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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Hauptbeschreibung ersten Theils siebendes Buch.
[Spaltenumbruch] "sich bemühet Oel zu machen. Es hät-
"ten nur die Lichtzieher die Briefe von
"ihrer Vereinigung auch anführen kön-
"nen, gleichwie sie die Statuta de anno
"1396. angeführet, so würde sichs ge-
"wiesen haben, daß die rationes dieser
"Vereinigung nicht zureicheten, ihnen
"den Verkauff des Baumöls zu vergön-
"nen." Es ist auch ein Urthel, diesem
Berichte gleichlautend, ergangen.

Dennoch hat man, welches fast un-
glaublich, nach diesem erfahren müssen,
wie diese Leute einen Gebrauch, oder
vielmehr einen Mißbrauch, beym Ver-
kauff der andern Oele einzuführen ver-
mocht, und zwar nicht allein unter ih-
nen selbst, sondern auch unter den Spe-
zereyhändlern, denen sie Gesetze aufzu-
bürden gewust, da sie doch vielmehr von
den Kauffleuten solten Gesetze empfan-
gen, indem sie von diesen fast täglich mit
allerley Seiffe, Baum wolle und andern
dergleichen Waaren, die sie zu ihrer
Handthierung von nöthen haben, oder
eintzeln verkauffen, versehen werden.
Denn, ohnerachtet ihnen alle diese Sa-
chen nach dem Gewichte verkauffet wer-
den, wie sie denn dieselben gleichfalls
selbst also verkauffen, es sey nun eintzeln,
oder wenn sie vorher dieselben zugerich-
tet haben, so wollen sie doch durchaus
das Oel nicht anderst verkauffen, als
nach dem Maas, können auch nicht lei-
den, daß es die Spezereyhändler auf an-
dere Weise verkauffen. Jch habe nie-
mahls begreiffen können, aus was Ur-
sache solches geschehe, allein ich weiß aus
der Erfahrung, daß das gemeine Wesen
nicht wenig darunter leide, sich auch ie-
derman heftig über diese Gewohnheit
beschwere, anbey solches der Bosheit
oder der Nachläßigkeit des Verkäuffers
zuschreibe, als welcher gar leichtlich dem
Käuffer geben könte, wenn er sich nur
des Gewichtes bedienete; da es hinge-
gen unmöglich anders seyn kan, oder
dieser muß bey dem Messen bevortheilet
werden. Denn es ist ja in Wahrheit
augenscheinlich und offenbar, daß das
Oel, als ein von Natur fett- und kle-
brichtes Wesen, sich an die Gefässe, die
es enthalten, hänge, und allezeit ein
ziemlicher Theil desselben darinne ver-
bleibe, insonderheit, wenn es von der
Kälte oder anderer Beschaffenheit des
[Spaltenumbruch] Wetters, auch wohl wegen seiner eige-
nen Natur, gestehet, gelieffert, und nicht
abrinnen kan. Wie ich dann unzehliche
mahl beobachtet, daß den Leuten un-
möglich soviel Oel, als sie verlanget, kun-
te gegeben werden, wenn man die von
den Lichtziehern eingeführete Maase ge-
brauchet, die Leute zu betrügen: dahin-
gegen nichts so billich ist, als wenn das
Oel, alles und iedes, wie wir es mit dem
Baumöle und etlichen andern zu ma-
chen pflegen, nach dem Gewichte ver-
kauffet wird, es sey hernach zu welcher
Zeit es wolle, der Käuffer habe ein ledi-
ges Gefäß oder nicht. Denn, wennTara heißt,
wenn man
das Gefäß in
die eine, und
eben so viel
Gewichte in
die andere
Wagschale
leget, bis sie
wagrecht ste-
hen.

man die Tara von dem Gefäß abgezoge,
thut man darauf soviel Oel, als der Käuf-
fer begehret, ohne den allergeringsten
Abgang, drein, und solcher Gestalt wird
dem gemeinen Wesen viel besser gedie-
net, so dürffen auch die Spezereyhänd-
ler ihr Gewissen nicht also beflecken, als
wenn sie dreyviertheil Pfund statt eines
gantzen geben. Dieses ist gewiß und
wahrhaftig: massen ich eine Bescheini-
gung in Händen habe, welche mehr denn
100. Kauffleute, alte und junge, deren
Aufrichtigkeit männiglich bekannt, ei-
genhändig unterschrieben, und darinne
mit einander bekennen, wie sie, wider
ihren Willen, die Leute betrügen mü-
sten, weil ihnen nicht frey stehe, sich des
Gewichtes zu gebrauchen, indem es den
Spezereyhändlern ofters mit Gewalt
von den Lichtziehern weggenommen
würde, damit sie den Gebrauch, oder
besser zu sagen den Mißbrauch der
Maase möchten in die Höhe bringen.
Welchem Unfug abzuhelffen die Obrig-
keit schuldigster massen ersuchet und ge-
beten wird. Denn es liegt dem gemei-
nen Wesen hieran eben so viel, ja noch
mehr, als wann das Nußöl und andere,
die zur Artzney, oder auch wohl gar
zum Essen gebrauchet werden, vermi-
schet, oder mit einem häßlichen Ge-
schmack und unerträglichen Gestanck
nach Fischthran vergiftet befunden wer-
den, vor allen aber das Holländische:
wie denn auch sonsten, blos wegen der
Maase, vielerley kostbare Arbeit, als
da ist, Buch- und Kupferdruckerarbeit,
Mahlerey, und dergleichen zu schanden
gehen müssen.

[Ende Spaltensatz]
Das

Hauptbeſchreibung erſten Theils ſiebendes Buch.
[Spaltenumbruch] „ſich bemuͤhet Oel zu machen. Es haͤt-
„ten nur die Lichtzieher die Briefe von
„ihrer Vereinigung auch anfuͤhꝛen koͤn-
„nen, gleichwie ſie die Statuta de anno
„1396. angefuͤhret, ſo wuͤrde ſichs ge-
„wieſen haben, daß die rationes dieſer
„Vereinigung nicht zureicheten, ihnen
„den Verkauff des Baumoͤls zu veꝛgoͤn-
„nen.„ Es iſt auch ein Urthel, dieſem
Berichte gleichlautend, ergangen.

Dennoch hat man, welches faſt un-
glaublich, nach dieſem erfahren muͤſſen,
wie dieſe Leute einen Gebrauch, oder
vielmehr einen Mißbrauch, beym Ver-
kauff der andern Oele einzufuͤhren ver-
mocht, und zwar nicht allein unter ih-
nen ſelbſt, ſondern auch unter den Spe-
zereyhaͤndlern, denen ſie Geſetze aufzu-
buͤrden gewuſt, da ſie doch vielmehr von
den Kauffleuten ſolten Geſetze empfan-
gen, indem ſie von dieſen faſt taͤglich mit
allerley Seiffe, Baum wolle und andern
dergleichen Waaren, die ſie zu ihrer
Handthierung von noͤthen haben, oder
eintzeln verkauffen, verſehen werden.
Denn, ohnerachtet ihnen alle dieſe Sa-
chen nach dem Gewichte verkauffet wer-
den, wie ſie denn dieſelben gleichfalls
ſelbſt alſo verkauffen, es ſey nun eintzeln,
oder wenn ſie vorher dieſelben zugerich-
tet haben, ſo wollen ſie doch durchaus
das Oel nicht anderſt verkauffen, als
nach dem Maas, koͤnnen auch nicht lei-
den, daß es die Spezereyhaͤndler auf an-
dere Weiſe verkauffen. Jch habe nie-
mahls begreiffen koͤnnen, aus was Ur-
ſache ſolches geſchehe, allein ich weiß aus
der Erfahrung, daß das gemeine Weſen
nicht wenig darunter leide, ſich auch ie-
derman heftig uͤber dieſe Gewohnheit
beſchwere, anbey ſolches der Bosheit
oder der Nachlaͤßigkeit des Verkaͤuffers
zuſchreibe, als welcher gar leichtlich dem
Kaͤuffer geben koͤnte, wenn er ſich nur
des Gewichtes bedienete; da es hinge-
gen unmoͤglich anders ſeyn kan, oder
dieſer muß bey dem Meſſen bevortheilet
werden. Denn es iſt ja in Wahrheit
augenſcheinlich und offenbar, daß das
Oel, als ein von Natur fett- und kle-
brichtes Weſen, ſich an die Gefaͤſſe, die
es enthalten, haͤnge, und allezeit ein
ziemlicher Theil deſſelben darinne ver-
bleibe, inſonderheit, wenn es von der
Kaͤlte oder anderer Beſchaffenheit des
[Spaltenumbruch] Wetters, auch wohl wegen ſeiner eige-
nen Natur, geſtehet, gelieffert, und nicht
abrinnen kan. Wie ich dann unzehliche
mahl beobachtet, daß den Leuten un-
moͤglich ſoviel Oel, als ſie verlanget, kun-
te gegeben werden, wenn man die von
den Lichtziehern eingefuͤhrete Maaſe ge-
brauchet, die Leute zu betruͤgen: dahin-
gegen nichts ſo billich iſt, als wenn das
Oel, alles und iedes, wie wir es mit dem
Baumoͤle und etlichen andern zu ma-
chen pflegen, nach dem Gewichte ver-
kauffet wird, es ſey hernach zu welcher
Zeit es wolle, der Kaͤuffer habe ein ledi-
ges Gefaͤß oder nicht. Denn, wennTara heißt,
wenn man
das Gefaͤß in
die eine, und
eben ſo viel
Gewichte in
die andere
Wagſchale
leget, bis ſie
wagrecht ſte-
hen.

man die Tara von dem Gefaͤß abgezoge,
thut man darauf ſoviel Oel, als der Kaͤuf-
fer begehret, ohne den allergeringſten
Abgang, drein, und ſolcher Geſtalt wird
dem gemeinen Weſen viel beſſer gedie-
net, ſo duͤrffen auch die Spezereyhaͤnd-
ler ihr Gewiſſen nicht alſo beflecken, als
wenn ſie dreyviertheil Pfund ſtatt eines
gantzen geben. Dieſes iſt gewiß und
wahrhaftig: maſſen ich eine Beſcheini-
gung in Haͤnden habe, welche mehr denn
100. Kauffleute, alte und junge, deren
Aufrichtigkeit maͤnniglich bekannt, ei-
genhaͤndig unterſchrieben, und darinne
mit einander bekennen, wie ſie, wider
ihren Willen, die Leute betruͤgen muͤ-
ſten, weil ihnen nicht frey ſtehe, ſich des
Gewichtes zu gebrauchen, indem es den
Spezereyhaͤndlern ofters mit Gewalt
von den Lichtziehern weggenommen
wuͤrde, damit ſie den Gebrauch, oder
beſſer zu ſagen den Mißbrauch der
Maaſe moͤchten in die Hoͤhe bringen.
Welchem Unfug abzuhelffen die Obrig-
keit ſchuldigſter maſſen erſuchet und ge-
beten wird. Denn es liegt dem gemei-
nen Weſen hieran eben ſo viel, ja noch
mehr, als wann das Nußoͤl und andere,
die zur Artzney, oder auch wohl gar
zum Eſſen gebrauchet werden, vermi-
ſchet, oder mit einem haͤßlichen Ge-
ſchmack und unertraͤglichen Geſtanck
nach Fiſchthran veꝛgiftet befunden wer-
den, vor allen aber das Hollaͤndiſche:
wie denn auch ſonſten, blos wegen der
Maaſe, vielerley koſtbare Arbeit, als
da iſt, Buch- und Kupferdruckerarbeit,
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gehen muͤſſen.

[Ende Spaltensatz]
Das
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[0263] Hauptbeſchreibung erſten Theils ſiebendes Buch. „ſich bemuͤhet Oel zu machen. Es haͤt- „ten nur die Lichtzieher die Briefe von „ihrer Vereinigung auch anfuͤhꝛen koͤn- „nen, gleichwie ſie die Statuta de anno „1396. angefuͤhret, ſo wuͤrde ſichs ge- „wieſen haben, daß die rationes dieſer „Vereinigung nicht zureicheten, ihnen „den Verkauff des Baumoͤls zu veꝛgoͤn- „nen.„ Es iſt auch ein Urthel, dieſem Berichte gleichlautend, ergangen. Dennoch hat man, welches faſt un- glaublich, nach dieſem erfahren muͤſſen, wie dieſe Leute einen Gebrauch, oder vielmehr einen Mißbrauch, beym Ver- kauff der andern Oele einzufuͤhren ver- mocht, und zwar nicht allein unter ih- nen ſelbſt, ſondern auch unter den Spe- zereyhaͤndlern, denen ſie Geſetze aufzu- buͤrden gewuſt, da ſie doch vielmehr von den Kauffleuten ſolten Geſetze empfan- gen, indem ſie von dieſen faſt taͤglich mit allerley Seiffe, Baum wolle und andern dergleichen Waaren, die ſie zu ihrer Handthierung von noͤthen haben, oder eintzeln verkauffen, verſehen werden. Denn, ohnerachtet ihnen alle dieſe Sa- chen nach dem Gewichte verkauffet wer- den, wie ſie denn dieſelben gleichfalls ſelbſt alſo verkauffen, es ſey nun eintzeln, oder wenn ſie vorher dieſelben zugerich- tet haben, ſo wollen ſie doch durchaus das Oel nicht anderſt verkauffen, als nach dem Maas, koͤnnen auch nicht lei- den, daß es die Spezereyhaͤndler auf an- dere Weiſe verkauffen. Jch habe nie- mahls begreiffen koͤnnen, aus was Ur- ſache ſolches geſchehe, allein ich weiß aus der Erfahrung, daß das gemeine Weſen nicht wenig darunter leide, ſich auch ie- derman heftig uͤber dieſe Gewohnheit beſchwere, anbey ſolches der Bosheit oder der Nachlaͤßigkeit des Verkaͤuffers zuſchreibe, als welcher gar leichtlich dem Kaͤuffer geben koͤnte, wenn er ſich nur des Gewichtes bedienete; da es hinge- gen unmoͤglich anders ſeyn kan, oder dieſer muß bey dem Meſſen bevortheilet werden. Denn es iſt ja in Wahrheit augenſcheinlich und offenbar, daß das Oel, als ein von Natur fett- und kle- brichtes Weſen, ſich an die Gefaͤſſe, die es enthalten, haͤnge, und allezeit ein ziemlicher Theil deſſelben darinne ver- bleibe, inſonderheit, wenn es von der Kaͤlte oder anderer Beſchaffenheit des Wetters, auch wohl wegen ſeiner eige- nen Natur, geſtehet, gelieffert, und nicht abrinnen kan. Wie ich dann unzehliche mahl beobachtet, daß den Leuten un- moͤglich ſoviel Oel, als ſie verlanget, kun- te gegeben werden, wenn man die von den Lichtziehern eingefuͤhrete Maaſe ge- brauchet, die Leute zu betruͤgen: dahin- gegen nichts ſo billich iſt, als wenn das Oel, alles und iedes, wie wir es mit dem Baumoͤle und etlichen andern zu ma- chen pflegen, nach dem Gewichte ver- kauffet wird, es ſey hernach zu welcher Zeit es wolle, der Kaͤuffer habe ein ledi- ges Gefaͤß oder nicht. Denn, wenn man die Tara von dem Gefaͤß abgezoge, thut man darauf ſoviel Oel, als der Kaͤuf- fer begehret, ohne den allergeringſten Abgang, drein, und ſolcher Geſtalt wird dem gemeinen Weſen viel beſſer gedie- net, ſo duͤrffen auch die Spezereyhaͤnd- ler ihr Gewiſſen nicht alſo beflecken, als wenn ſie dreyviertheil Pfund ſtatt eines gantzen geben. Dieſes iſt gewiß und wahrhaftig: maſſen ich eine Beſcheini- gung in Haͤnden habe, welche mehr denn 100. Kauffleute, alte und junge, deren Aufrichtigkeit maͤnniglich bekannt, ei- genhaͤndig unterſchrieben, und darinne mit einander bekennen, wie ſie, wider ihren Willen, die Leute betruͤgen muͤ- ſten, weil ihnen nicht frey ſtehe, ſich des Gewichtes zu gebrauchen, indem es den Spezereyhaͤndlern ofters mit Gewalt von den Lichtziehern weggenommen wuͤrde, damit ſie den Gebrauch, oder beſſer zu ſagen den Mißbrauch der Maaſe moͤchten in die Hoͤhe bringen. Welchem Unfug abzuhelffen die Obrig- keit ſchuldigſter maſſen erſuchet und ge- beten wird. Denn es liegt dem gemei- nen Weſen hieran eben ſo viel, ja noch mehr, als wann das Nußoͤl und andere, die zur Artzney, oder auch wohl gar zum Eſſen gebrauchet werden, vermi- ſchet, oder mit einem haͤßlichen Ge- ſchmack und unertraͤglichen Geſtanck nach Fiſchthran veꝛgiftet befunden wer- den, vor allen aber das Hollaͤndiſche: wie denn auch ſonſten, blos wegen der Maaſe, vielerley koſtbare Arbeit, als da iſt, Buch- und Kupferdruckerarbeit, Mahlerey, und dergleichen zu ſchanden gehen muͤſſen. Tara heißt, wenn man das Gefaͤß in die eine, und eben ſo viel Gewichte in die andere Wagſchale leget, bis ſie wagrecht ſte- hen. Das

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/263>, abgerufen am 23.11.2024.