Von dem was Philosophie heist, wissen die Siamer gar nichts, nur einige Sätze der Moral ausgenommen, worunter sie doch viel irriges vermischt haben. -- Die Rechte stu- diren sie auch nicht, und die Landesgesetze pflegt man nur alsdann zu erlernen, wenn man öf- fentlichen Aemtern vorstehen will, denn sie sind in einigen Büchern enthalten, die man dem ge- meinen Manne nicht zeigt. Aber sobald jemand eine Bedienung erhält; so giebt man ihm eine Abschrift von den Gesetzen, in so fern sie ihn betreffen.
Die Arzeneykunst der Siamer verdient den Namen einer Wissenschaft auf keine Weise. Die ganze siamische Arzeneykunst besteht in ei- ner Menge von ihren Voreltern ererbten Re- cepten, die sie immer verschreiben, ohne auf die besondere Umstände des Kranken zu sehen. Un- geachtet sie nun so aufs Gerathewohl verfahren; so bringen sie doch manchen Patienten wieder zurechte: indessen muß man dieß der Arzeney selten, sondern eigentlich der mäßigen Lebens- art der Siamer, zuschreiben. Will aber die Medicin nicht wirken, so heist es: der Mensch ist behert.
Wenn ein Siamer krank wird, so beträgt er sich dabey sehr seltsam. Er legt sich nem- lich auf die Erde, läßt eine Person, die es ver- steht, auf seinem Leibe mit Füßen herum tre- ten, um die Theile gelinde und schlaff zu ma- chen. Man versichert, daß die Weiber, so
gar
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Von dem was Philoſophie heiſt, wiſſen die Siamer gar nichts, nur einige Saͤtze der Moral ausgenommen, worunter ſie doch viel irriges vermiſcht haben. — Die Rechte ſtu- diren ſie auch nicht, und die Landesgeſetze pflegt man nur alsdann zu erlernen, wenn man oͤf- fentlichen Aemtern vorſtehen will, denn ſie ſind in einigen Buͤchern enthalten, die man dem ge- meinen Manne nicht zeigt. Aber ſobald jemand eine Bedienung erhaͤlt; ſo giebt man ihm eine Abſchrift von den Geſetzen, in ſo fern ſie ihn betreffen.
Die Arzeneykunſt der Siamer verdient den Namen einer Wiſſenſchaft auf keine Weiſe. Die ganze ſiamiſche Arzeneykunſt beſteht in ei- ner Menge von ihren Voreltern ererbten Re- cepten, die ſie immer verſchreiben, ohne auf die beſondere Umſtaͤnde des Kranken zu ſehen. Un- geachtet ſie nun ſo aufs Gerathewohl verfahren; ſo bringen ſie doch manchen Patienten wieder zurechte: indeſſen muß man dieß der Arzeney ſelten, ſondern eigentlich der maͤßigen Lebens- art der Siamer, zuſchreiben. Will aber die Medicin nicht wirken, ſo heiſt es: der Menſch iſt behert.
Wenn ein Siamer krank wird, ſo betraͤgt er ſich dabey ſehr ſeltſam. Er legt ſich nem- lich auf die Erde, laͤßt eine Perſon, die es ver- ſteht, auf ſeinem Leibe mit Fuͤßen herum tre- ten, um die Theile gelinde und ſchlaff zu ma- chen. Man verſichert, daß die Weiber, ſo
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Von dem was Philoſophie heiſt, wiſſen
die Siamer gar nichts, nur einige Saͤtze der
Moral ausgenommen, worunter ſie doch viel
irriges vermiſcht haben. — Die Rechte ſtu-
diren ſie auch nicht, und die Landesgeſetze pflegt
man nur alsdann zu erlernen, wenn man oͤf-
fentlichen Aemtern vorſtehen will, denn ſie ſind
in einigen Buͤchern enthalten, die man dem ge-
meinen Manne nicht zeigt. Aber ſobald jemand
eine Bedienung erhaͤlt; ſo giebt man ihm eine
Abſchrift von den Geſetzen, in ſo fern ſie ihn
betreffen.
Die Arzeneykunſt der Siamer verdient den
Namen einer Wiſſenſchaft auf keine Weiſe.
Die ganze ſiamiſche Arzeneykunſt beſteht in ei-
ner Menge von ihren Voreltern ererbten Re-
cepten, die ſie immer verſchreiben, ohne auf die
beſondere Umſtaͤnde des Kranken zu ſehen. Un-
geachtet ſie nun ſo aufs Gerathewohl verfahren;
ſo bringen ſie doch manchen Patienten wieder
zurechte: indeſſen muß man dieß der Arzeney
ſelten, ſondern eigentlich der maͤßigen Lebens-
art der Siamer, zuſchreiben. Will aber die
Medicin nicht wirken, ſo heiſt es: der Menſch
iſt behert.
Wenn ein Siamer krank wird, ſo betraͤgt
er ſich dabey ſehr ſeltſam. Er legt ſich nem-
lich auf die Erde, laͤßt eine Perſon, die es ver-
ſteht, auf ſeinem Leibe mit Fuͤßen herum tre-
ten, um die Theile gelinde und ſchlaff zu ma-
chen. Man verſichert, daß die Weiber, ſo
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/337>, abgerufen am 25.11.2024.
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