Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

noch fast ganz ungearbeitet da liegen. Sie be-
haupten, daß die Musik vor den Zeiten des
Con-fu-tze (der selbst ein ungemein großer
Kenner der Musik soll gewesen seyn) zur höch-
sten Stufe der Vollkommenheit gebracht und
unter ihnen sehr geehrt sey. Sie geben ferner
vor, daß die Bücher, welche von der Theorie
der Musik gehandelt hätten, verlohren gegan-
gen: und auf diese Art sey ihre jetzige Musik
ohne Harmonie, Bindung und Abwechselung
der Theile. -- Die Noten sind ihnen völlig
unbekannt: sie spielen alles bloß nach dem Ge-
höre. Sehr abgeschmackt und ungeschickt sind
ihre musikalischen Instrumente. Einige der-
selben gleichen unsern Trommeln und Trompe-
ten: noch andere haben mit unsern Flöten ei-
nige Aehnlichkeit. -- Die heutigen Chineser
fühlen es auch selbst, daß ihre Kräfte in Anse-
hung der Musik wenig vermögen. Und daher
bedienen sie sich auch selten der Instrumental-
musik, es möchte denn bey festlichen Gelegen-
heiten seyn, als Hochzeiten, Gastereyen u. s. w.
Wir können also hieraus hinlänglich schließen,
daß die Musik der Chineser gegen die unsrige
-- gelinde zu reden -- kaum erträglich zu
nennen sey.

Es gehört eine gute Kenntniß der Sprache
dazu, wenn man die Harmonie, Schönheit
und Zierlichkeit der chinesischen Dichtkunst will
begreiflich machen. Indessen erzählen uns doch
die besten Kenner dieser Sprache, daß ihre

Dicht-
O 5

noch faſt ganz ungearbeitet da liegen. Sie be-
haupten, daß die Muſik vor den Zeiten des
Con-fu-tze (der ſelbſt ein ungemein großer
Kenner der Muſik ſoll geweſen ſeyn) zur hoͤch-
ſten Stufe der Vollkommenheit gebracht und
unter ihnen ſehr geehrt ſey. Sie geben ferner
vor, daß die Buͤcher, welche von der Theorie
der Muſik gehandelt haͤtten, verlohren gegan-
gen: und auf dieſe Art ſey ihre jetzige Muſik
ohne Harmonie, Bindung und Abwechſelung
der Theile. — Die Noten ſind ihnen voͤllig
unbekannt: ſie ſpielen alles bloß nach dem Ge-
hoͤre. Sehr abgeſchmackt und ungeſchickt ſind
ihre muſikaliſchen Inſtrumente. Einige der-
ſelben gleichen unſern Trommeln und Trompe-
ten: noch andere haben mit unſern Floͤten ei-
nige Aehnlichkeit. — Die heutigen Chineſer
fuͤhlen es auch ſelbſt, daß ihre Kraͤfte in Anſe-
hung der Muſik wenig vermoͤgen. Und daher
bedienen ſie ſich auch ſelten der Inſtrumental-
muſik, es moͤchte denn bey feſtlichen Gelegen-
heiten ſeyn, als Hochzeiten, Gaſtereyen u. ſ. w.
Wir koͤnnen alſo hieraus hinlaͤnglich ſchließen,
daß die Muſik der Chineſer gegen die unſrige
— gelinde zu reden — kaum ertraͤglich zu
nennen ſey.

Es gehoͤrt eine gute Kenntniß der Sprache
dazu, wenn man die Harmonie, Schoͤnheit
und Zierlichkeit der chineſiſchen Dichtkunſt will
begreiflich machen. Indeſſen erzaͤhlen uns doch
die beſten Kenner dieſer Sprache, daß ihre

Dicht-
O 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0237" n="217"/>
noch fa&#x017F;t ganz ungearbeitet da liegen. Sie be-<lb/>
haupten, daß die Mu&#x017F;ik vor den Zeiten des<lb/>
Con-fu-tze (der &#x017F;elb&#x017F;t ein ungemein großer<lb/>
Kenner der Mu&#x017F;ik &#x017F;oll gewe&#x017F;en &#x017F;eyn) zur ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Stufe der Vollkommenheit gebracht und<lb/>
unter ihnen &#x017F;ehr geehrt &#x017F;ey. Sie geben ferner<lb/>
vor, daß die Bu&#x0364;cher, welche von der Theorie<lb/>
der Mu&#x017F;ik gehandelt ha&#x0364;tten, verlohren gegan-<lb/>
gen: und auf die&#x017F;e Art &#x017F;ey ihre jetzige Mu&#x017F;ik<lb/>
ohne Harmonie, Bindung und Abwech&#x017F;elung<lb/>
der Theile. &#x2014; Die Noten &#x017F;ind ihnen vo&#x0364;llig<lb/>
unbekannt: &#x017F;ie &#x017F;pielen alles bloß nach dem Ge-<lb/>
ho&#x0364;re. Sehr abge&#x017F;chmackt und unge&#x017F;chickt &#x017F;ind<lb/>
ihre mu&#x017F;ikali&#x017F;chen In&#x017F;trumente. Einige der-<lb/>
&#x017F;elben gleichen un&#x017F;ern Trommeln und Trompe-<lb/>
ten: noch andere haben mit un&#x017F;ern Flo&#x0364;ten ei-<lb/>
nige Aehnlichkeit. &#x2014; Die heutigen Chine&#x017F;er<lb/>
fu&#x0364;hlen es auch &#x017F;elb&#x017F;t, daß ihre Kra&#x0364;fte in An&#x017F;e-<lb/>
hung der Mu&#x017F;ik wenig vermo&#x0364;gen. Und daher<lb/>
bedienen &#x017F;ie &#x017F;ich auch &#x017F;elten der In&#x017F;trumental-<lb/>
mu&#x017F;ik, es mo&#x0364;chte denn bey fe&#x017F;tlichen Gelegen-<lb/>
heiten &#x017F;eyn, als Hochzeiten, Ga&#x017F;tereyen u. &#x017F;. w.<lb/>
Wir ko&#x0364;nnen al&#x017F;o hieraus hinla&#x0364;nglich &#x017F;chließen,<lb/>
daß die Mu&#x017F;ik der Chine&#x017F;er gegen die un&#x017F;rige<lb/>
&#x2014; gelinde zu reden &#x2014; kaum ertra&#x0364;glich zu<lb/>
nennen &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Es geho&#x0364;rt eine gute Kenntniß der Sprache<lb/>
dazu, wenn man die Harmonie, Scho&#x0364;nheit<lb/>
und Zierlichkeit der chine&#x017F;i&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Dichtkun&#x017F;t</hi> will<lb/>
begreiflich machen. Inde&#x017F;&#x017F;en erza&#x0364;hlen uns doch<lb/>
die be&#x017F;ten Kenner die&#x017F;er Sprache, daß ihre<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Dicht-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0237] noch faſt ganz ungearbeitet da liegen. Sie be- haupten, daß die Muſik vor den Zeiten des Con-fu-tze (der ſelbſt ein ungemein großer Kenner der Muſik ſoll geweſen ſeyn) zur hoͤch- ſten Stufe der Vollkommenheit gebracht und unter ihnen ſehr geehrt ſey. Sie geben ferner vor, daß die Buͤcher, welche von der Theorie der Muſik gehandelt haͤtten, verlohren gegan- gen: und auf dieſe Art ſey ihre jetzige Muſik ohne Harmonie, Bindung und Abwechſelung der Theile. — Die Noten ſind ihnen voͤllig unbekannt: ſie ſpielen alles bloß nach dem Ge- hoͤre. Sehr abgeſchmackt und ungeſchickt ſind ihre muſikaliſchen Inſtrumente. Einige der- ſelben gleichen unſern Trommeln und Trompe- ten: noch andere haben mit unſern Floͤten ei- nige Aehnlichkeit. — Die heutigen Chineſer fuͤhlen es auch ſelbſt, daß ihre Kraͤfte in Anſe- hung der Muſik wenig vermoͤgen. Und daher bedienen ſie ſich auch ſelten der Inſtrumental- muſik, es moͤchte denn bey feſtlichen Gelegen- heiten ſeyn, als Hochzeiten, Gaſtereyen u. ſ. w. Wir koͤnnen alſo hieraus hinlaͤnglich ſchließen, daß die Muſik der Chineſer gegen die unſrige — gelinde zu reden — kaum ertraͤglich zu nennen ſey. Es gehoͤrt eine gute Kenntniß der Sprache dazu, wenn man die Harmonie, Schoͤnheit und Zierlichkeit der chineſiſchen Dichtkunſt will begreiflich machen. Indeſſen erzaͤhlen uns doch die beſten Kenner dieſer Sprache, daß ihre Dicht- O 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/237
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/237>, abgerufen am 02.05.2024.