Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Curieuse Reise-Beschreibung. V. Cap.
bey ihrem Gottesdienst einige Pflichten zum Ge-
setz gemacht. Die meisten Menschen aber nah-
men mit den Jahren am Verstande zu, ausge-
nommen die Religion, darinn blieben sie wegen
ihrer in der Auferziehung eingesogenen Vorur-
theile, wie sie waren.

Die Wissenschafft von GOTT ist in vielen
Menschen sehr dunckel, und GOttes Offenbah-
rungen sind Rätzel, die ein ieder nicht verstehen
kan; denn die Ausleger der Religion, vornem-
lich von den Propheten, die segeln nicht allzeit
auf einer Höhe, eine iede Secte, wenn sie noch so
streitig wider einander ist, so kan sie doch die
Schrifft so auslegen, daß sie sich nach ieder Mei-
nung schicken muß, daher beweist die Schrisft
an Unpartheyische nichts sichers. *

Die Religion ist in unzehlbare Secten einge-
theilet, ein ieder rühmt, daß er die einigen wah-
ren Gesetze von GOtt habe; hingegen ist wenig
aufrichtige Gottesfurcht, viel Menschen verder-
ben einander, und dancken GOtt, wenns ge-
schehen ist, wegen des von ihnen gestiffteten
Schadens. So eine Religion ist die beste, wor-
inn man die wenigste Gefahr hat, zu einer Un-

ord-
* Dieses ist an sich ein falsches Principium: Denn die
Schrifft ist keine wächserne Nase, noch Regula Les-
bia;
und wenn die Schrifft-Stellen von ieder fal-
schen Secte anders ausgelegt werden, so geschiehet
es entweder aus deren Malice und Elgensinn, oder
Sophisterey, ihre Meinung zu behaupten, woran
aber die Schrifft keine Schuld hat.
G

Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.
bey ihrem Gottesdienſt einige Pflichten zum Ge-
ſetz gemacht. Die meiſten Menſchen aber nah-
men mit den Jahren am Verſtande zu, ausge-
nommen die Religion, darinn blieben ſie wegen
ihrer in der Auferziehung eingeſogenen Vorur-
theile, wie ſie waren.

Die Wiſſenſchafft von GOTT iſt in vielen
Menſchen ſehr dunckel, und GOttes Offenbah-
rungen ſind Raͤtzel, die ein ieder nicht verſtehen
kan; denn die Ausleger der Religion, vornem-
lich von den Propheten, die ſegeln nicht allzeit
auf einer Hoͤhe, eine iede Secte, wenn ſie noch ſo
ſtreitig wider einander iſt, ſo kan ſie doch die
Schrifft ſo auslegen, daß ſie ſich nach ieder Mei-
nung ſchicken muß, daher beweiſt die Schriſft
an Unpartheyiſche nichts ſichers. *

Die Religion iſt in unzehlbare Secten einge-
theilet, ein ieder ruͤhmt, daß er die einigen wah-
ren Geſetze von GOtt habe; hingegen iſt wenig
aufrichtige Gottesfurcht, viel Menſchen verder-
ben einander, und dancken GOtt, wenns ge-
ſchehen iſt, wegen des von ihnen geſtiffteten
Schadens. So eine Religion iſt die beſte, wor-
inn man die wenigſte Gefahr hat, zu einer Un-

ord-
* Dieſes iſt an ſich ein falſches Principium: Denn die
Schrifft iſt keine waͤchſerne Naſe, noch Regula Les-
bia;
und wenn die Schrifft-Stellen von ieder fal-
ſchen Secte anders ausgelegt werden, ſo geſchiehet
es entweder aus deren Malice und Elgenſinn, oder
Sophiſterey, ihre Meinung zu behaupten, woran
aber die Schrifft keine Schuld hat.
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0121" n="97"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Curieu&#x017F;e</hi> Rei&#x017F;e-Be&#x017F;chreibung. <hi rendition="#aq">V. Cap.</hi></hi></fw><lb/>
bey ihrem Gottesdien&#x017F;t einige Pflichten zum Ge-<lb/>
&#x017F;etz gemacht. Die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen aber nah-<lb/>
men mit den Jahren am Ver&#x017F;tande zu, ausge-<lb/>
nommen die Religion, darinn blieben &#x017F;ie wegen<lb/>
ihrer in der Auferziehung einge&#x017F;ogenen Vorur-<lb/>
theile, wie &#x017F;ie waren.</p><lb/>
            <p>Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft von GOTT i&#x017F;t in vielen<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ehr dunckel, und GOttes Offenbah-<lb/>
rungen &#x017F;ind Ra&#x0364;tzel, die ein ieder nicht ver&#x017F;tehen<lb/>
kan; denn die Ausleger der Religion, vornem-<lb/>
lich von den Propheten, die &#x017F;egeln nicht allzeit<lb/>
auf einer Ho&#x0364;he, eine iede <hi rendition="#aq">Sect</hi>e, wenn &#x017F;ie noch &#x017F;o<lb/>
&#x017F;treitig wider einander i&#x017F;t, &#x017F;o kan &#x017F;ie doch die<lb/>
Schrifft &#x017F;o auslegen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nach ieder Mei-<lb/>
nung &#x017F;chicken muß, daher bewei&#x017F;t die Schri&#x017F;ft<lb/>
an Unpartheyi&#x017F;che nichts &#x017F;ichers. <note place="foot" n="*">Die&#x017F;es i&#x017F;t an &#x017F;ich ein fal&#x017F;ches <hi rendition="#aq">Principium:</hi> Denn die<lb/>
Schrifft i&#x017F;t keine wa&#x0364;ch&#x017F;erne Na&#x017F;e, noch <hi rendition="#aq">Regula Les-<lb/>
bia;</hi> und wenn die Schrifft-Stellen von ieder fal-<lb/>
&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Sect</hi>e anders ausgelegt werden, &#x017F;o ge&#x017F;chiehet<lb/>
es entweder aus deren <hi rendition="#aq">Malice</hi> und Elgen&#x017F;inn, oder<lb/><hi rendition="#aq">Sophi&#x017F;ter</hi>ey, ihre Meinung zu behaupten, woran<lb/>
aber die Schrifft keine Schuld hat.</note></p><lb/>
            <p>Die Religion i&#x017F;t in unzehlbare <hi rendition="#aq">Sect</hi>en einge-<lb/>
theilet, ein ieder ru&#x0364;hmt, daß er die einigen wah-<lb/>
ren Ge&#x017F;etze von GOtt habe; hingegen i&#x017F;t wenig<lb/>
aufrichtige Gottesfurcht, viel Men&#x017F;chen verder-<lb/>
ben einander, und dancken GOtt, wenns ge-<lb/>
&#x017F;chehen i&#x017F;t, wegen des von ihnen ge&#x017F;tiffteten<lb/>
Schadens. So eine Religion i&#x017F;t die be&#x017F;te, wor-<lb/>
inn man die wenig&#x017F;te Gefahr hat, zu einer Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><fw place="bottom" type="catch">ord-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0121] Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. bey ihrem Gottesdienſt einige Pflichten zum Ge- ſetz gemacht. Die meiſten Menſchen aber nah- men mit den Jahren am Verſtande zu, ausge- nommen die Religion, darinn blieben ſie wegen ihrer in der Auferziehung eingeſogenen Vorur- theile, wie ſie waren. Die Wiſſenſchafft von GOTT iſt in vielen Menſchen ſehr dunckel, und GOttes Offenbah- rungen ſind Raͤtzel, die ein ieder nicht verſtehen kan; denn die Ausleger der Religion, vornem- lich von den Propheten, die ſegeln nicht allzeit auf einer Hoͤhe, eine iede Secte, wenn ſie noch ſo ſtreitig wider einander iſt, ſo kan ſie doch die Schrifft ſo auslegen, daß ſie ſich nach ieder Mei- nung ſchicken muß, daher beweiſt die Schriſft an Unpartheyiſche nichts ſichers. * Die Religion iſt in unzehlbare Secten einge- theilet, ein ieder ruͤhmt, daß er die einigen wah- ren Geſetze von GOtt habe; hingegen iſt wenig aufrichtige Gottesfurcht, viel Menſchen verder- ben einander, und dancken GOtt, wenns ge- ſchehen iſt, wegen des von ihnen geſtiffteten Schadens. So eine Religion iſt die beſte, wor- inn man die wenigſte Gefahr hat, zu einer Un- ord- * Dieſes iſt an ſich ein falſches Principium: Denn die Schrifft iſt keine waͤchſerne Naſe, noch Regula Les- bia; und wenn die Schrifft-Stellen von ieder fal- ſchen Secte anders ausgelegt werden, ſo geſchiehet es entweder aus deren Malice und Elgenſinn, oder Sophiſterey, ihre Meinung zu behaupten, woran aber die Schrifft keine Schuld hat. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721/121
Zitationshilfe: Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721/121>, abgerufen am 23.11.2024.