auf, sind also hierinn von den Chinesern un- terschieden, welche hierzu ein Instrument ge- brauchen, welches nach des Martini Berichte, zweytausend sechshundert, oder zweytausend siebenhundert Jahre vor Christi Geburt soll er- funden seyn. Ueberhaupt sind die Kaufleute hier im Lande im Rechnen so geübt, daß sie so- gleich schwere Aufgaben auflösen können. Hin- gegen lassen sie auch diejenige liegen, die sie nicht auf der Stelle zu treffen im Stande find. -- Das wesentliche Kenntzeichen der Einwohner eines sehr heissen und sehr kalten Landes, ist die Trägheit, sowohl des Gemüths als des Leibes, nur mit dem Unterschiede, daß diese in den all- zukalten Lande zur Dummheit wird, in dem allzuheissen aber allemal mit Witz und Einbil- dungskraft verknüpft bleibt, nur aber mit sol- cher Einbildungskraft und Witze, der von der geringsten Bemühung im Augenblicke ermü- det. -- Die Siamer begreifen eine Sache sehr leicht, wissen eine geschwinde und sinnrei- che Antwort zu geben, auch wohl ausgedachte Einwürfe zu machen. Man sollte also glau- ben, sie würden es bey mittelmäßigen Fleiße in den tiefsten Wissenschaften und schwersten Künsten sehr weit bringen. Allein, ihre un- überwindliche Trägheit vernichtet diese Hoffnung auf einmal.
Die Siamer sollen, wie man sagt, große Gaben zur Dichtkunst haben. Ihre Verse sind gereimt, und von eben dem Sylbenmaaß als
die
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auf, ſind alſo hierinn von den Chineſern un- terſchieden, welche hierzu ein Inſtrument ge- brauchen, welches nach des Martini Berichte, zweytauſend ſechshundert, oder zweytauſend ſiebenhundert Jahre vor Chriſti Geburt ſoll er- funden ſeyn. Ueberhaupt ſind die Kaufleute hier im Lande im Rechnen ſo geuͤbt, daß ſie ſo- gleich ſchwere Aufgaben aufloͤſen koͤnnen. Hin- gegen laſſen ſie auch diejenige liegen, die ſie nicht auf der Stelle zu treffen im Stande find. — Das weſentliche Kenntzeichen der Einwohner eines ſehr heiſſen und ſehr kalten Landes, iſt die Traͤgheit, ſowohl des Gemuͤths als des Leibes, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe in den all- zukalten Lande zur Dummheit wird, in dem allzuheiſſen aber allemal mit Witz und Einbil- dungskraft verknuͤpft bleibt, nur aber mit ſol- cher Einbildungskraft und Witze, der von der geringſten Bemuͤhung im Augenblicke ermuͤ- det. — Die Siamer begreifen eine Sache ſehr leicht, wiſſen eine geſchwinde und ſinnrei- che Antwort zu geben, auch wohl ausgedachte Einwuͤrfe zu machen. Man ſollte alſo glau- ben, ſie wuͤrden es bey mittelmaͤßigen Fleiße in den tiefſten Wiſſenſchaften und ſchwerſten Kuͤnſten ſehr weit bringen. Allein, ihre un- uͤberwindliche Traͤgheit vernichtet dieſe Hoffnung auf einmal.
Die Siamer ſollen, wie man ſagt, große Gaben zur Dichtkunſt haben. Ihre Verſe ſind gereimt, und von eben dem Sylbenmaaß als
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auf, ſind alſo hierinn von den Chineſern un-
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brauchen, welches nach des Martini Berichte,
zweytauſend ſechshundert, oder zweytauſend
ſiebenhundert Jahre vor Chriſti Geburt ſoll er-
funden ſeyn. Ueberhaupt ſind die Kaufleute
hier im Lande im Rechnen ſo geuͤbt, daß ſie ſo-
gleich ſchwere Aufgaben aufloͤſen koͤnnen. Hin-
gegen laſſen ſie auch diejenige liegen, die ſie
nicht auf der Stelle zu treffen im Stande find. —
Das weſentliche Kenntzeichen der Einwohner
eines ſehr heiſſen und ſehr kalten Landes, iſt die
Traͤgheit, ſowohl des Gemuͤths als des Leibes,
nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe in den all-
zukalten Lande zur Dummheit wird, in dem
allzuheiſſen aber allemal mit Witz und Einbil-
dungskraft verknuͤpft bleibt, nur aber mit ſol-
cher Einbildungskraft und Witze, der von der
geringſten Bemuͤhung im Augenblicke ermuͤ-
det. — Die Siamer begreifen eine Sache
ſehr leicht, wiſſen eine geſchwinde und ſinnrei-
che Antwort zu geben, auch wohl ausgedachte
Einwuͤrfe zu machen. Man ſollte alſo glau-
ben, ſie wuͤrden es bey mittelmaͤßigen Fleiße
in den tiefſten Wiſſenſchaften und ſchwerſten
Kuͤnſten ſehr weit bringen. Allein, ihre un-
uͤberwindliche Traͤgheit vernichtet dieſe Hoffnung
auf einmal.
Die Siamer ſollen, wie man ſagt, große
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/335>, abgerufen am 25.11.2024.
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