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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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abäste, wirkte wie ein Peitschenhieb auf sein bereits hinläng¬
lich gereiztes Gemüt. Hochrot im Gesicht fuhr er auf und schrie
los: "Wullen Se mich etwan zum Narren halen! Kummen
Se und derzahlen mer vun a Wilde! Dos Ungeziefer frißt
unsereenen bale ganz uf. Geklogt ha'ch schun, aber hob 'ch
denn a Recht gekriegt? Fir uns Pauern giebt's ja keene Ge¬
rechtigkeit ne gegen de Grußen."

Grollend setzte er sich wieder auf seinen Platz, verschränkte
die Arme und sah den Fremden mit feindlichen Blicken an.

Der gräfliche Güterdirektor schien mit bäuerlichen Sitten
so weit vertraut zu sein, um zu diesem Zornesausbruch
lächeln zu können. Er meinte in beschwichtigendem Tone:
"Nur nicht gleich so hitzig, mein guter Büttner! Lassen Sie
mich Ihnen das mal in Ruhe erklären. Mein Graf will
einen Wildzaun anlegen längs der bäuerlichen Grenze, so
ein zwanzig Kilometer lang und mehr. Dadurch soll das
Übertreten des Wildes ganz verhindert werden. Aber, dazu
brauchen wir Ihren Wald, weil sonst eine Lücke entstehen
würde in dem Zaun, verstehen Sie! -- Also wie stehts, sind
wir handelseinig?" Der Hauptmann streckte bei diesen Worten
dem Alten die Hand hin. "Wenn es hierbei einen Vorteil
giebt, so liegt er ganz unbedingt auf Ihrer Seite, sollte ich
denken." --

Der Büttnerbauer preßte die Lippen auf einander, runzelte
die Stirn und blickte starr geradeaus, er vermied den Blick
des anderen, wie einer, der sich durch Überredungskünste nicht
irre machen lassen will. Gänzlich konnte er sich der Einsicht
ja nicht verschließen, daß ihm hier ein günstiges Angebot ge¬
macht wurde; aber das alt eingewurzelte, bei den meisten
Bauern tief eingefleischte Mißtrauen gegen alles, was von
Seiten der Herrschaft kommt, verhinderte ihn, nüchtern und
vorurteilsfrei zu erwägen.

"Sie sollten Ihren Frieden machen mit der Herrschaft,"
sagte Hauptmann Schroff, als ahne er, was in der Seele des
Alten vorgehe. "Vor allem da Sie es jetzt mit dem jungen
Grafen zu thun haben. Der Zwist, den Sie mit dem alten

abäſte, wirkte wie ein Peitſchenhieb auf ſein bereits hinläng¬
lich gereiztes Gemüt. Hochrot im Geſicht fuhr er auf und ſchrie
los: „Wullen Se mich etwan zum Narren halen! Kummen
Se und derzahlen mer vun a Wilde! Dos Ungeziefer frißt
unſereenen bale ganz uf. Geklogt ha'ch ſchun, aber hob 'ch
denn a Recht gekriegt? Fir uns Pauern giebt's ja keene Ge¬
rechtigkeit ne gegen de Grußen.“

Grollend ſetzte er ſich wieder auf ſeinen Platz, verſchränkte
die Arme und ſah den Fremden mit feindlichen Blicken an.

Der gräfliche Güterdirektor ſchien mit bäuerlichen Sitten
ſo weit vertraut zu ſein, um zu dieſem Zornesausbruch
lächeln zu können. Er meinte in beſchwichtigendem Tone:
„Nur nicht gleich ſo hitzig, mein guter Büttner! Laſſen Sie
mich Ihnen das mal in Ruhe erklären. Mein Graf will
einen Wildzaun anlegen längs der bäuerlichen Grenze, ſo
ein zwanzig Kilometer lang und mehr. Dadurch ſoll das
Übertreten des Wildes ganz verhindert werden. Aber, dazu
brauchen wir Ihren Wald, weil ſonſt eine Lücke entſtehen
würde in dem Zaun, verſtehen Sie! — Alſo wie ſtehts, ſind
wir handelseinig?“ Der Hauptmann ſtreckte bei dieſen Worten
dem Alten die Hand hin. „Wenn es hierbei einen Vorteil
giebt, ſo liegt er ganz unbedingt auf Ihrer Seite, ſollte ich
denken.“ —

Der Büttnerbauer preßte die Lippen auf einander, runzelte
die Stirn und blickte ſtarr geradeaus, er vermied den Blick
des anderen, wie einer, der ſich durch Überredungskünſte nicht
irre machen laſſen will. Gänzlich konnte er ſich der Einſicht
ja nicht verſchließen, daß ihm hier ein günſtiges Angebot ge¬
macht wurde; aber das alt eingewurzelte, bei den meiſten
Bauern tief eingefleiſchte Mißtrauen gegen alles, was von
Seiten der Herrſchaft kommt, verhinderte ihn, nüchtern und
vorurteilsfrei zu erwägen.

„Sie ſollten Ihren Frieden machen mit der Herrſchaft,“
ſagte Hauptmann Schroff, als ahne er, was in der Seele des
Alten vorgehe. „Vor allem da Sie es jetzt mit dem jungen
Grafen zu thun haben. Der Zwiſt, den Sie mit dem alten

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[63/0077] abäſte, wirkte wie ein Peitſchenhieb auf ſein bereits hinläng¬ lich gereiztes Gemüt. Hochrot im Geſicht fuhr er auf und ſchrie los: „Wullen Se mich etwan zum Narren halen! Kummen Se und derzahlen mer vun a Wilde! Dos Ungeziefer frißt unſereenen bale ganz uf. Geklogt ha'ch ſchun, aber hob 'ch denn a Recht gekriegt? Fir uns Pauern giebt's ja keene Ge¬ rechtigkeit ne gegen de Grußen.“ Grollend ſetzte er ſich wieder auf ſeinen Platz, verſchränkte die Arme und ſah den Fremden mit feindlichen Blicken an. Der gräfliche Güterdirektor ſchien mit bäuerlichen Sitten ſo weit vertraut zu ſein, um zu dieſem Zornesausbruch lächeln zu können. Er meinte in beſchwichtigendem Tone: „Nur nicht gleich ſo hitzig, mein guter Büttner! Laſſen Sie mich Ihnen das mal in Ruhe erklären. Mein Graf will einen Wildzaun anlegen längs der bäuerlichen Grenze, ſo ein zwanzig Kilometer lang und mehr. Dadurch ſoll das Übertreten des Wildes ganz verhindert werden. Aber, dazu brauchen wir Ihren Wald, weil ſonſt eine Lücke entſtehen würde in dem Zaun, verſtehen Sie! — Alſo wie ſtehts, ſind wir handelseinig?“ Der Hauptmann ſtreckte bei dieſen Worten dem Alten die Hand hin. „Wenn es hierbei einen Vorteil giebt, ſo liegt er ganz unbedingt auf Ihrer Seite, ſollte ich denken.“ — Der Büttnerbauer preßte die Lippen auf einander, runzelte die Stirn und blickte ſtarr geradeaus, er vermied den Blick des anderen, wie einer, der ſich durch Überredungskünſte nicht irre machen laſſen will. Gänzlich konnte er ſich der Einſicht ja nicht verſchließen, daß ihm hier ein günſtiges Angebot ge¬ macht wurde; aber das alt eingewurzelte, bei den meiſten Bauern tief eingefleiſchte Mißtrauen gegen alles, was von Seiten der Herrſchaft kommt, verhinderte ihn, nüchtern und vorurteilsfrei zu erwägen. „Sie ſollten Ihren Frieden machen mit der Herrſchaft,“ ſagte Hauptmann Schroff, als ahne er, was in der Seele des Alten vorgehe. „Vor allem da Sie es jetzt mit dem jungen Grafen zu thun haben. Der Zwiſt, den Sie mit dem alten

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/77>, abgerufen am 25.11.2024.