Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

den sie thun, verwunden: zerstoßen sich den
Kopf und die Brust so stark an Kieselsteinen,
daß das Blut zum Vorschein kommt: halten
an den Thüren stille, und rufen den Einwoh-
nern zu, kommt alle, so viele eurer im
Hause seyd, und seht zu, wie viel es uns
kostet, eure Sünden zu büßen
. Für diese
außerordentliche Pein, die wir eurentwegen
freywillig unternehmen, könnt ihr uns wohl
eine kleine Gabe zufließen lassen.

Bey aller dieser scheinbaren Strenge wird
doch dieß Handwerk der Bonzen so sehr verach-
tet, daß sich nicht leicht ein Mensch von vor-
nehmen Stande dazu entschließt. Um diesen
Abgang, so viel als möglich, zu ersetzen, kau-
fen die Bonzen junge Sclaven von sieben bis
acht Jahren, unterrichten sie hinlänglich in ih-
ren Lehrsätzen, und formiren aus diesen ihre
Mönche. Der größeste Theil derselben sind
sehr unwissend, und da sie diese nicht zu allen
Dingen gebrauchen können; so müssen sie sich
auf das Betteln legen. Diejenigen aber, die
einen offnen Kopf äußern, müssen mit den Ge-
lehrten Umgang suchen, und Gelegenheit neh-
men, sich durch diese bey den Vornehmen ein-
zuschmeicheln.

Die außerordentliche Begierde der Bon-
zen, Allmosen zu erhaschen, macht auch, daß sie
sich allezeit bereit finden lassen, hinzugehen, wohin

man

den ſie thun, verwunden: zerſtoßen ſich den
Kopf und die Bruſt ſo ſtark an Kieſelſteinen,
daß das Blut zum Vorſchein kommt: halten
an den Thuͤren ſtille, und rufen den Einwoh-
nern zu, kommt alle, ſo viele eurer im
Hauſe ſeyd, und ſeht zu, wie viel es uns
koſtet, eure Suͤnden zu buͤßen
. Fuͤr dieſe
außerordentliche Pein, die wir eurentwegen
freywillig unternehmen, koͤnnt ihr uns wohl
eine kleine Gabe zufließen laſſen.

Bey aller dieſer ſcheinbaren Strenge wird
doch dieß Handwerk der Bonzen ſo ſehr verach-
tet, daß ſich nicht leicht ein Menſch von vor-
nehmen Stande dazu entſchließt. Um dieſen
Abgang, ſo viel als moͤglich, zu erſetzen, kau-
fen die Bonzen junge Sclaven von ſieben bis
acht Jahren, unterrichten ſie hinlaͤnglich in ih-
ren Lehrſaͤtzen, und formiren aus dieſen ihre
Moͤnche. Der groͤßeſte Theil derſelben ſind
ſehr unwiſſend, und da ſie dieſe nicht zu allen
Dingen gebrauchen koͤnnen; ſo muͤſſen ſie ſich
auf das Betteln legen. Diejenigen aber, die
einen offnen Kopf aͤußern, muͤſſen mit den Ge-
lehrten Umgang ſuchen, und Gelegenheit neh-
men, ſich durch dieſe bey den Vornehmen ein-
zuſchmeicheln.

Die außerordentliche Begierde der Bon-
zen, Allmoſen zu erhaſchen, macht auch, daß ſie
ſich allezeit bereit finden laſſen, hinzugehen, wohin

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="292"/>
den &#x017F;ie thun, verwunden: zer&#x017F;toßen &#x017F;ich den<lb/>
Kopf und die Bru&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;tark an Kie&#x017F;el&#x017F;teinen,<lb/>
daß das Blut zum Vor&#x017F;chein kommt: halten<lb/>
an den Thu&#x0364;ren &#x017F;tille, und rufen den Einwoh-<lb/>
nern zu, <hi rendition="#fr">kommt alle, &#x017F;o viele eurer im<lb/>
Hau&#x017F;e &#x017F;eyd, und &#x017F;eht zu, wie viel es uns<lb/>
ko&#x017F;tet, eure Su&#x0364;nden zu bu&#x0364;ßen</hi>. Fu&#x0364;r die&#x017F;e<lb/>
außerordentliche Pein, die wir eurentwegen<lb/>
freywillig unternehmen, ko&#x0364;nnt ihr uns wohl<lb/>
eine kleine Gabe zufließen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Bey aller die&#x017F;er &#x017F;cheinbaren Strenge wird<lb/>
doch dieß Handwerk der Bonzen &#x017F;o &#x017F;ehr verach-<lb/>
tet, daß &#x017F;ich nicht leicht ein Men&#x017F;ch von vor-<lb/>
nehmen Stande dazu ent&#x017F;chließt. Um die&#x017F;en<lb/>
Abgang, &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich, zu er&#x017F;etzen, kau-<lb/>
fen die Bonzen junge Sclaven von &#x017F;ieben bis<lb/>
acht Jahren, unterrichten &#x017F;ie hinla&#x0364;nglich in ih-<lb/>
ren Lehr&#x017F;a&#x0364;tzen, und formiren aus die&#x017F;en ihre<lb/>
Mo&#x0364;nche. Der gro&#x0364;ße&#x017F;te Theil der&#x017F;elben &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ehr unwi&#x017F;&#x017F;end, und da &#x017F;ie die&#x017F;e nicht zu allen<lb/>
Dingen gebrauchen ko&#x0364;nnen; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auf das Betteln legen. Diejenigen aber, die<lb/>
einen offnen Kopf a&#x0364;ußern, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mit den Ge-<lb/>
lehrten Umgang &#x017F;uchen, und Gelegenheit neh-<lb/>
men, &#x017F;ich durch die&#x017F;e bey den Vornehmen ein-<lb/>
zu&#x017F;chmeicheln.</p><lb/>
          <p>Die außerordentliche Begierde der Bon-<lb/>
zen, Allmo&#x017F;en zu erha&#x017F;chen, macht auch, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich allezeit bereit finden la&#x017F;&#x017F;en, hinzugehen, wohin<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0312] den ſie thun, verwunden: zerſtoßen ſich den Kopf und die Bruſt ſo ſtark an Kieſelſteinen, daß das Blut zum Vorſchein kommt: halten an den Thuͤren ſtille, und rufen den Einwoh- nern zu, kommt alle, ſo viele eurer im Hauſe ſeyd, und ſeht zu, wie viel es uns koſtet, eure Suͤnden zu buͤßen. Fuͤr dieſe außerordentliche Pein, die wir eurentwegen freywillig unternehmen, koͤnnt ihr uns wohl eine kleine Gabe zufließen laſſen. Bey aller dieſer ſcheinbaren Strenge wird doch dieß Handwerk der Bonzen ſo ſehr verach- tet, daß ſich nicht leicht ein Menſch von vor- nehmen Stande dazu entſchließt. Um dieſen Abgang, ſo viel als moͤglich, zu erſetzen, kau- fen die Bonzen junge Sclaven von ſieben bis acht Jahren, unterrichten ſie hinlaͤnglich in ih- ren Lehrſaͤtzen, und formiren aus dieſen ihre Moͤnche. Der groͤßeſte Theil derſelben ſind ſehr unwiſſend, und da ſie dieſe nicht zu allen Dingen gebrauchen koͤnnen; ſo muͤſſen ſie ſich auf das Betteln legen. Diejenigen aber, die einen offnen Kopf aͤußern, muͤſſen mit den Ge- lehrten Umgang ſuchen, und Gelegenheit neh- men, ſich durch dieſe bey den Vornehmen ein- zuſchmeicheln. Die außerordentliche Begierde der Bon- zen, Allmoſen zu erhaſchen, macht auch, daß ſie ſich allezeit bereit finden laſſen, hinzugehen, wohin man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/312
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/312>, abgerufen am 25.11.2024.