leicht besser, sich mit Kaschel nicht weiter einzulassen; er besaß ja sowieso weiter oben noch eine Hypothek auf dem Bauern¬ gute eingetragen, und leider hatte er ja auch überdies Forde¬ rungen.
"No, wie is!" mahnte Kaschelernst den Überlegenden. "Sein mir eenig? Finf Prozent!"
"'s Geld is da! Ich ha's huben liegen. Da kannst's glei mitnahmen, Traugott, uf de Post, wenn De Karl Leberechten auszahlen willst. Also, wie is, sein mer eenig?
Der Bauer simulierte noch eine ganze Weile. Er mi߬ traute der Sache. Irgendwo war da eine Hinterthür, die er noch nicht sah. Wenn Kaschelernst die Miene des Bieder¬ manns aufsetzte, da konnte man sicher sein, daß er einen be¬ gaunern wollte. "Du soist, Du hätt'st's Geld da liegen; soist Du?"
"Tausend Thaler und drüber! se liegen bei mer im feuer¬ sicheren Schranke. Willst se sahn, Traugott?"
"Also finf Prozent! Kannst De 's ne drunger macha?"
"Ne, drunger gar ne! Und ees wollt'ch der glei noch sagen, Traugott, bei der Gelegenheit: für meine eegne Hypothek, die'ch von Deiner Schwester geerbt ha', dos wullt'ch der glei noch sagen: da mecht'ch von Michaelis an och finf Prozent han, viere dos is mer zu wing, verstiehst De!"
"Du bist wuhl verrikt!"
"Finf Prozent für beide Hypotheken! hernachen sollst Du's Geld han. Anderscher wird keen Geschäft ne, Traugott!"
Jetzt riß dem Büttnerbauer die Geduld.
Er hob die Peitsche und schlug auf das Pferd. Der Gast¬ wirt, erkennend, daß es diesmal Ernst sei, hatte gerade noch Zeit, bei Seite zu springen. Der Rappe bockte erst ein paar mal, ob der unerwarteten Schläge, dann zog er an. Kirschrot im Gesicht wandte sich der Bauer nach seinem Schwager um und drohte unter wilden Schimpfreden. Dabei ging das Ge¬ schirr in Bogenlinien von einer Seite der Straße auf die andere, und drohte in den Graben zu stürzen, weil der Bauer
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leicht beſſer, ſich mit Kaſchel nicht weiter einzulaſſen; er beſaß ja ſowieſo weiter oben noch eine Hypothek auf dem Bauern¬ gute eingetragen, und leider hatte er ja auch überdies Forde¬ rungen.
„No, wie is!“ mahnte Kaſchelernſt den Überlegenden. „Sein mir eenig? Finf Prozent!“
„'s Geld is da! Ich ha's huben liegen. Da kannſt's glei mitnahmen, Traugott, uf de Poſt, wenn De Karl Leberechten auszahlen willſt. Alſo, wie is, ſein mer eenig?
Der Bauer ſimulierte noch eine ganze Weile. Er mi߬ traute der Sache. Irgendwo war da eine Hinterthür, die er noch nicht ſah. Wenn Kaſchelernſt die Miene des Bieder¬ manns aufſetzte, da konnte man ſicher ſein, daß er einen be¬ gaunern wollte. „Du ſoiſt, Du hätt'ſt's Geld da liegen; ſoiſt Du?“
„Tauſend Thaler und drüber! ſe liegen bei mer im feuer¬ ſicheren Schranke. Willſt ſe ſahn, Traugott?“
„Alſo finf Prozent! Kannſt De 's ne drunger macha?“
„Ne, drunger gar ne! Und ees wollt'ch der glei noch ſagen, Traugott, bei der Gelegenheit: für meine eegne Hypothek, die'ch von Deiner Schweſter geerbt ha', dos wullt'ch der glei noch ſagen: da mecht'ch von Michaelis an och finf Prozent han, viere dos is mer zu wing, verſtiehſt De!“
„Du biſt wuhl verrikt!“
„Finf Prozent für beide Hypotheken! hernachen ſollſt Du's Geld han. Anderſcher wird keen Geſchäft ne, Traugott!“
Jetzt riß dem Büttnerbauer die Geduld.
Er hob die Peitſche und ſchlug auf das Pferd. Der Gaſt¬ wirt, erkennend, daß es diesmal Ernſt ſei, hatte gerade noch Zeit, bei Seite zu ſpringen. Der Rappe bockte erſt ein paar mal, ob der unerwarteten Schläge, dann zog er an. Kirſchrot im Geſicht wandte ſich der Bauer nach ſeinem Schwager um und drohte unter wilden Schimpfreden. Dabei ging das Ge¬ ſchirr in Bogenlinien von einer Seite der Straße auf die andere, und drohte in den Graben zu ſtürzen, weil der Bauer
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leicht beſſer, ſich mit Kaſchel nicht weiter einzulaſſen; er beſaß
ja ſowieſo weiter oben noch eine Hypothek auf dem Bauern¬
gute eingetragen, und leider hatte er ja auch überdies Forde¬
rungen.
„No, wie is!“ mahnte Kaſchelernſt den Überlegenden.
„Sein mir eenig? Finf Prozent!“
„Mir worſch aben racht, wenn'ch 's Geld glei kriegen kennte.“
„'s Geld is da! Ich ha's huben liegen. Da kannſt's glei
mitnahmen, Traugott, uf de Poſt, wenn De Karl Leberechten
auszahlen willſt. Alſo, wie is, ſein mer eenig?
Der Bauer ſimulierte noch eine ganze Weile. Er mi߬
traute der Sache. Irgendwo war da eine Hinterthür, die er
noch nicht ſah. Wenn Kaſchelernſt die Miene des Bieder¬
manns aufſetzte, da konnte man ſicher ſein, daß er einen be¬
gaunern wollte. „Du ſoiſt, Du hätt'ſt's Geld da liegen;
ſoiſt Du?“
„Tauſend Thaler und drüber! ſe liegen bei mer im feuer¬
ſicheren Schranke. Willſt ſe ſahn, Traugott?“
„Alſo finf Prozent! Kannſt De 's ne drunger macha?“
„Ne, drunger gar ne! Und ees wollt'ch der glei noch ſagen,
Traugott, bei der Gelegenheit: für meine eegne Hypothek, die'ch
von Deiner Schweſter geerbt ha', dos wullt'ch der glei noch
ſagen: da mecht'ch von Michaelis an och finf Prozent han,
viere dos is mer zu wing, verſtiehſt De!“
„Du biſt wuhl verrikt!“
„Finf Prozent für beide Hypotheken! hernachen ſollſt
Du's Geld han. Anderſcher wird keen Geſchäft ne, Traugott!“
Jetzt riß dem Büttnerbauer die Geduld.
Er hob die Peitſche und ſchlug auf das Pferd. Der Gaſt¬
wirt, erkennend, daß es diesmal Ernſt ſei, hatte gerade noch
Zeit, bei Seite zu ſpringen. Der Rappe bockte erſt ein paar
mal, ob der unerwarteten Schläge, dann zog er an. Kirſchrot
im Geſicht wandte ſich der Bauer nach ſeinem Schwager um
und drohte unter wilden Schimpfreden. Dabei ging das Ge¬
ſchirr in Bogenlinien von einer Seite der Straße auf die
andere, und drohte in den Graben zu ſtürzen, weil der Bauer
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/49>, abgerufen am 16.07.2024.
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