Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

Bild:
<< vorherige Seite

trank die Weltenschöne mit vollen Zügen. All ihre Leiden, Kümmernisse und Prüfungen hatte sie vergessen. Boris sah mit Entzücken den beglückten Ausdruck ihrer Augen. "Wenigstens eine Entschädigung", dachte er. Sie fuhren durch herrlichen Wald zurück und geradeaus in das Grandhotel am Pier zum Lunch. "Das ist bald deine letzte europäische Mahlzeit", sagte er und ließ sich an einem kleinen Fenstertisch mit ihr nieder. Auch dies Mahl genoß Indra. Sie plauderten lange und angeregt von all den japanischen Wundern und kümmerten sich nicht um die Fremden ringsumher. Bis Indra plötzlich aufblickte und den letzten Blick, den fragenden, verwunderten, zweifelnden eines hochgewachsenen, blonden, jungen Mannes auffing. War das nicht Margots Freund? Schon war er verschwunden. Was mußte er von ihr denken? Nur die Wahrheit. Sie war eben nicht mehr "nur Hausdame". Den ganzen übrigen Tag blieb sie zerstreut. Auch oben vor der Prachtaussicht, beim Teehaus der hundert Stufen, wo die Geishas so lieb zu ihr und Boris waren. Sie stiegen dann bei Sonnenuntergang

trank die Weltenschöne mit vollen Zügen. All ihre Leiden, Kümmernisse und Prüfungen hatte sie vergessen. Boris sah mit Entzücken den beglückten Ausdruck ihrer Augen. „Wenigstens eine Entschädigung“, dachte er. Sie fuhren durch herrlichen Wald zurück und geradeaus in das Grandhotel am Pier zum Lunch. „Das ist bald deine letzte europäische Mahlzeit“, sagte er und ließ sich an einem kleinen Fenstertisch mit ihr nieder. Auch dies Mahl genoß Indra. Sie plauderten lange und angeregt von all den japanischen Wundern und kümmerten sich nicht um die Fremden ringsumher. Bis Indra plötzlich aufblickte und den letzten Blick, den fragenden, verwunderten, zweifelnden eines hochgewachsenen, blonden, jungen Mannes auffing. War das nicht Margots Freund? Schon war er verschwunden. Was mußte er von ihr denken? Nur die Wahrheit. Sie war eben nicht mehr „nur Hausdame“. Den ganzen übrigen Tag blieb sie zerstreut. Auch oben vor der Prachtaussicht, beim Teehaus der hundert Stufen, wo die Geishas so lieb zu ihr und Boris waren. Sie stiegen dann bei Sonnenuntergang

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="109"/>
trank die Weltenschöne mit vollen Zügen. All ihre Leiden, Kümmernisse und Prüfungen hatte sie vergessen. Boris sah mit Entzücken den beglückten Ausdruck ihrer Augen. &#x201E;Wenigstens eine Entschädigung&#x201C;, dachte er. Sie fuhren durch herrlichen Wald zurück und geradeaus in das Grandhotel am Pier zum Lunch. &#x201E;Das ist bald deine letzte europäische Mahlzeit&#x201C;, sagte er und ließ sich an einem kleinen Fenstertisch mit ihr nieder. Auch dies Mahl genoß Indra. Sie plauderten lange und angeregt von all den japanischen Wundern und kümmerten sich nicht um die Fremden ringsumher. Bis Indra plötzlich aufblickte und den letzten Blick, den fragenden, verwunderten, zweifelnden eines hochgewachsenen, blonden, jungen Mannes auffing. War das nicht Margots Freund? Schon war er verschwunden. Was mußte er von ihr denken? Nur die Wahrheit. Sie war eben nicht mehr &#x201E;nur Hausdame&#x201C;. Den ganzen übrigen Tag blieb sie zerstreut. Auch oben vor der Prachtaussicht, beim Teehaus der hundert Stufen, wo die Geishas so lieb zu ihr und Boris waren. Sie stiegen dann bei Sonnenuntergang
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0108] trank die Weltenschöne mit vollen Zügen. All ihre Leiden, Kümmernisse und Prüfungen hatte sie vergessen. Boris sah mit Entzücken den beglückten Ausdruck ihrer Augen. „Wenigstens eine Entschädigung“, dachte er. Sie fuhren durch herrlichen Wald zurück und geradeaus in das Grandhotel am Pier zum Lunch. „Das ist bald deine letzte europäische Mahlzeit“, sagte er und ließ sich an einem kleinen Fenstertisch mit ihr nieder. Auch dies Mahl genoß Indra. Sie plauderten lange und angeregt von all den japanischen Wundern und kümmerten sich nicht um die Fremden ringsumher. Bis Indra plötzlich aufblickte und den letzten Blick, den fragenden, verwunderten, zweifelnden eines hochgewachsenen, blonden, jungen Mannes auffing. War das nicht Margots Freund? Schon war er verschwunden. Was mußte er von ihr denken? Nur die Wahrheit. Sie war eben nicht mehr „nur Hausdame“. Den ganzen übrigen Tag blieb sie zerstreut. Auch oben vor der Prachtaussicht, beim Teehaus der hundert Stufen, wo die Geishas so lieb zu ihr und Boris waren. Sie stiegen dann bei Sonnenuntergang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/108
Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/108>, abgerufen am 25.11.2024.