Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721.Curieuse Reise-Beschreibung. V. Cap. Sie haben die Gewohnheit, auf der Heyden ih-ren Glauben so sehr zu keifen und zu schelten, daß wenn sie iemand schmähen wollen, so sprechen sie, dieser oder jener ist so böse und gottlos als die Heyden, da doch die Heyden besser leben als un- sere Südländer, und mir deucht, daß wir von den Heyden unsere Südländische Weisheit herha- ben: Denn wir Südländer haben wenig Ver- stand von uns selber, wir haben auch keine ande- re Bücher, als die wir durch den Schiff bruch an unser Ufer bekommen, daher hat der König Cham-Hazi befohlen, daß man die Heydnischen Autoren der Jugend nicht allein lehren soll (die aber besser geschrieben, als man wohl itzo was lernen kan) sondern auch wenn sie zu männlichen Jahren gekommen: Wenn auch sie als Profes- sores in ihren Schulen so verständig gehalten worden, daß sie ferner ihren Studenten lehren könten, so solten sie ihnen auch durch die Heydni- schen Schrifften den Weg zur Weisheit zeigen. O sagte ich, ihr unweisen Südländer, in Euro- pa geht es viel anders zu, da leben wir als Chri- sten gebühret, zu leben, in Liebe, Friede und Ei- nigkeit. Das ist gut, sagte Garbon, ich wünschte daß es hier in Südland auch so wäre. Allein es ist hier leider nichts als Interesse, und wer sich nicht wohl in Acht nimmt, der wird vor einen Narren gehalten. Ein ieder sucht seinen Vor- theil, so gut als er kan. Die offentliche Lügen ist wieder die Gesetze telt
Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Sie haben die Gewohnheit, auf der Heyden ih-ren Glauben ſo ſehr zu keifen und zu ſchelten, daß wenn ſie iemand ſchmaͤhen wollen, ſo ſprechen ſie, dieſer oder jener iſt ſo boͤſe und gottlos als die Heyden, da doch die Heyden beſſer leben als un- ſere Suͤdlaͤnder, und mir deucht, daß wir von den Heyden unſere Suͤdlaͤndiſche Weisheit herha- ben: Denn wir Suͤdlaͤnder haben wenig Ver- ſtand von uns ſelber, wir haben auch keine ande- re Buͤcher, als die wir durch den Schiff bruch an unſer Ufer bekommen, daher hat der Koͤnig Cham-Hazi befohlen, daß man die Heydniſchen Autoren der Jugend nicht allein lehren ſoll (die aber beſſer geſchrieben, als man wohl itzo was lernen kan) ſondern auch wenn ſie zu maͤnnlichen Jahren gekommen: Wenn auch ſie als Profeſ- ſores in ihren Schulen ſo verſtaͤndig gehalten worden, daß ſie ferner ihren Studenten lehren koͤnten, ſo ſolten ſie ihnen auch durch die Heydni- ſchen Schrifften den Weg zur Weisheit zeigen. O ſagte ich, ihr unweiſen Suͤdlaͤnder, in Euro- pa geht es viel anders zu, da leben wir als Chri- ſten gebuͤhret, zu leben, in Liebe, Friede und Ei- nigkeit. Das iſt gut, ſagte Garbon, ich wuͤnſchte daß es hier in Suͤdland auch ſo waͤre. Allein es iſt hier leider nichts als Intereſſe, und wer ſich nicht wohl in Acht nimmt, der wird vor einen Narren gehalten. Ein ieder ſucht ſeinen Vor- theil, ſo gut als er kan. Die offentliche Luͤgen iſt wieder die Geſetze telt
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Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.
Sie haben die Gewohnheit, auf der Heyden ih-
ren Glauben ſo ſehr zu keifen und zu ſchelten, daß
wenn ſie iemand ſchmaͤhen wollen, ſo ſprechen
ſie, dieſer oder jener iſt ſo boͤſe und gottlos als die
Heyden, da doch die Heyden beſſer leben als un-
ſere Suͤdlaͤnder, und mir deucht, daß wir von den
Heyden unſere Suͤdlaͤndiſche Weisheit herha-
ben: Denn wir Suͤdlaͤnder haben wenig Ver-
ſtand von uns ſelber, wir haben auch keine ande-
re Buͤcher, als die wir durch den Schiff bruch an
unſer Ufer bekommen, daher hat der Koͤnig
Cham-Hazi befohlen, daß man die Heydniſchen
Autoren der Jugend nicht allein lehren ſoll (die
aber beſſer geſchrieben, als man wohl itzo was
lernen kan) ſondern auch wenn ſie zu maͤnnlichen
Jahren gekommen: Wenn auch ſie als Profeſ-
ſores in ihren Schulen ſo verſtaͤndig gehalten
worden, daß ſie ferner ihren Studenten lehren
koͤnten, ſo ſolten ſie ihnen auch durch die Heydni-
ſchen Schrifften den Weg zur Weisheit zeigen.
O ſagte ich, ihr unweiſen Suͤdlaͤnder, in Euro-
pa geht es viel anders zu, da leben wir als Chri-
ſten gebuͤhret, zu leben, in Liebe, Friede und Ei-
nigkeit. Das iſt gut, ſagte Garbon, ich wuͤnſchte
daß es hier in Suͤdland auch ſo waͤre. Allein
es iſt hier leider nichts als Intereſſe, und wer ſich
nicht wohl in Acht nimmt, der wird vor einen
Narren gehalten. Ein ieder ſucht ſeinen Vor-
theil, ſo gut als er kan.
Die offentliche Luͤgen iſt wieder die Geſetze
und alſo ſtraffbar, allein die Falſchheit und Luͤgen
werden mit dem Schein der Wahrheit bemaͤn-
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