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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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doch wollen unsrer (allerdings leider etwas zu leicht-
gläubigen) Stammmutter nicht gleichen, sondern Sa-
telliten des Teufels mit Feuer und Schwert ausrot-
ten, wo wir sie finden. Ja meine Freunde und Ihr
meine Freundinnen, Ihr wißt es -- der Teufel ist
und lebt -- nicht wie die ungläubige Rotte sagt: in
uns, als Teufel der Leidenschaften, der Eitelkeit, des
Hasses, der Sünde -- nein, persönlich schleicht er
herum auf der Erde, wie ein brüllender Löwe, mit
Bockshorn und Pferdeschweif, und pestilentialischem
Gestank, wo er sich zu erkennen giebt -- wer nicht
so an den Teufel glaubt, glaubt auch nicht an Je-
sus... *) doch warum ereifere ich mich, hier ist ja

*) Wer dennoch daran zweifeln sollte, dem können wir
auf Treu und Glauben versichern, dem bösen Feind
selbst schon so begegnet zu seyn, ja einem der ver-
dienstvollsten Mitglieder unserer heiligen Gesellschaft,
einer hohen Dame, die wir hier nur mit dem Namen
Sexaginta bezeichnen wollen, erschien er auf noch weit
schändlichere Weise. Sie stand damals auch schon einem
frommen Conventikel vor, gemeinschaftlich mit dem
würdigen Herren Lieutenant Grafen von N ..... und
hatte es eben mit siegender Rede durchgesetzt, daß die
Gemeinde sich einstimmig verpflichtete, nie heidnische
Kunstausdrücke, als z. B. der Gott Amor oder die
Göttin Venus, zu gebrauchen, sondern, wo der Gegen-
stand nicht ganz zu umgehen sey, doch jener unreinen
Dämonen, eingedenk unserer christlichen Pflicht, nur
als des Götzen Amor, der Götzin Venus u. s. w.
zu erwähnen. Dies mochte Satan auf die empfind-
lichste Stelle getroffen haben. Racheschnaubend suchte
er nun die Taube zu verderben, und erschien ihr zuerst,
mit verruchter List, in der Gestalt des Herrn Lieute-

doch wollen unſrer (allerdings leider etwas zu leicht-
gläubigen) Stammmutter nicht gleichen, ſondern Sa-
telliten des Teufels mit Feuer und Schwert ausrot-
ten, wo wir ſie finden. Ja meine Freunde und Ihr
meine Freundinnen, Ihr wißt es — der Teufel iſt
und lebt — nicht wie die ungläubige Rotte ſagt: in
uns, als Teufel der Leidenſchaften, der Eitelkeit, des
Haſſes, der Sünde — nein, perſönlich ſchleicht er
herum auf der Erde, wie ein brüllender Löwe, mit
Bockshorn und Pferdeſchweif, und peſtilentialiſchem
Geſtank, wo er ſich zu erkennen giebt — wer nicht
ſo an den Teufel glaubt, glaubt auch nicht an Je-
ſus… *) doch warum ereifere ich mich, hier iſt ja

*) Wer dennoch daran zweifeln ſollte, dem können wir
auf Treu und Glauben verſichern, dem böſen Feind
ſelbſt ſchon ſo begegnet zu ſeyn, ja einem der ver-
dienſtvollſten Mitglieder unſerer heiligen Geſellſchaft,
einer hohen Dame, die wir hier nur mit dem Namen
Sexaginta bezeichnen wollen, erſchien er auf noch weit
ſchändlichere Weiſe. Sie ſtand damals auch ſchon einem
frommen Conventikel vor, gemeinſchaftlich mit dem
würdigen Herren Lieutenant Grafen von N ..... und
hatte es eben mit ſiegender Rede durchgeſetzt, daß die
Gemeinde ſich einſtimmig verpflichtete, nie heidniſche
Kunſtausdrücke, als z. B. der Gott Amor oder die
Göttin Venus, zu gebrauchen, ſondern, wo der Gegen-
ſtand nicht ganz zu umgehen ſey, doch jener unreinen
Dämonen, eingedenk unſerer chriſtlichen Pflicht, nur
als des Götzen Amor, der Götzin Venus u. ſ. w.
zu erwähnen. Dies mochte Satan auf die empfind-
lichſte Stelle getroffen haben. Racheſchnaubend ſuchte
er nun die Taube zu verderben, und erſchien ihr zuerſt,
mit verruchter Liſt, in der Geſtalt des Herrn Lieute-
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[80/0104] doch wollen unſrer (allerdings leider etwas zu leicht- gläubigen) Stammmutter nicht gleichen, ſondern Sa- telliten des Teufels mit Feuer und Schwert ausrot- ten, wo wir ſie finden. Ja meine Freunde und Ihr meine Freundinnen, Ihr wißt es — der Teufel iſt und lebt — nicht wie die ungläubige Rotte ſagt: in uns, als Teufel der Leidenſchaften, der Eitelkeit, des Haſſes, der Sünde — nein, perſönlich ſchleicht er herum auf der Erde, wie ein brüllender Löwe, mit Bockshorn und Pferdeſchweif, und peſtilentialiſchem Geſtank, wo er ſich zu erkennen giebt — wer nicht ſo an den Teufel glaubt, glaubt auch nicht an Je- ſus… *) doch warum ereifere ich mich, hier iſt ja *) Wer dennoch daran zweifeln ſollte, dem können wir auf Treu und Glauben verſichern, dem böſen Feind ſelbſt ſchon ſo begegnet zu ſeyn, ja einem der ver- dienſtvollſten Mitglieder unſerer heiligen Geſellſchaft, einer hohen Dame, die wir hier nur mit dem Namen Sexaginta bezeichnen wollen, erſchien er auf noch weit ſchändlichere Weiſe. Sie ſtand damals auch ſchon einem frommen Conventikel vor, gemeinſchaftlich mit dem würdigen Herren Lieutenant Grafen von N ..... und hatte es eben mit ſiegender Rede durchgeſetzt, daß die Gemeinde ſich einſtimmig verpflichtete, nie heidniſche Kunſtausdrücke, als z. B. der Gott Amor oder die Göttin Venus, zu gebrauchen, ſondern, wo der Gegen- ſtand nicht ganz zu umgehen ſey, doch jener unreinen Dämonen, eingedenk unſerer chriſtlichen Pflicht, nur als des Götzen Amor, der Götzin Venus u. ſ. w. zu erwähnen. Dies mochte Satan auf die empfind- lichſte Stelle getroffen haben. Racheſchnaubend ſuchte er nun die Taube zu verderben, und erſchien ihr zuerſt, mit verruchter Liſt, in der Geſtalt des Herrn Lieute-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/104>, abgerufen am 28.04.2024.