Es giebt in dem Königreiche Siam viele Landgerichte, die aber alle unter einem Oberhof- gerichte, welches in der Hauptstadt angelegt ist, stehen. La Loubere zählt siebzig Gerichtsbarkei- ten in Obersiam, und sieben und siebzig in Nie- dersiam. Jedes Gerichte besteht aus vielen Ge- richtspersonen, welche unter einem Haupte, Pouran, d. i. einer der da befiehlt, stehen. Dieser ist eigentlich der einzige Richter, der das Recht hat, ein Urtheil zu sprechen. Es versteht sich von selbst, daß er verbunden ist, die übri- gen Gerichtspersonen allemal zu Rathe zu zie- hen. Die wichtigste Angelegenheit des Land- richters besteht darinn, daß er alle Staats- und Kriegesangel genheiten in seinem Bezirke ver- waltet. Da diese wichtigen Stellen erblich sind, so fiel es einigen Statthaltern, insonder- heit den vom Hofe weit entfernten, nicht schwer, sich der königlichen Oberherrschaft zu entziehen.
Ein Erbstatthalter führt den Titel Tschau- Menang, d. i. Herr einer Stadt oder Land- schaft. Die Könige haben immer dahin ge- trachtet, diese gefährlichen Leute nach und nach auszurotten. An ihre Stellen setzen sie Statt- halter auf drey Jahre. Es giebt auch noch würklich dergleichen Tschau-Menangs in Siam.
Der Pouran (oder Puran) genießt eben die Ehre, als ein Tschau-Menang, hat auch eben die Gewalt bey seinem Amte, aber nicht so viel Einkünfte. Der König ernennt Pourans ent-
weder,
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Es giebt in dem Koͤnigreiche Siam viele Landgerichte, die aber alle unter einem Oberhof- gerichte, welches in der Hauptſtadt angelegt iſt, ſtehen. La Loubere zaͤhlt ſiebzig Gerichtsbarkei- ten in Oberſiam, und ſieben und ſiebzig in Nie- derſiam. Jedes Gerichte beſteht aus vielen Ge- richtsperſonen, welche unter einem Haupte, Pouran, d. i. einer der da befiehlt, ſtehen. Dieſer iſt eigentlich der einzige Richter, der das Recht hat, ein Urtheil zu ſprechen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß er verbunden iſt, die uͤbri- gen Gerichtsperſonen allemal zu Rathe zu zie- hen. Die wichtigſte Angelegenheit des Land- richters beſteht darinn, daß er alle Staats- und Kriegesangel genheiten in ſeinem Bezirke ver- waltet. Da dieſe wichtigen Stellen erblich ſind, ſo fiel es einigen Statthaltern, inſonder- heit den vom Hofe weit entfernten, nicht ſchwer, ſich der koͤniglichen Oberherrſchaft zu entziehen.
Ein Erbſtatthalter fuͤhrt den Titel Tſchau- Menang, d. i. Herr einer Stadt oder Land- ſchaft. Die Koͤnige haben immer dahin ge- trachtet, dieſe gefaͤhrlichen Leute nach und nach auszurotten. An ihre Stellen ſetzen ſie Statt- halter auf drey Jahre. Es giebt auch noch wuͤrklich dergleichen Tſchau-Menangs in Siam.
Der Pouran (oder Puran) genießt eben die Ehre, als ein Tſchau-Menang, hat auch eben die Gewalt bey ſeinem Amte, aber nicht ſo viel Einkuͤnfte. Der Koͤnig ernennt Pourans ent-
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Es giebt in dem Koͤnigreiche Siam viele
Landgerichte, die aber alle unter einem Oberhof-
gerichte, welches in der Hauptſtadt angelegt iſt,
ſtehen. La Loubere zaͤhlt ſiebzig Gerichtsbarkei-
ten in Oberſiam, und ſieben und ſiebzig in Nie-
derſiam. Jedes Gerichte beſteht aus vielen Ge-
richtsperſonen, welche unter einem Haupte,
Pouran, d. i. einer der da befiehlt, ſtehen.
Dieſer iſt eigentlich der einzige Richter, der das
Recht hat, ein Urtheil zu ſprechen. Es verſteht
ſich von ſelbſt, daß er verbunden iſt, die uͤbri-
gen Gerichtsperſonen allemal zu Rathe zu zie-
hen. Die wichtigſte Angelegenheit des Land-
richters beſteht darinn, daß er alle Staats- und
Kriegesangel genheiten in ſeinem Bezirke ver-
waltet. Da dieſe wichtigen Stellen erblich
ſind, ſo fiel es einigen Statthaltern, inſonder-
heit den vom Hofe weit entfernten, nicht ſchwer,
ſich der koͤniglichen Oberherrſchaft zu entziehen.
Ein Erbſtatthalter fuͤhrt den Titel Tſchau-
Menang, d. i. Herr einer Stadt oder Land-
ſchaft. Die Koͤnige haben immer dahin ge-
trachtet, dieſe gefaͤhrlichen Leute nach und nach
auszurotten. An ihre Stellen ſetzen ſie Statt-
halter auf drey Jahre. Es giebt auch noch
wuͤrklich dergleichen Tſchau-Menangs in Siam.
Der Pouran (oder Puran) genießt eben die
Ehre, als ein Tſchau-Menang, hat auch eben
die Gewalt bey ſeinem Amte, aber nicht ſo viel
Einkuͤnfte. Der Koͤnig ernennt Pourans ent-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/353>, abgerufen am 22.11.2024.
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