In Ansehung des Essens und Trinkens, sind die Chineser mehr oder weniger nach eines jeden Umständen, verschwenderisch. Kömmt es darauf an eine Gesellschaft zu speisen; so wen- den sie alles auf, was sie in ihrem Vermögen haben. Die Verschwendung bey den Gastereien ist in der That ganz unglaublich. Dagegen aber sind sie nicht so gesinnt, wenn sie allein speisen. Ein Gericht Pferdefleisch -- welches zu den größesten Delicatessen gehört -- Heuschrecken, Ratten, Schlangen, schmeckt ihnen sehr gut. Fast alle Speisen werden bey ihnen, schon in kleine Stücke geschnitten, auf den Tisch ge- bracht. Messer, Löffel und Gabel sind Dinge die sie nicht gebrauchen: dagegen aber bedienen sie sich bey ihrem Speisen zwey kleiner Spießgen, womit sie die Speisen auf eine geschickte Art wissen anzurühren. Sehr sonderbar und wider allen Gebrauch der Morgenländer, ist es, daß die Chineser sich nicht auf die Erde sondern auf hohe Stühle setzen. -- Ein jeder Gast hat vor sich einen kleinen Tisch stehen, worauf ei- nige Schüsseln gesetzt sind, je nach dem das Trak- tament groß oder klein seyn soll. -- Ueber Ti- sche pflegen sie gewöhnlicherweise Thee zu trin- ken. Dieser muß aber sehr heiß seyn, wenn er ihnen schmecken soll. Ueberhaupt muß man wissen, daß die Chineser warm trinken und kalt essen. Des Weins enthalten sie sich nach ihren Gesetzen: dagegen aber halten sie sich durch ein anderes Getränke schadlos, welches fast eben
so
In Anſehung des Eſſens und Trinkens, ſind die Chineſer mehr oder weniger nach eines jeden Umſtaͤnden, verſchwenderiſch. Koͤmmt es darauf an eine Geſellſchaft zu ſpeiſen; ſo wen- den ſie alles auf, was ſie in ihrem Vermoͤgen haben. Die Verſchwendung bey den Gaſtereien iſt in der That ganz unglaublich. Dagegen aber ſind ſie nicht ſo geſinnt, wenn ſie allein ſpeiſen. Ein Gericht Pferdefleiſch — welches zu den groͤßeſten Delicateſſen gehoͤrt — Heuſchrecken, Ratten, Schlangen, ſchmeckt ihnen ſehr gut. Faſt alle Speiſen werden bey ihnen, ſchon in kleine Stuͤcke geſchnitten, auf den Tiſch ge- bracht. Meſſer, Loͤffel und Gabel ſind Dinge die ſie nicht gebrauchen: dagegen aber bedienen ſie ſich bey ihrem Speiſen zwey kleiner Spießgen, womit ſie die Speiſen auf eine geſchickte Art wiſſen anzuruͤhren. Sehr ſonderbar und wider allen Gebrauch der Morgenlaͤnder, iſt es, daß die Chineſer ſich nicht auf die Erde ſondern auf hohe Stuͤhle ſetzen. — Ein jeder Gaſt hat vor ſich einen kleinen Tiſch ſtehen, worauf ei- nige Schuͤſſeln geſetzt ſind, je nach dem das Trak- tament groß oder klein ſeyn ſoll. — Ueber Ti- ſche pflegen ſie gewoͤhnlicherweiſe Thee zu trin- ken. Dieſer muß aber ſehr heiß ſeyn, wenn er ihnen ſchmecken ſoll. Ueberhaupt muß man wiſſen, daß die Chineſer warm trinken und kalt eſſen. Des Weins enthalten ſie ſich nach ihren Geſetzen: dagegen aber halten ſie ſich durch ein anderes Getraͤnke ſchadlos, welches faſt eben
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In Anſehung des Eſſens und Trinkens,
ſind die Chineſer mehr oder weniger nach eines
jeden Umſtaͤnden, verſchwenderiſch. Koͤmmt es
darauf an eine Geſellſchaft zu ſpeiſen; ſo wen-
den ſie alles auf, was ſie in ihrem Vermoͤgen
haben. Die Verſchwendung bey den Gaſtereien
iſt in der That ganz unglaublich. Dagegen aber
ſind ſie nicht ſo geſinnt, wenn ſie allein ſpeiſen.
Ein Gericht Pferdefleiſch — welches zu den
groͤßeſten Delicateſſen gehoͤrt — Heuſchrecken,
Ratten, Schlangen, ſchmeckt ihnen ſehr gut.
Faſt alle Speiſen werden bey ihnen, ſchon in
kleine Stuͤcke geſchnitten, auf den Tiſch ge-
bracht. Meſſer, Loͤffel und Gabel ſind Dinge
die ſie nicht gebrauchen: dagegen aber bedienen
ſie ſich bey ihrem Speiſen zwey kleiner Spießgen,
womit ſie die Speiſen auf eine geſchickte Art
wiſſen anzuruͤhren. Sehr ſonderbar und wider
allen Gebrauch der Morgenlaͤnder, iſt es, daß
die Chineſer ſich nicht auf die Erde ſondern auf
hohe Stuͤhle ſetzen. — Ein jeder Gaſt hat
vor ſich einen kleinen Tiſch ſtehen, worauf ei-
nige Schuͤſſeln geſetzt ſind, je nach dem das Trak-
tament groß oder klein ſeyn ſoll. — Ueber Ti-
ſche pflegen ſie gewoͤhnlicherweiſe Thee zu trin-
ken. Dieſer muß aber ſehr heiß ſeyn, wenn
er ihnen ſchmecken ſoll. Ueberhaupt muß man
wiſſen, daß die Chineſer warm trinken und
kalt eſſen. Des Weins enthalten ſie ſich nach
ihren Geſetzen: dagegen aber halten ſie ſich durch
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/225>, abgerufen am 24.11.2024.
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