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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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in tiefen langgezogenen Tönen. Durch Klopfen und Zureden
brachte sein Herr ihn endlich dazu, die verdächtige Schwelle zu
überschreiten. "Das übrige besorge ich mir schon selbst; danke
Ihnen!" rief er dann und verschwand, seinem Tiere folgend,
in dem engen Pförtchen.

Bald darauf trat der alte Bauer in den Hof. Seine
Miene verriet Ärger. Er war schlechter Laune, daß man ihn
von der Arbeit abgerufen hatte. Ernestine erklärte ihm, daß
ein Herr zu Pferde da sei. Er sähe aus, wie einer vom Ritter¬
gute, meinte das Mädchen, welches, wie es schien, seine Augen zu
gebrauchen verstand. Die Laune des Alten verbesserte sich durch
diese Vermutung nicht. Er fluchte und rief den Töchtern zu,
ein andermal sollten sie solche Leute wegschicken.

Inzwischen kam der Fremde aus dem Stalle heraus, in
gebückter Haltung, um nicht an den Deckstein anzustoßen. Er
begrüßte den Bauern, der die Hände nicht aus den Taschen
nahm, mit Hutabnehmen und erklärte, er sei der neue Güter¬
direktor des Grafen, Hauptmann Schroff.

Der Büttnerbauer sah den Mann mit wenig freund¬
lichem Ausdruck an. Einer von der Herrschaft! Von der Seite
war ihm bisher niemals was Gutes gekommen.

Da der Bauer sich, wie es schien, nicht dazu herbeilassen
wollte, zu sprechen, fragte Hauptmann Schroff, ob er ins Haus
treten dürfe, er habe mit Herrn Büttner ein Wort unter vier
Augen zu reden.

Der alte Mann ging, statt zu antworten, auf sein Haus
zu. Der Hauptmann folgte.

Im Zimmer trafen sie die Bäuerin. "Frau gieh' naus!"
rief ihr der Bauer kurz angebunden zu. Der Fremde unter¬
ließ es nicht, sich bei der Frau zu entschuldigen, er habe Wich¬
tiges mit ihrem Eheherrn zu bereden.

Der Büttnerbauer hatte sich in seine Ecke gesetzt, und sah von
diesen Verließ aus mit mürrischer Miene, den Dingen entgegen,
die da kommen würden. Der Hauptmann holte sich einen Stuhl
herbei und setzte sich dem Alten gegenüber. Er schien das ab¬
lehnende Wesen des anderen absichtlich übersehen zu wollen.

in tiefen langgezogenen Tönen. Durch Klopfen und Zureden
brachte ſein Herr ihn endlich dazu, die verdächtige Schwelle zu
überſchreiten. „Das übrige beſorge ich mir ſchon ſelbſt; danke
Ihnen!“ rief er dann und verſchwand, ſeinem Tiere folgend,
in dem engen Pförtchen.

Bald darauf trat der alte Bauer in den Hof. Seine
Miene verriet Ärger. Er war ſchlechter Laune, daß man ihn
von der Arbeit abgerufen hatte. Erneſtine erklärte ihm, daß
ein Herr zu Pferde da ſei. Er ſähe aus, wie einer vom Ritter¬
gute, meinte das Mädchen, welches, wie es ſchien, ſeine Augen zu
gebrauchen verſtand. Die Laune des Alten verbeſſerte ſich durch
dieſe Vermutung nicht. Er fluchte und rief den Töchtern zu,
ein andermal ſollten ſie ſolche Leute wegſchicken.

Inzwiſchen kam der Fremde aus dem Stalle heraus, in
gebückter Haltung, um nicht an den Deckſtein anzuſtoßen. Er
begrüßte den Bauern, der die Hände nicht aus den Taſchen
nahm, mit Hutabnehmen und erklärte, er ſei der neue Güter¬
direktor des Grafen, Hauptmann Schroff.

Der Büttnerbauer ſah den Mann mit wenig freund¬
lichem Ausdruck an. Einer von der Herrſchaft! Von der Seite
war ihm bisher niemals was Gutes gekommen.

Da der Bauer ſich, wie es ſchien, nicht dazu herbeilaſſen
wollte, zu ſprechen, fragte Hauptmann Schroff, ob er ins Haus
treten dürfe, er habe mit Herrn Büttner ein Wort unter vier
Augen zu reden.

Der alte Mann ging, ſtatt zu antworten, auf ſein Haus
zu. Der Hauptmann folgte.

Im Zimmer trafen ſie die Bäuerin. „Frau gieh' naus!“
rief ihr der Bauer kurz angebunden zu. Der Fremde unter¬
ließ es nicht, ſich bei der Frau zu entſchuldigen, er habe Wich¬
tiges mit ihrem Eheherrn zu bereden.

Der Büttnerbauer hatte ſich in ſeine Ecke geſetzt, und ſah von
dieſen Verließ aus mit mürriſcher Miene, den Dingen entgegen,
die da kommen würden. Der Hauptmann holte ſich einen Stuhl
herbei und ſetzte ſich dem Alten gegenüber. Er ſchien das ab¬
lehnende Weſen des anderen abſichtlich überſehen zu wollen.

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[60/0074] in tiefen langgezogenen Tönen. Durch Klopfen und Zureden brachte ſein Herr ihn endlich dazu, die verdächtige Schwelle zu überſchreiten. „Das übrige beſorge ich mir ſchon ſelbſt; danke Ihnen!“ rief er dann und verſchwand, ſeinem Tiere folgend, in dem engen Pförtchen. Bald darauf trat der alte Bauer in den Hof. Seine Miene verriet Ärger. Er war ſchlechter Laune, daß man ihn von der Arbeit abgerufen hatte. Erneſtine erklärte ihm, daß ein Herr zu Pferde da ſei. Er ſähe aus, wie einer vom Ritter¬ gute, meinte das Mädchen, welches, wie es ſchien, ſeine Augen zu gebrauchen verſtand. Die Laune des Alten verbeſſerte ſich durch dieſe Vermutung nicht. Er fluchte und rief den Töchtern zu, ein andermal ſollten ſie ſolche Leute wegſchicken. Inzwiſchen kam der Fremde aus dem Stalle heraus, in gebückter Haltung, um nicht an den Deckſtein anzuſtoßen. Er begrüßte den Bauern, der die Hände nicht aus den Taſchen nahm, mit Hutabnehmen und erklärte, er ſei der neue Güter¬ direktor des Grafen, Hauptmann Schroff. Der Büttnerbauer ſah den Mann mit wenig freund¬ lichem Ausdruck an. Einer von der Herrſchaft! Von der Seite war ihm bisher niemals was Gutes gekommen. Da der Bauer ſich, wie es ſchien, nicht dazu herbeilaſſen wollte, zu ſprechen, fragte Hauptmann Schroff, ob er ins Haus treten dürfe, er habe mit Herrn Büttner ein Wort unter vier Augen zu reden. Der alte Mann ging, ſtatt zu antworten, auf ſein Haus zu. Der Hauptmann folgte. Im Zimmer trafen ſie die Bäuerin. „Frau gieh' naus!“ rief ihr der Bauer kurz angebunden zu. Der Fremde unter¬ ließ es nicht, ſich bei der Frau zu entſchuldigen, er habe Wich¬ tiges mit ihrem Eheherrn zu bereden. Der Büttnerbauer hatte ſich in ſeine Ecke geſetzt, und ſah von dieſen Verließ aus mit mürriſcher Miene, den Dingen entgegen, die da kommen würden. Der Hauptmann holte ſich einen Stuhl herbei und ſetzte ſich dem Alten gegenüber. Er ſchien das ab¬ lehnende Weſen des anderen abſichtlich überſehen zu wollen.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/74>, abgerufen am 26.11.2024.