten daher gläubig und inbrün-<lb/>
&#x017F;tig, daß die&#x017F;e Allmacht auch ihre Rache &#x017F;elb&#x017F;t über-<lb/>
nehmen, und jener gemüthlichen Seele &#x017F;chon hier ei-<lb/>
nen Vor&#x017F;chmack von dem geben möge, was &#x017F;ie ohn-<lb/>
fehlbar ein&#x017F;t in den ewigen Flammen erwartet; und<lb/>
der <hi rendition="#g">allliebende</hi> Gott thue dies bald und &#x017F;chreck-<lb/>
lich, damit kein reines Schaf un&#x017F;rer Heerde vorher<lb/>
noch verführt werde von die&#x017F;em Unreinen, und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/><note xml:id="seg2pn_3_2" prev="#seg2pn_3_1" place="foot" n="*)">nants &#x017F;elb&#x017F;t, mit gleißneri&#x017F;chen Worten &#x017F;uchend &#x017F;ie zu<lb/>
bethören &#x2014; doch die Frömmigkeit &#x017F;iegte, und bald<lb/>
mußte er &#x017F;ich decouvriren, in aller &#x017F;einer Schmach. So<lb/>
triumphiren zuletzt immer die Gerechten! <hi rendition="#aq">Sexaginta</hi><lb/>
aber wußte &#x017F;eitdem, daß es Dinge giebt, von denen &#x017F;ich<lb/>
manche un&#x017F;rer &#x017F;ogenannten Wei&#x017F;en nichts träumen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und konnte, frömmer als der Dichter, ausrufen: Der<lb/>
Teufel, er i&#x017F;t kein leerer Wahn!<lb/><hi rendition="#et">Anm. des Redacteurs der Lammzeitung.</hi></note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">I.</hi> 6</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0105] kein Vernünftler, hier kein Verſtändiger der Welt, hier ſind wir ja Alle nur einfältige Chriſtuslämmer, eine Heerde und ein Hirt. Doch iſt Warnung ſtets vonnöthen, und drum rufe ich heute Allarm! Wir haben bis jetzt zwar nur Bruch- ſtücke jener giftigen Betrachtungen erhalten, und wiſ- ſen noch nicht ganz, wo der Verfaſſer eigentlich da- mit hinaus will, aber auf uns iſt es gemünzt, daran bleibt kein Zweifel, und Gottlob! finden wir ja auch ſchon in dem Vorhandenen genug, ihn als Gottloſen anzuklagen! Iſt es nicht offenbar, daß er frevelnd der Vorſicht und ihrer Allmacht ſpottet? Wir hoffen, wir bitten daher gläubig und inbrün- ſtig, daß dieſe Allmacht auch ihre Rache ſelbſt über- nehmen, und jener gemüthlichen Seele ſchon hier ei- nen Vorſchmack von dem geben möge, was ſie ohn- fehlbar einſt in den ewigen Flammen erwartet; und der allliebende Gott thue dies bald und ſchreck- lich, damit kein reines Schaf unſrer Heerde vorher noch verführt werde von dieſem Unreinen, und ſelbſt *) *) nants ſelbſt, mit gleißneriſchen Worten ſuchend ſie zu bethören — doch die Frömmigkeit ſiegte, und bald mußte er ſich decouvriren, in aller ſeiner Schmach. So triumphiren zuletzt immer die Gerechten! Sexaginta aber wußte ſeitdem, daß es Dinge giebt, von denen ſich manche unſrer ſogenannten Weiſen nichts träumen laſſen, und konnte, frömmer als der Dichter, ausrufen: Der Teufel, er iſt kein leerer Wahn! Anm. des Redacteurs der Lammzeitung. Briefe eines Verſtorbenen. I. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/105
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/105>, abgerufen am 28.04.2024.