Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

dafür sorgen muß, daß sich Niemand von
seiner Heerde verirre. Haben unsere Vor-
fahren nicht nach solchen Gesetzen gerich-
tet die mit der strengsten Billigkeit beste-
hen können; so gereichen solche Gesetze
dem Volk allemal zum Nachtheil, und
riechen nach Grausamkeit.
Der Kayser
Ven-ti drang also auf Abschaffung eines solchen
Gesetzes und erreichte auch seinen Zweck.

Eine andere Erklärung eben dieses Kaysers
Ven-ti, in Absicht der Beförderung des Acker-
baus lautet so: Diejenigen, denen das Regi-
ment über ein ganzes Volk anvertraut ist,
müssen mit allem Eifer dahin sehen, das-
jenige zu befördern, was zum Nutzen des
Volks gereicht. Hieher rechne ich den
Ackerbau. Seit zehn Jahren habe ich mich
eifrigst bemühet denselben zu befördern;
aber ich sehe leider! noch immer Spuren der
Trägheit meiner Unterthanen in diesem
Puncte. Noch mehr: ich sehe mannich-
faltige nothwendige Bedürfnisse in den
Augen der Armen, abgemalt. Es kann
hievon ganz positiv nichts anders Ursa-
che seyn, als die Nichtvollziehung mei-
nes publicirten Willens, oder diejenigen,
welche meinen Befehl vollziehen sollen,
sind ihres Amts nicht würdig. Soll die-
se Saumseligkeit weiter fortfahren; so
sehe ich offenbar den Ruin meines Volks
vor Augen. Ich will also auf dieses Jahr

die
R 5

dafuͤr ſorgen muß, daß ſich Niemand von
ſeiner Heerde verirre. Haben unſere Vor-
fahren nicht nach ſolchen Geſetzen gerich-
tet die mit der ſtrengſten Billigkeit beſte-
hen koͤnnen; ſo gereichen ſolche Geſetze
dem Volk allemal zum Nachtheil, und
riechen nach Grauſamkeit.
Der Kayſer
Ven-ti drang alſo auf Abſchaffung eines ſolchen
Geſetzes und erreichte auch ſeinen Zweck.

Eine andere Erklaͤrung eben dieſes Kayſers
Ven-ti, in Abſicht der Befoͤrderung des Acker-
baus lautet ſo: Diejenigen, denen das Regi-
ment uͤber ein ganzes Volk anvertraut iſt,
muͤſſen mit allem Eifer dahin ſehen, das-
jenige zu befoͤrdern, was zum Nutzen des
Volks gereicht. Hieher rechne ich den
Ackerbau. Seit zehn Jahren habe ich mich
eifrigſt bemuͤhet denſelben zu befoͤrdern;
aber ich ſehe leider! noch immer Spuren der
Traͤgheit meiner Unterthanen in dieſem
Puncte. Noch mehr: ich ſehe mannich-
faltige nothwendige Beduͤrfniſſe in den
Augen der Armen, abgemalt. Es kann
hievon ganz poſitiv nichts anders Urſa-
che ſeyn, als die Nichtvollziehung mei-
nes publicirten Willens, oder diejenigen,
welche meinen Befehl vollziehen ſollen,
ſind ihres Amts nicht wuͤrdig. Soll die-
ſe Saumſeligkeit weiter fortfahren; ſo
ſehe ich offenbar den Ruin meines Volks
vor Augen. Ich will alſo auf dieſes Jahr

die
R 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0285" n="265"/><hi rendition="#fr">dafu&#x0364;r &#x017F;orgen muß, daß &#x017F;ich Niemand von<lb/>
&#x017F;einer Heerde verirre. Haben un&#x017F;ere Vor-<lb/>
fahren nicht nach &#x017F;olchen Ge&#x017F;etzen gerich-<lb/>
tet die mit der &#x017F;treng&#x017F;ten Billigkeit be&#x017F;te-<lb/>
hen ko&#x0364;nnen; &#x017F;o gereichen &#x017F;olche Ge&#x017F;etze<lb/>
dem Volk allemal zum Nachtheil, und<lb/>
riechen nach Grau&#x017F;amkeit.</hi> Der Kay&#x017F;er<lb/>
Ven-ti drang al&#x017F;o auf Ab&#x017F;chaffung eines &#x017F;olchen<lb/>
Ge&#x017F;etzes und erreichte auch &#x017F;einen Zweck.</p><lb/>
          <p>Eine andere Erkla&#x0364;rung eben die&#x017F;es Kay&#x017F;ers<lb/>
Ven-ti, in Ab&#x017F;icht der Befo&#x0364;rderung des Acker-<lb/>
baus lautet &#x017F;o: <hi rendition="#fr">Diejenigen, denen das Regi-<lb/>
ment u&#x0364;ber ein ganzes Volk anvertraut i&#x017F;t,<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mit allem Eifer dahin &#x017F;ehen, das-<lb/>
jenige zu befo&#x0364;rdern, was zum Nutzen des<lb/>
Volks gereicht. Hieher rechne ich den<lb/>
Ackerbau. Seit zehn Jahren habe ich mich<lb/>
eifrig&#x017F;t bemu&#x0364;het den&#x017F;elben zu befo&#x0364;rdern;<lb/>
aber ich &#x017F;ehe leider! noch immer Spuren der<lb/>
Tra&#x0364;gheit meiner Unterthanen in die&#x017F;em<lb/>
Puncte. Noch mehr: ich &#x017F;ehe mannich-<lb/>
faltige nothwendige Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e in den<lb/>
Augen der Armen, abgemalt. Es kann<lb/>
hievon ganz po&#x017F;itiv nichts anders Ur&#x017F;a-<lb/>
che &#x017F;eyn, als die Nichtvollziehung mei-<lb/>
nes publicirten Willens, oder diejenigen,<lb/>
welche meinen Befehl vollziehen &#x017F;ollen,<lb/>
&#x017F;ind ihres Amts nicht wu&#x0364;rdig. Soll die-<lb/>
&#x017F;e Saum&#x017F;eligkeit weiter fortfahren; &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehe ich offenbar den Ruin meines Volks<lb/>
vor Augen. Ich will al&#x017F;o auf die&#x017F;es Jahr</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">die</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0285] dafuͤr ſorgen muß, daß ſich Niemand von ſeiner Heerde verirre. Haben unſere Vor- fahren nicht nach ſolchen Geſetzen gerich- tet die mit der ſtrengſten Billigkeit beſte- hen koͤnnen; ſo gereichen ſolche Geſetze dem Volk allemal zum Nachtheil, und riechen nach Grauſamkeit. Der Kayſer Ven-ti drang alſo auf Abſchaffung eines ſolchen Geſetzes und erreichte auch ſeinen Zweck. Eine andere Erklaͤrung eben dieſes Kayſers Ven-ti, in Abſicht der Befoͤrderung des Acker- baus lautet ſo: Diejenigen, denen das Regi- ment uͤber ein ganzes Volk anvertraut iſt, muͤſſen mit allem Eifer dahin ſehen, das- jenige zu befoͤrdern, was zum Nutzen des Volks gereicht. Hieher rechne ich den Ackerbau. Seit zehn Jahren habe ich mich eifrigſt bemuͤhet denſelben zu befoͤrdern; aber ich ſehe leider! noch immer Spuren der Traͤgheit meiner Unterthanen in dieſem Puncte. Noch mehr: ich ſehe mannich- faltige nothwendige Beduͤrfniſſe in den Augen der Armen, abgemalt. Es kann hievon ganz poſitiv nichts anders Urſa- che ſeyn, als die Nichtvollziehung mei- nes publicirten Willens, oder diejenigen, welche meinen Befehl vollziehen ſollen, ſind ihres Amts nicht wuͤrdig. Soll die- ſe Saumſeligkeit weiter fortfahren; ſo ſehe ich offenbar den Ruin meines Volks vor Augen. Ich will alſo auf dieſes Jahr die R 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/285
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/285>, abgerufen am 17.05.2024.