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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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"Ihr Schwager, Herr Kaschel!" rief der Händler, mit gut
geheucheltem Erstaunen. "Das ist mir ja hochinteressant zu
hören! Ich habe dem Manne nämlich Geld verschafft. Das
ist mir sehr lieb, daß Sie mit ihm verwandt sind; sehr lieb
ist mir das! Nun ist mir der Bauer noch einmal so viel
wert, denn Sie werden Ihren Schwager doch nicht sitzen lassen
in der Patsche -- was?"

Kaschelernst machte ein ganz dummes Gesicht. Es war
so dumm, daß man die Pfiffigkeit, die sich dahinter verbarg,
leicht merkte. Der Händler lachte hell heraus, und der Wirt
stimmte ein. Sie hatten einander wiedermal erkannt, die
beiden Biedermänner.

"Na, ich will mir's mal ansehen, das Gut Ihres Herrn
Schwagers," sagte Harrassowitz, ließ sich den Weg beschreiben
und schritt dann die Dorfstraße hinab.


Sam näherte sich dem Büttnerschen Hofe. Mit prüfen¬
dem Blicke musterte er zunächst die Baulichkeiten. Wohnhaus:
Fachwerkbau mit Ziegeldach, konstatierte er. Ställe und Scheune:
nur Strohbedachung. Übrigens schien alles recht gut in Schuß
und wohlgepflegt. Ganz heruntergekommen war der Bauer
also noch nicht.

Der Händler trat durch die offene Thür in den Hausflur
und klopfte an die Wohnstubenthür. Er traf nur die Bäuerin
an, die am Wiegekorbe stand und ihr jüngstes Enkelchen in
den Schlaf wiegte.

Die alte Frau sah den Fremden mit offenstehendem Munde
an. Sam trat mit leutseliger Miene auf sie zu und erklärte
ihr, er sei ein Geschäftsfreund des Herrn Gutsbesitzers Büttner,
und er habe sich immer schon die Besitzung einmal ansehen
wollen.

Der Bäuerin imponierte der Aufzug des Fremden, vor
allem eine blitzende Nadel in der Kravatte stach ihr in die
Augen -- von Similibrillanten ahnte die gute Frau freilich
nichts. -- Was ihr Mann doch für vornehme Bekannte hatte

„Ihr Schwager, Herr Kaſchel!“ rief der Händler, mit gut
geheucheltem Erſtaunen. „Das iſt mir ja hochintereſſant zu
hören! Ich habe dem Manne nämlich Geld verſchafft. Das
iſt mir ſehr lieb, daß Sie mit ihm verwandt ſind; ſehr lieb
iſt mir das! Nun iſt mir der Bauer noch einmal ſo viel
wert, denn Sie werden Ihren Schwager doch nicht ſitzen laſſen
in der Patſche — was?“

Kaſchelernſt machte ein ganz dummes Geſicht. Es war
ſo dumm, daß man die Pfiffigkeit, die ſich dahinter verbarg,
leicht merkte. Der Händler lachte hell heraus, und der Wirt
ſtimmte ein. Sie hatten einander wiedermal erkannt, die
beiden Biedermänner.

„Na, ich will mir's mal anſehen, das Gut Ihres Herrn
Schwagers,“ ſagte Harraſſowitz, ließ ſich den Weg beſchreiben
und ſchritt dann die Dorfſtraße hinab.


Sam näherte ſich dem Büttnerſchen Hofe. Mit prüfen¬
dem Blicke muſterte er zunächſt die Baulichkeiten. Wohnhaus:
Fachwerkbau mit Ziegeldach, konſtatierte er. Ställe und Scheune:
nur Strohbedachung. Übrigens ſchien alles recht gut in Schuß
und wohlgepflegt. Ganz heruntergekommen war der Bauer
alſo noch nicht.

Der Händler trat durch die offene Thür in den Hausflur
und klopfte an die Wohnſtubenthür. Er traf nur die Bäuerin
an, die am Wiegekorbe ſtand und ihr jüngſtes Enkelchen in
den Schlaf wiegte.

Die alte Frau ſah den Fremden mit offenſtehendem Munde
an. Sam trat mit leutſeliger Miene auf ſie zu und erklärte
ihr, er ſei ein Geſchäftsfreund des Herrn Gutsbeſitzers Büttner,
und er habe ſich immer ſchon die Beſitzung einmal anſehen
wollen.

Der Bäuerin imponierte der Aufzug des Fremden, vor
allem eine blitzende Nadel in der Kravatte ſtach ihr in die
Augen — von Similibrillanten ahnte die gute Frau freilich
nichts. — Was ihr Mann doch für vornehme Bekannte hatte

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[86/0100] „Ihr Schwager, Herr Kaſchel!“ rief der Händler, mit gut geheucheltem Erſtaunen. „Das iſt mir ja hochintereſſant zu hören! Ich habe dem Manne nämlich Geld verſchafft. Das iſt mir ſehr lieb, daß Sie mit ihm verwandt ſind; ſehr lieb iſt mir das! Nun iſt mir der Bauer noch einmal ſo viel wert, denn Sie werden Ihren Schwager doch nicht ſitzen laſſen in der Patſche — was?“ Kaſchelernſt machte ein ganz dummes Geſicht. Es war ſo dumm, daß man die Pfiffigkeit, die ſich dahinter verbarg, leicht merkte. Der Händler lachte hell heraus, und der Wirt ſtimmte ein. Sie hatten einander wiedermal erkannt, die beiden Biedermänner. „Na, ich will mir's mal anſehen, das Gut Ihres Herrn Schwagers,“ ſagte Harraſſowitz, ließ ſich den Weg beſchreiben und ſchritt dann die Dorfſtraße hinab. Sam näherte ſich dem Büttnerſchen Hofe. Mit prüfen¬ dem Blicke muſterte er zunächſt die Baulichkeiten. Wohnhaus: Fachwerkbau mit Ziegeldach, konſtatierte er. Ställe und Scheune: nur Strohbedachung. Übrigens ſchien alles recht gut in Schuß und wohlgepflegt. Ganz heruntergekommen war der Bauer alſo noch nicht. Der Händler trat durch die offene Thür in den Hausflur und klopfte an die Wohnſtubenthür. Er traf nur die Bäuerin an, die am Wiegekorbe ſtand und ihr jüngſtes Enkelchen in den Schlaf wiegte. Die alte Frau ſah den Fremden mit offenſtehendem Munde an. Sam trat mit leutſeliger Miene auf ſie zu und erklärte ihr, er ſei ein Geſchäftsfreund des Herrn Gutsbeſitzers Büttner, und er habe ſich immer ſchon die Beſitzung einmal anſehen wollen. Der Bäuerin imponierte der Aufzug des Fremden, vor allem eine blitzende Nadel in der Kravatte ſtach ihr in die Augen — von Similibrillanten ahnte die gute Frau freilich nichts. — Was ihr Mann doch für vornehme Bekannte hatte

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/100>, abgerufen am 23.11.2024.