dieses fällt dem Könige wieder zu, wenn er den Besitzer von seinem Amte absetzt. Doch die hauptsächlichsten Einkünfte der Bedienungen, kommen vom Bestechen her, welches überall im Köni[g]reiche erlaubt zu seyn scheint, weil der Hof dazu nichts sagt. Alle Beamte wollen auf Unkosten des Volks reich werden, und ste- cken deswegen alle unter einer Decke. Sie nehmen ohne Erröthen Geschenke an. Ein Richter darf sie ungescheut annehmen, wofern man ihm nur keiner offenbaren Ungerechtigkeit beweisen kann. Die niedrigen Beamten müs- sen den höhern die Hände eben so wohl schmie- ren. Und gleichwohl haben sie alle den Eid und Pflicht darauf, ihre Pflicht zu thun *). Die Feyerlichkeit des Eides besteht darinn, daß man ein gewisses Maas Wasser austrinken muß, worüber die Talapoinen vorher viele Flü- che aussprechen, welche den Uebertreter treffen sollen.
Es
*) Man thut Unrecht, wenn man die Siamer deswegen verdammen will. Man denke: In ganz Europa, das doch sonder Zweifel für den gesittesten Theil der bekannten Welt angesehen werden muß, pflegen die Beamten u. s. w. u. s. w. u. s. w. -- Geschenke anzunehmen, da es ihnen doch durch die Gesetze untersagt ist. Das ist eine heßliche Mode von gesitteten Europäern, die ganz unverzeihlich ist. Aber für den unge- sitteten (in Rücksicht der Europäer) Siamer nicht so tadelns werth.
dieſes faͤllt dem Koͤnige wieder zu, wenn er den Beſitzer von ſeinem Amte abſetzt. Doch die hauptſaͤchlichſten Einkuͤnfte der Bedienungen, kommen vom Beſtechen her, welches uͤberall im Koͤni[g]reiche erlaubt zu ſeyn ſcheint, weil der Hof dazu nichts ſagt. Alle Beamte wollen auf Unkoſten des Volks reich werden, und ſte- cken deswegen alle unter einer Decke. Sie nehmen ohne Erroͤthen Geſchenke an. Ein Richter darf ſie ungeſcheut annehmen, wofern man ihm nur keiner offenbaren Ungerechtigkeit beweiſen kann. Die niedrigen Beamten muͤſ- ſen den hoͤhern die Haͤnde eben ſo wohl ſchmie- ren. Und gleichwohl haben ſie alle den Eid und Pflicht darauf, ihre Pflicht zu thun *). Die Feyerlichkeit des Eides beſteht darinn, daß man ein gewiſſes Maas Waſſer austrinken muß, woruͤber die Talapoinen vorher viele Fluͤ- che ausſprechen, welche den Uebertreter treffen ſollen.
Es
*) Man thut Unrecht, wenn man die Siamer deswegen verdammen will. Man denke: In ganz Europa, das doch ſonder Zweifel fuͤr den geſitteſten Theil der bekannten Welt angeſehen werden muß, pflegen die Beamten u. ſ. w. u. ſ. w. u. ſ. w. — Geſchenke anzunehmen, da es ihnen doch durch die Geſetze unterſagt iſt. Das iſt eine heßliche Mode von geſitteten Europaͤern, die ganz unverzeihlich iſt. Aber fuͤr den unge- ſitteten (in Ruͤckſicht der Europaͤer) Siamer nicht ſo tadelns werth.
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dieſes faͤllt dem Koͤnige wieder zu, wenn er den
Beſitzer von ſeinem Amte abſetzt. Doch die
hauptſaͤchlichſten Einkuͤnfte der Bedienungen,
kommen vom Beſtechen her, welches uͤberall im
Koͤnigreiche erlaubt zu ſeyn ſcheint, weil der
Hof dazu nichts ſagt. Alle Beamte wollen
auf Unkoſten des Volks reich werden, und ſte-
cken deswegen alle unter einer Decke. Sie
nehmen ohne Erroͤthen Geſchenke an. Ein
Richter darf ſie ungeſcheut annehmen, wofern
man ihm nur keiner offenbaren Ungerechtigkeit
beweiſen kann. Die niedrigen Beamten muͤſ-
ſen den hoͤhern die Haͤnde eben ſo wohl ſchmie-
ren. Und gleichwohl haben ſie alle den Eid
und Pflicht darauf, ihre Pflicht zu thun *).
Die Feyerlichkeit des Eides beſteht darinn, daß
man ein gewiſſes Maas Waſſer austrinken
muß, woruͤber die Talapoinen vorher viele Fluͤ-
che ausſprechen, welche den Uebertreter treffen
ſollen.
Es
*) Man thut Unrecht, wenn man die Siamer
deswegen verdammen will. Man denke: In
ganz Europa, das doch ſonder Zweifel fuͤr den
geſitteſten Theil der bekannten Welt angeſehen
werden muß, pflegen die Beamten u. ſ. w. u. ſ.
w. u. ſ. w. — Geſchenke anzunehmen, da es
ihnen doch durch die Geſetze unterſagt iſt. Das
iſt eine heßliche Mode von geſitteten Europaͤern,
die ganz unverzeihlich iſt. Aber fuͤr den unge-
ſitteten (in Ruͤckſicht der Europaͤer) Siamer
nicht ſo tadelns werth.
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/352>, abgerufen am 28.06.2024.
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