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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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streicheln. Noch einmal stellte sie ihm dann vor, wie viel
besser er's haben könne, wenn er bei seinen eigenen Leuten
bliebe, als unter Fremden.

"'s is alles eens, Pauline!" war seine Antwort. "Mit
mir is eemal nischt nich! Mir nutzt nischt nich mih! Ich were
bale ganz alle sen!"

Sie meinte dagegen: er werde noch manches Jahr er¬
leben; er sei ja rüstig und nehme es noch mit manchem
Jungen auf.

"Ne, ne! ich ha's 'n dicke! Ich ha's 'n schun ganz dicke!
-- De Mutter is nu och tut. 's is ne schiene su alleene ei
der Welt."

Er schnäuzte sich und wischte die Augen; beides mit der
Hand. Dann fuhr er fort: "Gieht Ihr ack! und laßt mich
Ales in Frieden. Ihr sed jung! Ihr wißt ne, wie's unsereenem
zu Mute is. Ihr kennt's ne wissen. Das kann niemand nich
verstiehn, wie's unsereenem um's Harze is. -- Su manchmal,
Nächtens -- su alleene -- und an Tage och, su verlassen!
Mer mechte sich winschen, daß de Sunne gar ne nich scheinen
thate. Alles is eenem zuwider! Ne, ne! das verstieht niemand
ne, der's ne derlabt hat! -- Laßt mich ack! Ich wer' schun a
Platzel finden; is ne ei der Welt, dann is am Ende, kann
sen, haußen."

Pauline schluchzte laut auf, als sie den alten Mann so
sprechen hörte.

"Ju, ju! Su is! Ich glob', ich wer mich ne lange mih zu
schinden han. -- Ich will Der och noch was mitgahn, Pau¬
line, zum Adenken, eh' daß 'r gieht."

Damit ging er nach seinem Bretterverschlag auf den Boden
und kam nach einiger Zeit, den Arm voll Kleidungsstücken,
zurück.

Da war eine wattierte Puffjacke der Bäuerin, eine seidene
Schürze, die er mal seiner Braut zum Geschenk gemacht hatte,
etwas Leibwäsche der Verstorbenen und noch Kleinigkeiten
aus dem Nachlasse der Bäuerin, mit denen er Paulinen be¬
schenkte.

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 27

ſtreicheln. Noch einmal ſtellte ſie ihm dann vor, wie viel
beſſer er's haben könne, wenn er bei ſeinen eigenen Leuten
bliebe, als unter Fremden.

„'s is alles eens, Pauline!“ war ſeine Antwort. „Mit
mir is eemal niſcht nich! Mir nutzt niſcht nich mih! Ich were
bale ganz alle ſen!“

Sie meinte dagegen: er werde noch manches Jahr er¬
leben; er ſei ja rüſtig und nehme es noch mit manchem
Jungen auf.

„Ne, ne! ich ha's 'n dicke! Ich ha's 'n ſchun ganz dicke!
— De Mutter is nu och tut. 's is ne ſchiene ſu alleene ei
der Welt.“

Er ſchnäuzte ſich und wiſchte die Augen; beides mit der
Hand. Dann fuhr er fort: „Gieht Ihr ack! und laßt mich
Ales in Frieden. Ihr ſed jung! Ihr wißt ne, wie's unſereenem
zu Mute is. Ihr kennt's ne wiſſen. Das kann niemand nich
verſtiehn, wie's unſereenem um's Harze is. — Su manchmal,
Nächtens — ſu alleene — und an Tage och, ſu verlaſſen!
Mer mechte ſich winſchen, daß de Sunne gar ne nich ſcheinen
thate. Alles is eenem zuwider! Ne, ne! das verſtieht niemand
ne, der's ne derlabt hat! — Laßt mich ack! Ich wer' ſchun a
Platzel finden; is ne ei der Welt, dann is am Ende, kann
ſen, haußen.“

Pauline ſchluchzte laut auf, als ſie den alten Mann ſo
ſprechen hörte.

„Ju, ju! Su is! Ich glob', ich wer mich ne lange mih zu
ſchinden han. — Ich will Der och noch was mitgahn, Pau¬
line, zum Adenken, eh' daß 'r gieht.“

Damit ging er nach ſeinem Bretterverſchlag auf den Boden
und kam nach einiger Zeit, den Arm voll Kleidungsſtücken,
zurück.

Da war eine wattierte Puffjacke der Bäuerin, eine ſeidene
Schürze, die er mal ſeiner Braut zum Geſchenk gemacht hatte,
etwas Leibwäſche der Verſtorbenen und noch Kleinigkeiten
aus dem Nachlaſſe der Bäuerin, mit denen er Paulinen be¬
ſchenkte.

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 27
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[417/0431] ſtreicheln. Noch einmal ſtellte ſie ihm dann vor, wie viel beſſer er's haben könne, wenn er bei ſeinen eigenen Leuten bliebe, als unter Fremden. „'s is alles eens, Pauline!“ war ſeine Antwort. „Mit mir is eemal niſcht nich! Mir nutzt niſcht nich mih! Ich were bale ganz alle ſen!“ Sie meinte dagegen: er werde noch manches Jahr er¬ leben; er ſei ja rüſtig und nehme es noch mit manchem Jungen auf. „Ne, ne! ich ha's 'n dicke! Ich ha's 'n ſchun ganz dicke! — De Mutter is nu och tut. 's is ne ſchiene ſu alleene ei der Welt.“ Er ſchnäuzte ſich und wiſchte die Augen; beides mit der Hand. Dann fuhr er fort: „Gieht Ihr ack! und laßt mich Ales in Frieden. Ihr ſed jung! Ihr wißt ne, wie's unſereenem zu Mute is. Ihr kennt's ne wiſſen. Das kann niemand nich verſtiehn, wie's unſereenem um's Harze is. — Su manchmal, Nächtens — ſu alleene — und an Tage och, ſu verlaſſen! Mer mechte ſich winſchen, daß de Sunne gar ne nich ſcheinen thate. Alles is eenem zuwider! Ne, ne! das verſtieht niemand ne, der's ne derlabt hat! — Laßt mich ack! Ich wer' ſchun a Platzel finden; is ne ei der Welt, dann is am Ende, kann ſen, haußen.“ Pauline ſchluchzte laut auf, als ſie den alten Mann ſo ſprechen hörte. „Ju, ju! Su is! Ich glob', ich wer mich ne lange mih zu ſchinden han. — Ich will Der och noch was mitgahn, Pau¬ line, zum Adenken, eh' daß 'r gieht.“ Damit ging er nach ſeinem Bretterverſchlag auf den Boden und kam nach einiger Zeit, den Arm voll Kleidungsſtücken, zurück. Da war eine wattierte Puffjacke der Bäuerin, eine ſeidene Schürze, die er mal ſeiner Braut zum Geſchenk gemacht hatte, etwas Leibwäſche der Verſtorbenen und noch Kleinigkeiten aus dem Nachlaſſe der Bäuerin, mit denen er Paulinen be¬ ſchenkte. W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 27

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/431>, abgerufen am 24.11.2024.