Händler hinterbringen konnte, ein Stellenbesitzer habe sich neulich aufgehängt, weil ihm die Gläubiger die Kuh aus dem Stalle weggepfändet hatten.
Kaschelernst schien alle Leute in der Runde zu kennen und über die Verhältnisse von allen Bescheid zu wissen. Harrasso¬ witz lauschte mit größtem Interesse, ja mit einer gewissen Andacht, als verkünde jener ein Evangelium, wenn er erklärte: der Bauer Soundso werde sich nicht länger, als höchstens noch zwei Jahre halten, oder der und der sei durchaus kreditfähig, da er einer sicheren Erbschaft entgegensehe.
Man hatte bereits mehrere Glas von dem Kümmel ver¬ tilgt, welcher dem Händler zu schmecken schien.
Endlich schien Harrassowitz genug Weisheit eingesogen zu haben, er erhob sich. Er habe noch einen kleinen Gang in's Dorf vor, erklärte er.
"So, so!" meinte Kaschelernst. "Hier in Halbenau is doch jetzt nischt zu machen für Sie."
"Ach doch! -- Ich will mir mal n ansehen."
Kaschelernst spitzte die Ohren. Aber beileibe wollte er sich keine Neugier anmerken lassen. "Welches denne?" fragte er scheinbar nebenhin.
Sam that, als habe er die Frage überhört. "Es soll ein schönes Gut sein," meinte er, "Felder, Wiesen, alles prima! Auch die Gebäude im Stande. Natürlich sind tüchtige Schul¬ den drauf. Die Bauern sind ja alle verschuldet. Ich will mir's mal besehen," damit wollte er gehen.
"Daß Sie sich nur nicht verlaufen in Halbenau, Harrasso¬ witz!" sagte Kaschel, ihm folgend. "Hier giebt's viele Güter, große und kleene. Zu wem wollen Se denne?"
"Auf das Büttnersche!"
Kaschelernst zuckte mit keiner Wimper, als er den Namen seines Schwagers hörte. Harrassowitz fixierte ihn scharf. "Kennen Sie das Gut? Ich interessiere mich dafür."
Der Wirt zuckte die Achseln und nahm eine geheimnis¬ volle Miene an. Er dürfe nichts sagen, meinte er, der Be¬ sitzer sei sein Schwager.
Händler hinterbringen konnte, ein Stellenbeſitzer habe ſich neulich aufgehängt, weil ihm die Gläubiger die Kuh aus dem Stalle weggepfändet hatten.
Kaſchelernſt ſchien alle Leute in der Runde zu kennen und über die Verhältniſſe von allen Beſcheid zu wiſſen. Harraſſo¬ witz lauſchte mit größtem Intereſſe, ja mit einer gewiſſen Andacht, als verkünde jener ein Evangelium, wenn er erklärte: der Bauer Soundſo werde ſich nicht länger, als höchſtens noch zwei Jahre halten, oder der und der ſei durchaus kreditfähig, da er einer ſicheren Erbſchaft entgegenſehe.
Man hatte bereits mehrere Glas von dem Kümmel ver¬ tilgt, welcher dem Händler zu ſchmecken ſchien.
Endlich ſchien Harraſſowitz genug Weisheit eingeſogen zu haben, er erhob ſich. Er habe noch einen kleinen Gang in's Dorf vor, erklärte er.
„So, ſo!‟ meinte Kaſchelernſt. „Hier in Halbenau is doch jetzt niſcht zu machen für Sie.‟
„Ach doch! — Ich will mir mal n anſehen.‟
Kaſchelernſt ſpitzte die Ohren. Aber beileibe wollte er ſich keine Neugier anmerken laſſen. „Welches denne?‟ fragte er ſcheinbar nebenhin.
Sam that, als habe er die Frage überhört. „Es ſoll ein ſchönes Gut ſein,‟ meinte er, „Felder, Wieſen, alles prima! Auch die Gebäude im Stande. Natürlich ſind tüchtige Schul¬ den drauf. Die Bauern ſind ja alle verſchuldet. Ich will mir's mal beſehen,‟ damit wollte er gehen.
„Daß Sie ſich nur nicht verlaufen in Halbenau, Harraſſo¬ witz!“ ſagte Kaſchel, ihm folgend. „Hier giebt's viele Güter, große und kleene. Zu wem wollen Se denne?‟
„Auf das Büttnerſche!‟
Kaſchelernſt zuckte mit keiner Wimper, als er den Namen ſeines Schwagers hörte. Harraſſowitz fixierte ihn ſcharf. „Kennen Sie das Gut? Ich intereſſiere mich dafür.‟
Der Wirt zuckte die Achſeln und nahm eine geheimnis¬ volle Miene an. Er dürfe nichts ſagen, meinte er, der Be¬ ſitzer ſei ſein Schwager.
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Händler hinterbringen konnte, ein Stellenbeſitzer habe ſich neulich
aufgehängt, weil ihm die Gläubiger die Kuh aus dem Stalle
weggepfändet hatten.
Kaſchelernſt ſchien alle Leute in der Runde zu kennen und
über die Verhältniſſe von allen Beſcheid zu wiſſen. Harraſſo¬
witz lauſchte mit größtem Intereſſe, ja mit einer gewiſſen
Andacht, als verkünde jener ein Evangelium, wenn er erklärte:
der Bauer Soundſo werde ſich nicht länger, als höchſtens noch
zwei Jahre halten, oder der und der ſei durchaus kreditfähig,
da er einer ſicheren Erbſchaft entgegenſehe.
Man hatte bereits mehrere Glas von dem Kümmel ver¬
tilgt, welcher dem Händler zu ſchmecken ſchien.
Endlich ſchien Harraſſowitz genug Weisheit eingeſogen zu
haben, er erhob ſich. Er habe noch einen kleinen Gang in's
Dorf vor, erklärte er.
„So, ſo!‟ meinte Kaſchelernſt. „Hier in Halbenau is
doch jetzt niſcht zu machen für Sie.‟
„Ach doch! — Ich will mir mal n anſehen.‟
Kaſchelernſt ſpitzte die Ohren. Aber beileibe wollte er
ſich keine Neugier anmerken laſſen. „Welches denne?‟ fragte
er ſcheinbar nebenhin.
Sam that, als habe er die Frage überhört. „Es ſoll ein
ſchönes Gut ſein,‟ meinte er, „Felder, Wieſen, alles prima!
Auch die Gebäude im Stande. Natürlich ſind tüchtige Schul¬
den drauf. Die Bauern ſind ja alle verſchuldet. Ich will
mir's mal beſehen,‟ damit wollte er gehen.
„Daß Sie ſich nur nicht verlaufen in Halbenau, Harraſſo¬
witz!“ ſagte Kaſchel, ihm folgend. „Hier giebt's viele Güter,
große und kleene. Zu wem wollen Se denne?‟
„Auf das Büttnerſche!‟
Kaſchelernſt zuckte mit keiner Wimper, als er den Namen
ſeines Schwagers hörte. Harraſſowitz fixierte ihn ſcharf. „Kennen
Sie das Gut? Ich intereſſiere mich dafür.‟
Der Wirt zuckte die Achſeln und nahm eine geheimnis¬
volle Miene an. Er dürfe nichts ſagen, meinte er, der Be¬
ſitzer ſei ſein Schwager.
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/99>, abgerufen am 16.07.2024.
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