Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Er wird allemal aus den Ehrbarsten in der
Gasse gewählt, und der Statthalter bestätigt die
Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit
eines Amtes aus dem Ansehen desjenigen beur-
theilt, der solches bekleidet; so suchen diese klei-
nen Unterbediente ihrer Stelle, durch äußerliche
Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Dürf-
tigkeit verbergen muß. -- Eine jede Stadt hat
auch noch, außer den vorhin erwähnten Com-
missair, ihren Gerichtsschreiber, der die Pässe
und Zeugnisse der Lebensart und Sitten aus-
fertigt. Dieser ist verbunden, über die in seinem
Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver-
zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.

Wir müssen itzt unsern Lesern noch kürzlich
einen Abriß von den Gesetzen und Strafen der
Japaner mittheilen. -- Alle Reisebeschreiber
stimmen darinn überein, daß die japanischen
Gesetze und Strafen sehr strenge sind, und alle
Gerechtigkeit überschreiten. Sie haben wenig
oder gar keine geschriebenen Gesetze. Ihr höch-
stes Gesetz ist der Wille der Kayser, und nächst
diesem der Wille der Fürsten, in deren Gebiet
sie leben. Jeder hat über das Leben desjenigen,
der unter ihm steht, völlig zu gebieten. Sie
verhören und verurtheilen nach Gutbefinden.
Nicht leicht ist ein Verbrechen so gering, das
nicht sollte am Leben gestraft werden, es sey
denn, daß der Verbrecher ein kleiner König
wäre: und auch diese sind nicht allzeit davon
frey. Das einzige Vorrecht das sie haben,

ist

Er wird allemal aus den Ehrbarſten in der
Gaſſe gewaͤhlt, und der Statthalter beſtaͤtigt die
Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit
eines Amtes aus dem Anſehen desjenigen beur-
theilt, der ſolches bekleidet; ſo ſuchen dieſe klei-
nen Unterbediente ihrer Stelle, durch aͤußerliche
Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Duͤrf-
tigkeit verbergen muß. — Eine jede Stadt hat
auch noch, außer den vorhin erwaͤhnten Com-
miſſair, ihren Gerichtsſchreiber, der die Paͤſſe
und Zeugniſſe der Lebensart und Sitten aus-
fertigt. Dieſer iſt verbunden, uͤber die in ſeinem
Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver-
zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.

Wir muͤſſen itzt unſern Leſern noch kuͤrzlich
einen Abriß von den Geſetzen und Strafen der
Japaner mittheilen. — Alle Reiſebeſchreiber
ſtimmen darinn uͤberein, daß die japaniſchen
Geſetze und Strafen ſehr ſtrenge ſind, und alle
Gerechtigkeit uͤberſchreiten. Sie haben wenig
oder gar keine geſchriebenen Geſetze. Ihr hoͤch-
ſtes Geſetz iſt der Wille der Kayſer, und naͤchſt
dieſem der Wille der Fuͤrſten, in deren Gebiet
ſie leben. Jeder hat uͤber das Leben desjenigen,
der unter ihm ſteht, voͤllig zu gebieten. Sie
verhoͤren und verurtheilen nach Gutbefinden.
Nicht leicht iſt ein Verbrechen ſo gering, das
nicht ſollte am Leben geſtraft werden, es ſey
denn, daß der Verbrecher ein kleiner Koͤnig
waͤre: und auch dieſe ſind nicht allzeit davon
frey. Das einzige Vorrecht das ſie haben,

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="88"/>
Er wird allemal aus den Ehrbar&#x017F;ten in der<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;e gewa&#x0364;hlt, und der Statthalter be&#x017F;ta&#x0364;tigt die<lb/>
Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit<lb/>
eines Amtes aus dem An&#x017F;ehen desjenigen beur-<lb/>
theilt, der &#x017F;olches bekleidet; &#x017F;o &#x017F;uchen die&#x017F;e klei-<lb/>
nen Unterbediente ihrer Stelle, durch a&#x0364;ußerliche<lb/>
Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Du&#x0364;rf-<lb/>
tigkeit verbergen muß. &#x2014; Eine jede Stadt hat<lb/>
auch noch, außer den vorhin erwa&#x0364;hnten Com-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;air, ihren Gerichts&#x017F;chreiber, der die Pa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und Zeugni&#x017F;&#x017F;e der Lebensart und Sitten aus-<lb/>
fertigt. Die&#x017F;er i&#x017F;t verbunden, u&#x0364;ber die in &#x017F;einem<lb/>
Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver-<lb/>
zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.</p><lb/>
          <p>Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en itzt un&#x017F;ern Le&#x017F;ern noch ku&#x0364;rzlich<lb/>
einen Abriß von den Ge&#x017F;etzen und Strafen der<lb/>
Japaner mittheilen. &#x2014; Alle Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreiber<lb/>
&#x017F;timmen darinn u&#x0364;berein, daß die japani&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;etze und Strafen &#x017F;ehr &#x017F;trenge &#x017F;ind, und alle<lb/>
Gerechtigkeit u&#x0364;ber&#x017F;chreiten. Sie haben wenig<lb/>
oder gar keine ge&#x017F;chriebenen Ge&#x017F;etze. Ihr ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;tes Ge&#x017F;etz i&#x017F;t der Wille der Kay&#x017F;er, und na&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;em der Wille der Fu&#x0364;r&#x017F;ten, in deren Gebiet<lb/>
&#x017F;ie leben. Jeder hat u&#x0364;ber das Leben desjenigen,<lb/>
der unter ihm &#x017F;teht, vo&#x0364;llig zu gebieten. Sie<lb/>
verho&#x0364;ren und verurtheilen nach Gutbefinden.<lb/>
Nicht leicht i&#x017F;t ein Verbrechen &#x017F;o gering, das<lb/>
nicht &#x017F;ollte am Leben ge&#x017F;traft werden, es &#x017F;ey<lb/>
denn, daß der Verbrecher ein kleiner Ko&#x0364;nig<lb/>
wa&#x0364;re: und auch die&#x017F;e &#x017F;ind nicht allzeit davon<lb/>
frey. Das einzige Vorrecht das &#x017F;ie haben,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0114] Er wird allemal aus den Ehrbarſten in der Gaſſe gewaͤhlt, und der Statthalter beſtaͤtigt die Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit eines Amtes aus dem Anſehen desjenigen beur- theilt, der ſolches bekleidet; ſo ſuchen dieſe klei- nen Unterbediente ihrer Stelle, durch aͤußerliche Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Duͤrf- tigkeit verbergen muß. — Eine jede Stadt hat auch noch, außer den vorhin erwaͤhnten Com- miſſair, ihren Gerichtsſchreiber, der die Paͤſſe und Zeugniſſe der Lebensart und Sitten aus- fertigt. Dieſer iſt verbunden, uͤber die in ſeinem Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver- zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr. Wir muͤſſen itzt unſern Leſern noch kuͤrzlich einen Abriß von den Geſetzen und Strafen der Japaner mittheilen. — Alle Reiſebeſchreiber ſtimmen darinn uͤberein, daß die japaniſchen Geſetze und Strafen ſehr ſtrenge ſind, und alle Gerechtigkeit uͤberſchreiten. Sie haben wenig oder gar keine geſchriebenen Geſetze. Ihr hoͤch- ſtes Geſetz iſt der Wille der Kayſer, und naͤchſt dieſem der Wille der Fuͤrſten, in deren Gebiet ſie leben. Jeder hat uͤber das Leben desjenigen, der unter ihm ſteht, voͤllig zu gebieten. Sie verhoͤren und verurtheilen nach Gutbefinden. Nicht leicht iſt ein Verbrechen ſo gering, das nicht ſollte am Leben geſtraft werden, es ſey denn, daß der Verbrecher ein kleiner Koͤnig waͤre: und auch dieſe ſind nicht allzeit davon frey. Das einzige Vorrecht das ſie haben, iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/114
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/114>, abgerufen am 18.05.2024.