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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Willen versteifen, wenn Sie auf diesen Vorschlag hier nicht
eingehen, werden Sie sich nicht halten können auf Ihrem Gute."

Jetzt hielt sich der Bauer nicht länger. "Ich ho mich
gehalen dreißig Juhre lang, dar Herrschaft zun Trotze! Mich
wardt er ne uffrassen, wiet'r ringsrim alles ufgefrassen hoat,
mich ne! Wenn der Pauer alle wird, wer is 'n dran schuld,
wenn ne die Rittergitter? Auf uns Pauern hackt a alles ei, de
Beamten wie der Edelmann. Nu solln mer och noch 's latzte
Bissel hergahn, dos mer hoan. Vun Haus und Hof mechten
se uns rungertreiba, alles mechten se schlucken, bis mir gar
an Bettelstabe sein. Dazumal, als se teelten -- regulieren
thaten se's heeßen -- 's is nu schun an Hardel Jahre har,
mei Vater selch hot mer's derzahlt -- do hat mei Grußvater an
dritten Teel vun Gutte hergahn missen, an's Rittergut. Und
hernachen wor's immer no nich genug. Do mußte mei Vater
selch no ane Rente abzahlen, wie viele Juhre durch! -- Nu
sollt ees denka, mer wär' frei gewurn, weil mer an Hofedienst
und a Fronde los sen. Aber ne! nu kimmt a Edelmann su
vun hinten rim und mechte unsereenem 's Gut abluchsen. Aber,
da giebt's nischt! Mir Pauern sein och nich mehr so tumm.
Mir sein a nimmer de Unterthanen mih vun an gnädgen Herrn.
Wenn mir ne wullen, do brauchen mer ne! Zun verkefen kann
mich keener ne zwingen, och der Graf ne!"

Der Hauptmann hatte diesen Ausbruch bäuerlichen Selbst¬
bewußtseins mit Verständnis und Teilnahme angehört. Sowie
ihn der alte Mann zu Worte kommen ließ, sagte er: "Ich
kann das alles mit Ihnen fühlen, Büttner! Ich habe auch
einmal ein Gut besessen, ein schönes großes, vom Vater er¬
erbtes Rittergut. Ich habe den Grund und Boden, auf dem
ich geboren war, lieb gehabt, so gut wie Sie Ihr Gut lieben.
Genau wie Sie dachte ich damals. Aber die Verhältnisse sind
oft stärker, als unser Wille. Was will man machen! Ein
paar Mißernten und dann die Hypotheken, mein Lieber! die
Hypotheken! Das ist der zehrende Fraß, der den Grundbesitzer
vernichtet. Das ist schlimmer als Feuersbrunst, Hagel und
alle Ungewitter zusammen. Auf überschuldetem Grunde sitzen,

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 5

Willen verſteifen, wenn Sie auf dieſen Vorſchlag hier nicht
eingehen, werden Sie ſich nicht halten können auf Ihrem Gute.“

Jetzt hielt ſich der Bauer nicht länger. „Ich ho mich
gehalen dreißig Juhre lang, dar Herrſchaft zun Trotze! Mich
wardt er ne uffraſſen, wiet'r ringsrim alles ufgefraſſen hoat,
mich ne! Wenn der Pauer alle wird, wer is 'n dran ſchuld,
wenn ne die Rittergitter? Auf uns Pauern hackt a alles ei, de
Beamten wie der Edelmann. Nu ſolln mer och noch 's latzte
Biſſel hergahn, dos mer hoan. Vun Haus und Hof mechten
ſe uns rungertreiba, alles mechten ſe ſchlucken, bis mir gar
an Bettelſtabe ſein. Dazumal, als ſe teelten — regulieren
thaten ſe's heeßen — 's is nu ſchun an Hardel Jahre har,
mei Vater ſelch hot mer's derzahlt — do hat mei Grußvater an
dritten Teel vun Gutte hergahn miſſen, an's Rittergut. Und
hernachen wor's immer no nich genug. Do mußte mei Vater
ſelch no ane Rente abzahlen, wie viele Juhre durch! — Nu
ſollt ees denka, mer wär' frei gewurn, weil mer an Hofedienſt
und a Fronde los ſen. Aber ne! nu kimmt a Edelmann ſu
vun hinten rim und mechte unſereenem 's Gut abluchſen. Aber,
da giebt's niſcht! Mir Pauern ſein och nich mehr ſo tumm.
Mir ſein a nimmer de Unterthanen mih vun an gnädgen Herrn.
Wenn mir ne wullen, do brauchen mer ne! Zun verkefen kann
mich keener ne zwingen, och der Graf ne!“

Der Hauptmann hatte dieſen Ausbruch bäuerlichen Selbſt¬
bewußtſeins mit Verſtändnis und Teilnahme angehört. Sowie
ihn der alte Mann zu Worte kommen ließ, ſagte er: „Ich
kann das alles mit Ihnen fühlen, Büttner! Ich habe auch
einmal ein Gut beſeſſen, ein ſchönes großes, vom Vater er¬
erbtes Rittergut. Ich habe den Grund und Boden, auf dem
ich geboren war, lieb gehabt, ſo gut wie Sie Ihr Gut lieben.
Genau wie Sie dachte ich damals. Aber die Verhältniſſe ſind
oft ſtärker, als unſer Wille. Was will man machen! Ein
paar Mißernten und dann die Hypotheken, mein Lieber! die
Hypotheken! Das iſt der zehrende Fraß, der den Grundbeſitzer
vernichtet. Das iſt ſchlimmer als Feuersbrunſt, Hagel und
alle Ungewitter zuſammen. Auf überſchuldetem Grunde ſitzen,

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 5
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[65/0079] Willen verſteifen, wenn Sie auf dieſen Vorſchlag hier nicht eingehen, werden Sie ſich nicht halten können auf Ihrem Gute.“ Jetzt hielt ſich der Bauer nicht länger. „Ich ho mich gehalen dreißig Juhre lang, dar Herrſchaft zun Trotze! Mich wardt er ne uffraſſen, wiet'r ringsrim alles ufgefraſſen hoat, mich ne! Wenn der Pauer alle wird, wer is 'n dran ſchuld, wenn ne die Rittergitter? Auf uns Pauern hackt a alles ei, de Beamten wie der Edelmann. Nu ſolln mer och noch 's latzte Biſſel hergahn, dos mer hoan. Vun Haus und Hof mechten ſe uns rungertreiba, alles mechten ſe ſchlucken, bis mir gar an Bettelſtabe ſein. Dazumal, als ſe teelten — regulieren thaten ſe's heeßen — 's is nu ſchun an Hardel Jahre har, mei Vater ſelch hot mer's derzahlt — do hat mei Grußvater an dritten Teel vun Gutte hergahn miſſen, an's Rittergut. Und hernachen wor's immer no nich genug. Do mußte mei Vater ſelch no ane Rente abzahlen, wie viele Juhre durch! — Nu ſollt ees denka, mer wär' frei gewurn, weil mer an Hofedienſt und a Fronde los ſen. Aber ne! nu kimmt a Edelmann ſu vun hinten rim und mechte unſereenem 's Gut abluchſen. Aber, da giebt's niſcht! Mir Pauern ſein och nich mehr ſo tumm. Mir ſein a nimmer de Unterthanen mih vun an gnädgen Herrn. Wenn mir ne wullen, do brauchen mer ne! Zun verkefen kann mich keener ne zwingen, och der Graf ne!“ Der Hauptmann hatte dieſen Ausbruch bäuerlichen Selbſt¬ bewußtſeins mit Verſtändnis und Teilnahme angehört. Sowie ihn der alte Mann zu Worte kommen ließ, ſagte er: „Ich kann das alles mit Ihnen fühlen, Büttner! Ich habe auch einmal ein Gut beſeſſen, ein ſchönes großes, vom Vater er¬ erbtes Rittergut. Ich habe den Grund und Boden, auf dem ich geboren war, lieb gehabt, ſo gut wie Sie Ihr Gut lieben. Genau wie Sie dachte ich damals. Aber die Verhältniſſe ſind oft ſtärker, als unſer Wille. Was will man machen! Ein paar Mißernten und dann die Hypotheken, mein Lieber! die Hypotheken! Das iſt der zehrende Fraß, der den Grundbeſitzer vernichtet. Das iſt ſchlimmer als Feuersbrunſt, Hagel und alle Ungewitter zuſammen. Auf überſchuldetem Grunde ſitzen, W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 5

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/79>, abgerufen am 25.11.2024.