men Stande, so wird sie in einem Behältnisse, das wie eine Wiege gemacht ist, und eine Caj- nas genannt wird, getragen. Die aber von geringerer Herkunft müssen sich auf ihre Beine verlassen, oder reiten auch wohl auf Pferden. -- Die Braut ist gemeiniglich mit zwey kostba- ren Schleiern umhangen, wovon der eine den ganzen Körper bedeckt und der andere bis zum Gürtel herunterhängt. Dieß thun sie darum, weil die neidischen und jalouen Menschen sie alsdann nicht bezaubern können. Wenn nun die Braut in dem Hause des Bräutigams ist; so wird sie von den Weibern in ein dunkeles Zimmer geführt, ausgekleidet und ins Bette gelegt. Kurz darauf geht eben dieß mit dem Bräutigam vor. Und so kommt das neue Ehe- paar in einem Bette zusammen, ohne sich viel- leicht je gesehen zu haben.
Man sollte denken, daß diese Art zu heyra- then, ohne sich vorher jemals gesehen zu haben, überall unglückliche Ehen verursachen müßte. Allein hierinn würde man sich sehr irren. Viel- mehr kann man behaupten, daß die Ehe sol- cher Leute, die sich vorher nie gesehen haben, viel glücklicher ist, als manche unter uns, ohn- geachtet des vielen Besehens und vorher gehab- ten Umgangs. Uebrigens aber muß man auch nicht zu weit gehen, und denken, als ob es den Persern gleichviel wäre, was und welche Frau sie erhielten! Sie sind in diesem Stücke fein genug. Die Mutter, der Vater und Anver-
wandten
men Stande, ſo wird ſie in einem Behaͤltniſſe, das wie eine Wiege gemacht iſt, und eine Caj- nas genannt wird, getragen. Die aber von geringerer Herkunft muͤſſen ſich auf ihre Beine verlaſſen, oder reiten auch wohl auf Pferden. — Die Braut iſt gemeiniglich mit zwey koſtba- ren Schleiern umhangen, wovon der eine den ganzen Koͤrper bedeckt und der andere bis zum Guͤrtel herunterhaͤngt. Dieß thun ſie darum, weil die neidiſchen und jalouen Menſchen ſie alsdann nicht bezaubern koͤnnen. Wenn nun die Braut in dem Hauſe des Braͤutigams iſt; ſo wird ſie von den Weibern in ein dunkeles Zimmer gefuͤhrt, ausgekleidet und ins Bette gelegt. Kurz darauf geht eben dieß mit dem Braͤutigam vor. Und ſo kommt das neue Ehe- paar in einem Bette zuſammen, ohne ſich viel- leicht je geſehen zu haben.
Man ſollte denken, daß dieſe Art zu heyra- then, ohne ſich vorher jemals geſehen zu haben, uͤberall ungluͤckliche Ehen verurſachen muͤßte. Allein hierinn wuͤrde man ſich ſehr irren. Viel- mehr kann man behaupten, daß die Ehe ſol- cher Leute, die ſich vorher nie geſehen haben, viel gluͤcklicher iſt, als manche unter uns, ohn- geachtet des vielen Beſehens und vorher gehab- ten Umgangs. Uebrigens aber muß man auch nicht zu weit gehen, und denken, als ob es den Perſern gleichviel waͤre, was und welche Frau ſie erhielten! Sie ſind in dieſem Stuͤcke fein genug. Die Mutter, der Vater und Anver-
wandten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0081"n="61"/>
men Stande, ſo wird ſie in einem Behaͤltniſſe,<lb/>
das wie eine Wiege gemacht iſt, und eine <hirendition="#fr">Caj-<lb/>
nas</hi> genannt wird, getragen. Die aber von<lb/>
geringerer Herkunft muͤſſen ſich auf ihre Beine<lb/>
verlaſſen, oder reiten auch wohl auf Pferden.<lb/>— Die Braut iſt gemeiniglich mit zwey koſtba-<lb/>
ren Schleiern umhangen, wovon der eine den<lb/>
ganzen Koͤrper bedeckt und der andere bis zum<lb/>
Guͤrtel herunterhaͤngt. Dieß thun ſie darum,<lb/>
weil die neidiſchen und jalouen Menſchen ſie<lb/>
alsdann nicht bezaubern koͤnnen. Wenn nun<lb/>
die Braut in dem Hauſe des Braͤutigams iſt;<lb/>ſo wird ſie von den Weibern in ein dunkeles<lb/>
Zimmer gefuͤhrt, ausgekleidet und ins Bette<lb/>
gelegt. Kurz darauf geht eben dieß mit dem<lb/>
Braͤutigam vor. Und ſo kommt das neue Ehe-<lb/>
paar in einem Bette zuſammen, ohne ſich viel-<lb/>
leicht je geſehen zu haben.</p><lb/><p>Man ſollte denken, daß dieſe Art zu heyra-<lb/>
then, ohne ſich vorher jemals geſehen zu haben,<lb/>
uͤberall ungluͤckliche Ehen verurſachen muͤßte.<lb/>
Allein hierinn wuͤrde man ſich ſehr irren. Viel-<lb/>
mehr kann man behaupten, daß die Ehe ſol-<lb/>
cher Leute, die ſich vorher nie geſehen haben,<lb/>
viel gluͤcklicher iſt, als manche unter uns, ohn-<lb/>
geachtet des vielen Beſehens und vorher gehab-<lb/>
ten Umgangs. Uebrigens aber muß man auch<lb/>
nicht zu weit gehen, und denken, als ob es den<lb/>
Perſern gleichviel waͤre, was und welche Frau<lb/>ſie erhielten! Sie ſind in dieſem Stuͤcke fein<lb/>
genug. Die Mutter, der Vater und Anver-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wandten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[61/0081]
men Stande, ſo wird ſie in einem Behaͤltniſſe,
das wie eine Wiege gemacht iſt, und eine Caj-
nas genannt wird, getragen. Die aber von
geringerer Herkunft muͤſſen ſich auf ihre Beine
verlaſſen, oder reiten auch wohl auf Pferden.
— Die Braut iſt gemeiniglich mit zwey koſtba-
ren Schleiern umhangen, wovon der eine den
ganzen Koͤrper bedeckt und der andere bis zum
Guͤrtel herunterhaͤngt. Dieß thun ſie darum,
weil die neidiſchen und jalouen Menſchen ſie
alsdann nicht bezaubern koͤnnen. Wenn nun
die Braut in dem Hauſe des Braͤutigams iſt;
ſo wird ſie von den Weibern in ein dunkeles
Zimmer gefuͤhrt, ausgekleidet und ins Bette
gelegt. Kurz darauf geht eben dieß mit dem
Braͤutigam vor. Und ſo kommt das neue Ehe-
paar in einem Bette zuſammen, ohne ſich viel-
leicht je geſehen zu haben.
Man ſollte denken, daß dieſe Art zu heyra-
then, ohne ſich vorher jemals geſehen zu haben,
uͤberall ungluͤckliche Ehen verurſachen muͤßte.
Allein hierinn wuͤrde man ſich ſehr irren. Viel-
mehr kann man behaupten, daß die Ehe ſol-
cher Leute, die ſich vorher nie geſehen haben,
viel gluͤcklicher iſt, als manche unter uns, ohn-
geachtet des vielen Beſehens und vorher gehab-
ten Umgangs. Uebrigens aber muß man auch
nicht zu weit gehen, und denken, als ob es den
Perſern gleichviel waͤre, was und welche Frau
ſie erhielten! Sie ſind in dieſem Stuͤcke fein
genug. Die Mutter, der Vater und Anver-
wandten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/81>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.