Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

findet. Man giebt dem jungen Prinzen ein
wenig Milch in den Mund, und so wird er der
neuen Amme übergeben.

Nach hergebrachter Gewohnheit der Vor-
fahren heyrathet der Mikaddo oder Dairi or-
dentlich zwölf Gemahlinnen, davon eine den
Titel als Kayserinn führt, und die Mutter des
Erbprinzen ist. Sie wohnt bey ihrem Gemahle,
die übrigen aber in andern nahe gelegenen Päl-
lästen. Eine jede von ihnen hält alle Tage in
ihrem Zimmer ein prächtiges Gastmahl bereit;
sie läßt Musik und Tänzerinnen kommen; und
wenn der Fürst gewählt hat, bey welcher er essen
und schlafen will; so werden alle diese Gastmah-
le, die Musik und Spiele zusammen, und zu
der Gemahlinn gebracht, die er mit seiner Ge-
genwart beehrt.

Der Hofstaat des Dairi ist, ohnerachtet er
seinen Bedienten nur mäßige Besoldung giebt,
von der sie ohnmöglich allein leben können, sehr
zahlreich. Die Großen kommen in seinem
Dienste bis zum Bettelstab herunter, und die
Geringen leben mit von ihrer Hände Arbeit,
indem sie Körbe, Matten und andere Dinge
verfertigen. Indessen haben doch einige sehr
reiche Präbenden, welche ihnen der Dairi giebt.
Und vermuthlich hält die Erwartung solcher
Präbenden viele in seinem Dienste. Die Liebe
zu den Wissenschaften macht die hauptsächlichste
Beschäftigung dieser Hofleute aus. Einige
legen sich auf die Dichtkunst: andere schreiben

Geschich-

findet. Man giebt dem jungen Prinzen ein
wenig Milch in den Mund, und ſo wird er der
neuen Amme uͤbergeben.

Nach hergebrachter Gewohnheit der Vor-
fahren heyrathet der Mikaddo oder Dairi or-
dentlich zwoͤlf Gemahlinnen, davon eine den
Titel als Kayſerinn fuͤhrt, und die Mutter des
Erbprinzen iſt. Sie wohnt bey ihrem Gemahle,
die uͤbrigen aber in andern nahe gelegenen Paͤl-
laͤſten. Eine jede von ihnen haͤlt alle Tage in
ihrem Zimmer ein praͤchtiges Gaſtmahl bereit;
ſie laͤßt Muſik und Taͤnzerinnen kommen; und
wenn der Fuͤrſt gewaͤhlt hat, bey welcher er eſſen
und ſchlafen will; ſo werden alle dieſe Gaſtmah-
le, die Muſik und Spiele zuſammen, und zu
der Gemahlinn gebracht, die er mit ſeiner Ge-
genwart beehrt.

Der Hofſtaat des Dairi iſt, ohnerachtet er
ſeinen Bedienten nur maͤßige Beſoldung giebt,
von der ſie ohnmoͤglich allein leben koͤnnen, ſehr
zahlreich. Die Großen kommen in ſeinem
Dienſte bis zum Bettelſtab herunter, und die
Geringen leben mit von ihrer Haͤnde Arbeit,
indem ſie Koͤrbe, Matten und andere Dinge
verfertigen. Indeſſen haben doch einige ſehr
reiche Praͤbenden, welche ihnen der Dairi giebt.
Und vermuthlich haͤlt die Erwartung ſolcher
Praͤbenden viele in ſeinem Dienſte. Die Liebe
zu den Wiſſenſchaften macht die hauptſaͤchlichſte
Beſchaͤftigung dieſer Hofleute aus. Einige
legen ſich auf die Dichtkunſt: andere ſchreiben

Geſchich-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="80"/>
findet. Man giebt dem jungen Prinzen ein<lb/>
wenig Milch in den Mund, und &#x017F;o wird er der<lb/>
neuen Amme u&#x0364;bergeben.</p><lb/>
          <p>Nach hergebrachter Gewohnheit der Vor-<lb/>
fahren heyrathet der Mikaddo oder Dairi or-<lb/>
dentlich zwo&#x0364;lf Gemahlinnen, davon eine den<lb/>
Titel als Kay&#x017F;erinn fu&#x0364;hrt, und die Mutter des<lb/>
Erbprinzen i&#x017F;t. Sie wohnt bey ihrem Gemahle,<lb/>
die u&#x0364;brigen aber in andern nahe gelegenen Pa&#x0364;l-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;ten. Eine jede von ihnen ha&#x0364;lt alle Tage in<lb/>
ihrem Zimmer ein pra&#x0364;chtiges Ga&#x017F;tmahl bereit;<lb/>
&#x017F;ie la&#x0364;ßt Mu&#x017F;ik und Ta&#x0364;nzerinnen kommen; und<lb/>
wenn der Fu&#x0364;r&#x017F;t gewa&#x0364;hlt hat, bey welcher er e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und &#x017F;chlafen will; &#x017F;o werden alle die&#x017F;e Ga&#x017F;tmah-<lb/>
le, die Mu&#x017F;ik und Spiele zu&#x017F;ammen, und zu<lb/>
der Gemahlinn gebracht, die er mit &#x017F;einer Ge-<lb/>
genwart beehrt.</p><lb/>
          <p>Der Hof&#x017F;taat des <hi rendition="#fr">Dairi</hi> i&#x017F;t, ohnerachtet er<lb/>
&#x017F;einen Bedienten nur ma&#x0364;ßige Be&#x017F;oldung giebt,<lb/>
von der &#x017F;ie ohnmo&#x0364;glich allein leben ko&#x0364;nnen, &#x017F;ehr<lb/>
zahlreich. Die Großen kommen in &#x017F;einem<lb/>
Dien&#x017F;te bis zum Bettel&#x017F;tab herunter, und die<lb/>
Geringen leben mit von ihrer Ha&#x0364;nde Arbeit,<lb/>
indem &#x017F;ie Ko&#x0364;rbe, Matten und andere Dinge<lb/>
verfertigen. Inde&#x017F;&#x017F;en haben doch einige &#x017F;ehr<lb/>
reiche Pra&#x0364;benden, welche ihnen der Dairi giebt.<lb/>
Und vermuthlich ha&#x0364;lt die Erwartung &#x017F;olcher<lb/>
Pra&#x0364;benden viele in &#x017F;einem Dien&#x017F;te. Die Liebe<lb/>
zu den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften macht die haupt&#x017F;a&#x0364;chlich&#x017F;te<lb/>
Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung die&#x017F;er Hofleute aus. Einige<lb/>
legen &#x017F;ich auf die Dichtkun&#x017F;t: andere &#x017F;chreiben<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge&#x017F;chich-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0106] findet. Man giebt dem jungen Prinzen ein wenig Milch in den Mund, und ſo wird er der neuen Amme uͤbergeben. Nach hergebrachter Gewohnheit der Vor- fahren heyrathet der Mikaddo oder Dairi or- dentlich zwoͤlf Gemahlinnen, davon eine den Titel als Kayſerinn fuͤhrt, und die Mutter des Erbprinzen iſt. Sie wohnt bey ihrem Gemahle, die uͤbrigen aber in andern nahe gelegenen Paͤl- laͤſten. Eine jede von ihnen haͤlt alle Tage in ihrem Zimmer ein praͤchtiges Gaſtmahl bereit; ſie laͤßt Muſik und Taͤnzerinnen kommen; und wenn der Fuͤrſt gewaͤhlt hat, bey welcher er eſſen und ſchlafen will; ſo werden alle dieſe Gaſtmah- le, die Muſik und Spiele zuſammen, und zu der Gemahlinn gebracht, die er mit ſeiner Ge- genwart beehrt. Der Hofſtaat des Dairi iſt, ohnerachtet er ſeinen Bedienten nur maͤßige Beſoldung giebt, von der ſie ohnmoͤglich allein leben koͤnnen, ſehr zahlreich. Die Großen kommen in ſeinem Dienſte bis zum Bettelſtab herunter, und die Geringen leben mit von ihrer Haͤnde Arbeit, indem ſie Koͤrbe, Matten und andere Dinge verfertigen. Indeſſen haben doch einige ſehr reiche Praͤbenden, welche ihnen der Dairi giebt. Und vermuthlich haͤlt die Erwartung ſolcher Praͤbenden viele in ſeinem Dienſte. Die Liebe zu den Wiſſenſchaften macht die hauptſaͤchlichſte Beſchaͤftigung dieſer Hofleute aus. Einige legen ſich auf die Dichtkunſt: andere ſchreiben Geſchich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/106
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/106>, abgerufen am 22.11.2024.