und eine große Menge fremder Marktschreyer zu Siam haben, welche die Leichtgläubigkeit die- ses Volks täglich mißbrauchen. Der Vater des Chaou-Narvie, soll, wie Tachard in sei- ner ersten Reise meldet, zwey Millionen darauf verwand haben, den Stein der Weisen zu finden.
Was ihre Kenntnisse in der Mathematik be- trift, so muß man gleichfalls gestehen, daß sie sehr geringe ist. Sie würden es ohne Zweifel hierinn weiter bringen, wenn sie nicht den Feh- ler an sich hätten, einer Sache bald überdrüßig zu werden. Es ist ihnen eine unangenehme Sache, eine ganze Reihe von Schlüssen zu for- miren. Sie lassen es daher bey einigen Aus- übungsvortheilen in der Astronomie bewenden, und ohne sich darum zu bekümmern, warum man so und nicht anders verfahren müsse, ge- brauchen sie selbige zum Nativitätstellen einzel- ner Personen, wie auch zu Verfertigung ihres Kalenders, welchen man als einen allgemeinen Horoskop ansehen kann -- Indessen haben sie doch ihren Kalender schon zweyma durch ge- schickte Sternkundige verbessern lassen.
Uebrigens haben sie vom Weltgebäude keine richtigen Vorstellungen, weil sie nichts recht verstehen. Sie glauben die Finsternissen wür- den durch einen boshaften Drachen verursacht, welcher die Sonne und den Mond verschlinge. Um das schädliche Thier zu verjagen, erregen sie (wie bereits im vorhergehenden erwähnt)
einen
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und eine große Menge fremder Marktſchreyer zu Siam haben, welche die Leichtglaͤubigkeit die- ſes Volks taͤglich mißbrauchen. Der Vater des Chaou-Narvie, ſoll, wie Tachard in ſei- ner erſten Reiſe meldet, zwey Millionen darauf verwand haben, den Stein der Weiſen zu finden.
Was ihre Kenntniſſe in der Mathematik be- trift, ſo muß man gleichfalls geſtehen, daß ſie ſehr geringe iſt. Sie wuͤrden es ohne Zweifel hierinn weiter bringen, wenn ſie nicht den Feh- ler an ſich haͤtten, einer Sache bald uͤberdruͤßig zu werden. Es iſt ihnen eine unangenehme Sache, eine ganze Reihe von Schluͤſſen zu for- miren. Sie laſſen es daher bey einigen Aus- uͤbungsvortheilen in der Aſtronomie bewenden, und ohne ſich darum zu bekuͤmmern, warum man ſo und nicht anders verfahren muͤſſe, ge- brauchen ſie ſelbige zum Nativitaͤtſtellen einzel- ner Perſonen, wie auch zu Verfertigung ihres Kalenders, welchen man als einen allgemeinen Horoskop anſehen kann — Indeſſen haben ſie doch ihren Kalender ſchon zweyma durch ge- ſchickte Sternkundige verbeſſern laſſen.
Uebrigens haben ſie vom Weltgebaͤude keine richtigen Vorſtellungen, weil ſie nichts recht verſtehen. Sie glauben die Finſterniſſen wuͤr- den durch einen boshaften Drachen verurſacht, welcher die Sonne und den Mond verſchlinge. Um das ſchaͤdliche Thier zu verjagen, erregen ſie (wie bereits im vorhergehenden erwaͤhnt)
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und eine große Menge fremder Marktſchreyer
zu Siam haben, welche die Leichtglaͤubigkeit die-
ſes Volks taͤglich mißbrauchen. Der Vater
des Chaou-Narvie, ſoll, wie Tachard in ſei-
ner erſten Reiſe meldet, zwey Millionen darauf
verwand haben, den Stein der Weiſen zu
finden.
Was ihre Kenntniſſe in der Mathematik be-
trift, ſo muß man gleichfalls geſtehen, daß ſie
ſehr geringe iſt. Sie wuͤrden es ohne Zweifel
hierinn weiter bringen, wenn ſie nicht den Feh-
ler an ſich haͤtten, einer Sache bald uͤberdruͤßig
zu werden. Es iſt ihnen eine unangenehme
Sache, eine ganze Reihe von Schluͤſſen zu for-
miren. Sie laſſen es daher bey einigen Aus-
uͤbungsvortheilen in der Aſtronomie bewenden,
und ohne ſich darum zu bekuͤmmern, warum
man ſo und nicht anders verfahren muͤſſe, ge-
brauchen ſie ſelbige zum Nativitaͤtſtellen einzel-
ner Perſonen, wie auch zu Verfertigung ihres
Kalenders, welchen man als einen allgemeinen
Horoskop anſehen kann — Indeſſen haben
ſie doch ihren Kalender ſchon zweyma durch ge-
ſchickte Sternkundige verbeſſern laſſen.
Uebrigens haben ſie vom Weltgebaͤude keine
richtigen Vorſtellungen, weil ſie nichts recht
verſtehen. Sie glauben die Finſterniſſen wuͤr-
den durch einen boshaften Drachen verurſacht,
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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