ist von der einem Seite nach einem kleinen Hofe zu, offen, von welcher Seite auch das Licht hinein fällt. Auf der gegen überstehenden Sei- te stößt er an zwey Cabinette, die ihr Licht nur von dem Saale erhalten. Das erste ist ziem- lich groß, und hierinnen pflegen die Staatsmi- nister ihre Audienz zu geben. Das andre ist viel kleiner, aber höher gelegen; und hierinn giebt der Kayser Audienz. Er sitzt auf Teppi- chen, mit kreuzweisen Füßen, nach Art der Morgenländer. Die Staatsräthe, Fürsten und andre Große des Reichs, machen eine doppelte Reihe in dem großen Saale, wovon die Vor- zimmer gleichfalls mit einer großen Menge Edel- leute und andern Hofbedienten erfüllt sind. Wenn der Kayser in dem Audienzcabinette an- gekommen ist; so rufen die Bedienten, welche den holländischen Director introduciren, drey- mal mit vernemlicher Stimme: Hollande- Capitain. Auf dieses Zeichen muß sich der Di- rector dem Kabinett nähern, die andern Be- dienten aber müßen zurück bleiben. Der Ge- sandte muß alsdann die vorgeschriebenen Ver- beugungen und Reverenzen machen. Er muß sich auf die Knie legen, sich mit der Stirne zur Erde neigen, auf Händen und Füßen herbey kriechen, und so rücklings auf eben die Art sich zurück machen, ohne dem Kayser den Rücken zuzukehren, oder ein einziges Wort zu sprechen. Diese Cerimonie ist gar nicht von derjenigen unterschieden, welche alle Vasallen des Reichs
beobach-
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iſt von der einem Seite nach einem kleinen Hofe zu, offen, von welcher Seite auch das Licht hinein faͤllt. Auf der gegen uͤberſtehenden Sei- te ſtoͤßt er an zwey Cabinette, die ihr Licht nur von dem Saale erhalten. Das erſte iſt ziem- lich groß, und hierinnen pflegen die Staatsmi- niſter ihre Audienz zu geben. Das andre iſt viel kleiner, aber hoͤher gelegen; und hierinn giebt der Kayſer Audienz. Er ſitzt auf Teppi- chen, mit kreuzweiſen Fuͤßen, nach Art der Morgenlaͤnder. Die Staatsraͤthe, Fuͤrſten und andre Große des Reichs, machen eine doppelte Reihe in dem großen Saale, wovon die Vor- zimmer gleichfalls mit einer großen Menge Edel- leute und andern Hofbedienten erfuͤllt ſind. Wenn der Kayſer in dem Audienzcabinette an- gekommen iſt; ſo rufen die Bedienten, welche den hollaͤndiſchen Director introduciren, drey- mal mit vernemlicher Stimme: Hollande- Capitain. Auf dieſes Zeichen muß ſich der Di- rector dem Kabinett naͤhern, die andern Be- dienten aber muͤßen zuruͤck bleiben. Der Ge- ſandte muß alsdann die vorgeſchriebenen Ver- beugungen und Reverenzen machen. Er muß ſich auf die Knie legen, ſich mit der Stirne zur Erde neigen, auf Haͤnden und Fuͤßen herbey kriechen, und ſo ruͤcklings auf eben die Art ſich zuruͤck machen, ohne dem Kayſer den Ruͤcken zuzukehren, oder ein einziges Wort zu ſprechen. Dieſe Cerimonie iſt gar nicht von derjenigen unterſchieden, welche alle Vaſallen des Reichs
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iſt von der einem Seite nach einem kleinen Hofe
zu, offen, von welcher Seite auch das Licht
hinein faͤllt. Auf der gegen uͤberſtehenden Sei-
te ſtoͤßt er an zwey Cabinette, die ihr Licht nur
von dem Saale erhalten. Das erſte iſt ziem-
lich groß, und hierinnen pflegen die Staatsmi-
niſter ihre Audienz zu geben. Das andre iſt
viel kleiner, aber hoͤher gelegen; und hierinn
giebt der Kayſer Audienz. Er ſitzt auf Teppi-
chen, mit kreuzweiſen Fuͤßen, nach Art der
Morgenlaͤnder. Die Staatsraͤthe, Fuͤrſten und
andre Große des Reichs, machen eine doppelte
Reihe in dem großen Saale, wovon die Vor-
zimmer gleichfalls mit einer großen Menge Edel-
leute und andern Hofbedienten erfuͤllt ſind.
Wenn der Kayſer in dem Audienzcabinette an-
gekommen iſt; ſo rufen die Bedienten, welche
den hollaͤndiſchen Director introduciren, drey-
mal mit vernemlicher Stimme: Hollande-
Capitain. Auf dieſes Zeichen muß ſich der Di-
rector dem Kabinett naͤhern, die andern Be-
dienten aber muͤßen zuruͤck bleiben. Der Ge-
ſandte muß alsdann die vorgeſchriebenen Ver-
beugungen und Reverenzen machen. Er muß
ſich auf die Knie legen, ſich mit der Stirne zur
Erde neigen, auf Haͤnden und Fuͤßen herbey
kriechen, und ſo ruͤcklings auf eben die Art ſich
zuruͤck machen, ohne dem Kayſer den Ruͤcken
zuzukehren, oder ein einziges Wort zu ſprechen.
Dieſe Cerimonie iſt gar nicht von derjenigen
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/131>, abgerufen am 25.11.2024.
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