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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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"Vier Prozent", erwiederte der Bauer.

"Mein Satz ist fünf, bei vierteljähriger Kündigung" meinte
Schönberger.

Dem Büttnerbauer fiel ein Stein vom Herzen bei diesen
Worten. Er hatte gefürchtet, man werde ganz andere Pro¬
zente von ihm fordern.

"Sehen Sie, was ich gesagt habe!" rief Harrassowitz,
"was für ein Mann Schönberger ist! Fünf Prozent nimmt
er blos. Sie haben ein glänzendes Geschäft gemacht, Büttner!"

Der Bauer fing an, das selbst zu glauben. In seinem
schlichten Gemüte regte sich Dankbarkeit für den Mann, der
ihm in so großer Not geholfen hatte. Er schritt unbeholfen
auf Herrn Isidor Schönberger zu, und pflanzte sich vor ihn
hin. Dann ergriff er die weiße, welke, mit vielen Ringen ge¬
schmückte Hand des Mannes und drückte sie mit seiner derben
roten Bauernfaust. "Ich bedank' mich och, Herr Schönberger,
ich sog' meinen schiensten Dank! Und bezahl' Sie's der liebe
Gott! Sie hon mir ane gruße Surge abgenumma."

Isidor Schönberger betrachtete ihn mit demselben mi߬
mutig verächtlichen Ausdruck, den er für alles auf der Welt
hatte, was sich nicht in Zahlen ausdrücken ließ, und entließ ihn
dann mit kaum merklichen Nicken seines schweren Kopfes.

"Wir gehen jetzt zum Notar, und dann zum Grundbuch¬
führer, Herr Büttner!" sagte Harrassowitz, als sie in der Haus¬
flur standen. "Gehen Sie nur immer hinaus auf die Straße. Mir
fällt eben ein, daß ich in einer anderen Sache noch ein paar
Worte mit Schönberger zu sprechen habe. Ich komme in einer
Minute zu ihnen."

Aus der Minute wurden ihrer mindestens zehn. Dann
erschien der Händler und nahm den Bauern unter den Arm.
"Nun kommen Sie mein Lieber! Jetzt machen wir die Ge¬
schichte schriftlich, damit Sie Ihre Sicherheit haben und einen
Beleg in Händen halten. Ich führe sie zu meinem Notar, der
macht's Ihnen billig."


„Vier Prozent“, erwiederte der Bauer.

„Mein Satz iſt fünf, bei vierteljähriger Kündigung“ meinte
Schönberger.

Dem Büttnerbauer fiel ein Stein vom Herzen bei dieſen
Worten. Er hatte gefürchtet, man werde ganz andere Pro¬
zente von ihm fordern.

„Sehen Sie, was ich geſagt habe!“ rief Harraſſowitz,
„was für ein Mann Schönberger iſt! Fünf Prozent nimmt
er blos. Sie haben ein glänzendes Geſchäft gemacht, Büttner!“

Der Bauer fing an, das ſelbſt zu glauben. In ſeinem
ſchlichten Gemüte regte ſich Dankbarkeit für den Mann, der
ihm in ſo großer Not geholfen hatte. Er ſchritt unbeholfen
auf Herrn Iſidor Schönberger zu, und pflanzte ſich vor ihn
hin. Dann ergriff er die weiße, welke, mit vielen Ringen ge¬
ſchmückte Hand des Mannes und drückte ſie mit ſeiner derben
roten Bauernfauſt. „Ich bedank' mich och, Herr Schönberger,
ich ſog' meinen ſchienſten Dank! Und bezahl' Sie's der liebe
Gott! Sie hon mir ane gruße Surge abgenumma.“

Iſidor Schönberger betrachtete ihn mit demſelben mi߬
mutig verächtlichen Ausdruck, den er für alles auf der Welt
hatte, was ſich nicht in Zahlen ausdrücken ließ, und entließ ihn
dann mit kaum merklichen Nicken ſeines ſchweren Kopfes.

„Wir gehen jetzt zum Notar, und dann zum Grundbuch¬
führer, Herr Büttner!“ ſagte Harraſſowitz, als ſie in der Haus¬
flur ſtanden. „Gehen Sie nur immer hinaus auf die Straße. Mir
fällt eben ein, daß ich in einer anderen Sache noch ein paar
Worte mit Schönberger zu ſprechen habe. Ich komme in einer
Minute zu ihnen.“

Aus der Minute wurden ihrer mindeſtens zehn. Dann
erſchien der Händler und nahm den Bauern unter den Arm.
„Nun kommen Sie mein Lieber! Jetzt machen wir die Ge¬
ſchichte ſchriftlich, damit Sie Ihre Sicherheit haben und einen
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macht's Ihnen billig.“


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[54/0068] „Vier Prozent“, erwiederte der Bauer. „Mein Satz iſt fünf, bei vierteljähriger Kündigung“ meinte Schönberger. Dem Büttnerbauer fiel ein Stein vom Herzen bei dieſen Worten. Er hatte gefürchtet, man werde ganz andere Pro¬ zente von ihm fordern. „Sehen Sie, was ich geſagt habe!“ rief Harraſſowitz, „was für ein Mann Schönberger iſt! Fünf Prozent nimmt er blos. Sie haben ein glänzendes Geſchäft gemacht, Büttner!“ Der Bauer fing an, das ſelbſt zu glauben. In ſeinem ſchlichten Gemüte regte ſich Dankbarkeit für den Mann, der ihm in ſo großer Not geholfen hatte. Er ſchritt unbeholfen auf Herrn Iſidor Schönberger zu, und pflanzte ſich vor ihn hin. Dann ergriff er die weiße, welke, mit vielen Ringen ge¬ ſchmückte Hand des Mannes und drückte ſie mit ſeiner derben roten Bauernfauſt. „Ich bedank' mich och, Herr Schönberger, ich ſog' meinen ſchienſten Dank! Und bezahl' Sie's der liebe Gott! Sie hon mir ane gruße Surge abgenumma.“ Iſidor Schönberger betrachtete ihn mit demſelben mi߬ mutig verächtlichen Ausdruck, den er für alles auf der Welt hatte, was ſich nicht in Zahlen ausdrücken ließ, und entließ ihn dann mit kaum merklichen Nicken ſeines ſchweren Kopfes. „Wir gehen jetzt zum Notar, und dann zum Grundbuch¬ führer, Herr Büttner!“ ſagte Harraſſowitz, als ſie in der Haus¬ flur ſtanden. „Gehen Sie nur immer hinaus auf die Straße. Mir fällt eben ein, daß ich in einer anderen Sache noch ein paar Worte mit Schönberger zu ſprechen habe. Ich komme in einer Minute zu ihnen.“ Aus der Minute wurden ihrer mindeſtens zehn. Dann erſchien der Händler und nahm den Bauern unter den Arm. „Nun kommen Sie mein Lieber! Jetzt machen wir die Ge¬ ſchichte ſchriftlich, damit Sie Ihre Sicherheit haben und einen Beleg in Händen halten. Ich führe ſie zu meinem Notar, der macht's Ihnen billig.“

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/68>, abgerufen am 26.11.2024.