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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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vor. Sie empfand eigentlich Lust, zu lachen. Darüber vergaß
sie ganz, zu antworten.

An ihrer Stelle übernahm die jüngere Schwester die Ver¬
mittelung dem Fremden gegenüber. Ernestine war die Gewecktere
und Lebhaftere von den beiden. Mit einigen kaum merklichen
Griffen hatte sie es verstanden, ihren allzuhoch aufgeschürzten
Rock herabzulassen, so daß wenigstens die von Mist beschmutz¬
ten Waden den Blicken des fremden Herrn entzogen waren.
Sie sagte -- und gab sich dabei Mühe, Hochdeutsch zu sprechen:

"Wenn Sie den Vater sprechen wollen, wir können ihn
rufen; sie sein nicht sehre weit."

Damit sprang sie behende von der Düngerstätte hinab
und lief zum oberen Thore. Dort blieb sie stehen, bildete mit
beiden Händen ein Schallrohr und rief: "Karle, gieh, sag's
ack den Vater, er mechte glei amal rei kimma. 's wäre ener
dohie, der mit'n raden wullte. . . . . Ich kann ne verstiehn! . . .
In ju! A Reiter. Mit an Pauer wullt ar raden soit ar."

Das Mädchen kam von ihrem Posten zurück. "Der
Bruder wird's 'n Pauern sagen" erklärte sie, "daß er rein¬
kommen soll." Darauf nahm sie die Mistgabel wieder zur
Hand.

Der Fremde dankte ihr. Er war inzwischen abgestiegen,
hatte dem Pferde die Zügel über den Kopf genommen, die
Bügel in die Steigriemen hinaufgezogen, und locker gegurtet,
mit Handgriffen, denen man die alte Übung und die Liebe für
das Tier ansehen konnte. Nun fragte er, ob er irgendwo
einstellen könne. Die Mädchen sahen sich eine Weile unschlüssig
an, dann erklärte Ernestine, im Kuhstalle sei noch ein Stand
frei. Sie lief auch sofort zum Stallgebäude und öffnete die
Thür.

Der Fremde folgte ihr, das Pferd am Zügel. Jetzt wo
er sich auf ebener Erde bewegte, kam erst die Größe und
Schlankheit seiner Figur zur Geltung.

Der Vollblüter scheute vor der niederen Thür und
dem Geruche, der aus dem Kuhstall drang. Mit fliegenden
Nüstern und gespitzten Ohren stand der Gaul da und schniefte

vor. Sie empfand eigentlich Luſt, zu lachen. Darüber vergaß
ſie ganz, zu antworten.

An ihrer Stelle übernahm die jüngere Schweſter die Ver¬
mittelung dem Fremden gegenüber. Erneſtine war die Gewecktere
und Lebhaftere von den beiden. Mit einigen kaum merklichen
Griffen hatte ſie es verſtanden, ihren allzuhoch aufgeſchürzten
Rock herabzulaſſen, ſo daß wenigſtens die von Miſt beſchmutz¬
ten Waden den Blicken des fremden Herrn entzogen waren.
Sie ſagte — und gab ſich dabei Mühe, Hochdeutſch zu ſprechen:

„Wenn Sie den Vater ſprechen wollen, wir können ihn
rufen; ſie ſein nicht ſehre weit.“

Damit ſprang ſie behende von der Düngerſtätte hinab
und lief zum oberen Thore. Dort blieb ſie ſtehen, bildete mit
beiden Händen ein Schallrohr und rief: „Karle, gieh, ſag's
ack den Vater, er mechte glei amal rei kimma. 's wäre ener
dohie, der mit'n raden wullte. . . . . Ich kann ne verſtiehn! . . .
In ju! A Reiter. Mit an Pauer wullt ar raden ſoit ar.“

Das Mädchen kam von ihrem Poſten zurück. „Der
Bruder wird's 'n Pauern ſagen“ erklärte ſie, „daß er rein¬
kommen ſoll.“ Darauf nahm ſie die Miſtgabel wieder zur
Hand.

Der Fremde dankte ihr. Er war inzwiſchen abgeſtiegen,
hatte dem Pferde die Zügel über den Kopf genommen, die
Bügel in die Steigriemen hinaufgezogen, und locker gegurtet,
mit Handgriffen, denen man die alte Übung und die Liebe für
das Tier anſehen konnte. Nun fragte er, ob er irgendwo
einſtellen könne. Die Mädchen ſahen ſich eine Weile unſchlüſſig
an, dann erklärte Erneſtine, im Kuhſtalle ſei noch ein Stand
frei. Sie lief auch ſofort zum Stallgebäude und öffnete die
Thür.

Der Fremde folgte ihr, das Pferd am Zügel. Jetzt wo
er ſich auf ebener Erde bewegte, kam erſt die Größe und
Schlankheit ſeiner Figur zur Geltung.

Der Vollblüter ſcheute vor der niederen Thür und
dem Geruche, der aus dem Kuhſtall drang. Mit fliegenden
Nüſtern und geſpitzten Ohren ſtand der Gaul da und ſchniefte

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[59/0073] vor. Sie empfand eigentlich Luſt, zu lachen. Darüber vergaß ſie ganz, zu antworten. An ihrer Stelle übernahm die jüngere Schweſter die Ver¬ mittelung dem Fremden gegenüber. Erneſtine war die Gewecktere und Lebhaftere von den beiden. Mit einigen kaum merklichen Griffen hatte ſie es verſtanden, ihren allzuhoch aufgeſchürzten Rock herabzulaſſen, ſo daß wenigſtens die von Miſt beſchmutz¬ ten Waden den Blicken des fremden Herrn entzogen waren. Sie ſagte — und gab ſich dabei Mühe, Hochdeutſch zu ſprechen: „Wenn Sie den Vater ſprechen wollen, wir können ihn rufen; ſie ſein nicht ſehre weit.“ Damit ſprang ſie behende von der Düngerſtätte hinab und lief zum oberen Thore. Dort blieb ſie ſtehen, bildete mit beiden Händen ein Schallrohr und rief: „Karle, gieh, ſag's ack den Vater, er mechte glei amal rei kimma. 's wäre ener dohie, der mit'n raden wullte. . . . . Ich kann ne verſtiehn! . . . In ju! A Reiter. Mit an Pauer wullt ar raden ſoit ar.“ Das Mädchen kam von ihrem Poſten zurück. „Der Bruder wird's 'n Pauern ſagen“ erklärte ſie, „daß er rein¬ kommen ſoll.“ Darauf nahm ſie die Miſtgabel wieder zur Hand. Der Fremde dankte ihr. Er war inzwiſchen abgeſtiegen, hatte dem Pferde die Zügel über den Kopf genommen, die Bügel in die Steigriemen hinaufgezogen, und locker gegurtet, mit Handgriffen, denen man die alte Übung und die Liebe für das Tier anſehen konnte. Nun fragte er, ob er irgendwo einſtellen könne. Die Mädchen ſahen ſich eine Weile unſchlüſſig an, dann erklärte Erneſtine, im Kuhſtalle ſei noch ein Stand frei. Sie lief auch ſofort zum Stallgebäude und öffnete die Thür. Der Fremde folgte ihr, das Pferd am Zügel. Jetzt wo er ſich auf ebener Erde bewegte, kam erſt die Größe und Schlankheit ſeiner Figur zur Geltung. Der Vollblüter ſcheute vor der niederen Thür und dem Geruche, der aus dem Kuhſtall drang. Mit fliegenden Nüſtern und geſpitzten Ohren ſtand der Gaul da und ſchniefte

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/73>, abgerufen am 26.11.2024.