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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Arbeit? Er der ehemalige Großbauer: Ziegelstreicher! Oder
wollte er gar der Gemeinde zur Last fallen? --

Aber auch hierauf zeichnete er nicht. Er schüttelte nur
den Kopf und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
Es schien fast, als hege er einen wohlüberlegten Plan, einen
Entschluß in seinem Innern, den er niemandem verraten wollte.

Seine Kinder drangen noch einmal in ihn. Sie stellten
ihm dar, wie schön er es bei ihnen haben werde. Man wolle
ihm ein Stübchen ganz für sich lassen. Häschke habe von
einem Gärtchen geschrieben, das Gustav mit im Stand zu halten
hätte; diese Arbeit solle er übernehmen, damit er doch seine
Beschäftigung habe. -- Es verschlug alles nichts. Man
konnte zweifelhaft werden, ob er überhaupt die Worte höre;
seine Züge waren leer, seine Augen schienen auf etwas ge¬
richtet: weit, weit in der Ferne, das nur er sah.

Gustav gab es schließlich auf, dem Vater noch länger zu¬
zureden. Wenn der nicht wollte, dann brachten ihn zehn
Pferde nicht von der Stelle. Er war eben ein Büttner! --

Aber Pauline ließ die Hoffnung noch nicht fahren, den alten
Mann zu überreden. Sie war, seit sie Gustav geheiratet, der
besondere Liebling des Alten geworden. Ihr gegenüber hatte
er hie und da sogar etwas von seinem Kummer blicken lassen.

Die junge Frau sprach den Schwiegervater noch einmal
unter vier Augen, mit jener innigen, schlichten Herzlichkeit, die
ihr zu Gebote stand, meinte sie: sie wollten's ihm auch so
gut machen, als er sich's nur denken könne.

Sie hoffte, ihn vielleicht mit der Kost locken zu können.
Sie wolle ihm so kochen, wie er's gewohnt sei, von der Mutter
her, und wie sie wisse, daß er's gern habe.

Da traten dem Alten plötzlich die Thränen in die Augen;
mit einer Weichheit, die man sonst nicht an ihm gewohnt war,
sagte er: "Ne, ne! Pauline, laß ack! Du bist gutt! -- Ich
weeß, Ihr meent's gutt mit mir alen Manne. Aber, laß
ack!" . . . .

Dann versank er in Nachdenken.

Sie wagte es, seine Hände zu ergreifen und sie zu

Arbeit? Er der ehemalige Großbauer: Ziegelſtreicher! Oder
wollte er gar der Gemeinde zur Laſt fallen? —

Aber auch hierauf zeichnete er nicht. Er ſchüttelte nur
den Kopf und murmelte etwas Unverſtändliches vor ſich hin.
Es ſchien faſt, als hege er einen wohlüberlegten Plan, einen
Entſchluß in ſeinem Innern, den er niemandem verraten wollte.

Seine Kinder drangen noch einmal in ihn. Sie ſtellten
ihm dar, wie ſchön er es bei ihnen haben werde. Man wolle
ihm ein Stübchen ganz für ſich laſſen. Häſchke habe von
einem Gärtchen geſchrieben, das Guſtav mit im Stand zu halten
hätte; dieſe Arbeit ſolle er übernehmen, damit er doch ſeine
Beſchäftigung habe. — Es verſchlug alles nichts. Man
konnte zweifelhaft werden, ob er überhaupt die Worte höre;
ſeine Züge waren leer, ſeine Augen ſchienen auf etwas ge¬
richtet: weit, weit in der Ferne, das nur er ſah.

Guſtav gab es ſchließlich auf, dem Vater noch länger zu¬
zureden. Wenn der nicht wollte, dann brachten ihn zehn
Pferde nicht von der Stelle. Er war eben ein Büttner! —

Aber Pauline ließ die Hoffnung noch nicht fahren, den alten
Mann zu überreden. Sie war, ſeit ſie Guſtav geheiratet, der
beſondere Liebling des Alten geworden. Ihr gegenüber hatte
er hie und da ſogar etwas von ſeinem Kummer blicken laſſen.

Die junge Frau ſprach den Schwiegervater noch einmal
unter vier Augen, mit jener innigen, ſchlichten Herzlichkeit, die
ihr zu Gebote ſtand, meinte ſie: ſie wollten's ihm auch ſo
gut machen, als er ſich's nur denken könne.

Sie hoffte, ihn vielleicht mit der Koſt locken zu können.
Sie wolle ihm ſo kochen, wie er's gewohnt ſei, von der Mutter
her, und wie ſie wiſſe, daß er's gern habe.

Da traten dem Alten plötzlich die Thränen in die Augen;
mit einer Weichheit, die man ſonſt nicht an ihm gewohnt war,
ſagte er: „Ne, ne! Pauline, laß ack! Du biſt gutt! — Ich
weeß, Ihr meent's gutt mit mir alen Manne. Aber, laß
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[416/0430] Arbeit? Er der ehemalige Großbauer: Ziegelſtreicher! Oder wollte er gar der Gemeinde zur Laſt fallen? — Aber auch hierauf zeichnete er nicht. Er ſchüttelte nur den Kopf und murmelte etwas Unverſtändliches vor ſich hin. Es ſchien faſt, als hege er einen wohlüberlegten Plan, einen Entſchluß in ſeinem Innern, den er niemandem verraten wollte. Seine Kinder drangen noch einmal in ihn. Sie ſtellten ihm dar, wie ſchön er es bei ihnen haben werde. Man wolle ihm ein Stübchen ganz für ſich laſſen. Häſchke habe von einem Gärtchen geſchrieben, das Guſtav mit im Stand zu halten hätte; dieſe Arbeit ſolle er übernehmen, damit er doch ſeine Beſchäftigung habe. — Es verſchlug alles nichts. Man konnte zweifelhaft werden, ob er überhaupt die Worte höre; ſeine Züge waren leer, ſeine Augen ſchienen auf etwas ge¬ richtet: weit, weit in der Ferne, das nur er ſah. Guſtav gab es ſchließlich auf, dem Vater noch länger zu¬ zureden. Wenn der nicht wollte, dann brachten ihn zehn Pferde nicht von der Stelle. Er war eben ein Büttner! — Aber Pauline ließ die Hoffnung noch nicht fahren, den alten Mann zu überreden. Sie war, ſeit ſie Guſtav geheiratet, der beſondere Liebling des Alten geworden. Ihr gegenüber hatte er hie und da ſogar etwas von ſeinem Kummer blicken laſſen. Die junge Frau ſprach den Schwiegervater noch einmal unter vier Augen, mit jener innigen, ſchlichten Herzlichkeit, die ihr zu Gebote ſtand, meinte ſie: ſie wollten's ihm auch ſo gut machen, als er ſich's nur denken könne. Sie hoffte, ihn vielleicht mit der Koſt locken zu können. Sie wolle ihm ſo kochen, wie er's gewohnt ſei, von der Mutter her, und wie ſie wiſſe, daß er's gern habe. Da traten dem Alten plötzlich die Thränen in die Augen; mit einer Weichheit, die man ſonſt nicht an ihm gewohnt war, ſagte er: „Ne, ne! Pauline, laß ack! Du biſt gutt! — Ich weeß, Ihr meent's gutt mit mir alen Manne. Aber, laß ack!“ . . . . Dann verſank er in Nachdenken. Sie wagte es, ſeine Hände zu ergreifen und ſie zu

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/430>, abgerufen am 24.11.2024.