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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Ahnung auf von dem, was man selbst wollte und sollte. Da
war man unter Tausenden und Abertausenden, und doch ein
selbstständiger, freier Mensch.

Auf dem Lande glichen die Arbeiter dem Lasttiere, das
seine Arbeit verrichtet, sein Futter vertilgt und nur er¬
wacht, um von neuem zur Arbeit getrieben zu werden. So
dämmerten die meisten Leute auf dem Dorfe dahin, stumpf
und gelangweilt, ohne viel mehr nachzudenken, als das
liebe Vieh.

Nein! solch ein Leben wollte er nicht weiter führen! Wenn
man einmal starb, wollte man doch wenigstens sich sagen können,
daß man gelebt habe.

Er hatte ja früher die Heimat geliebt -- er liebte sie
noch -- aber, es war zu vieles vorgefallen, in den letz¬
ten Jahren, was ihm die Freude an dem Heim vergällt
hatte.

Ja, wenn er's so hätte haben können, wie sein Großvater
Leberecht -- dem er, wie die Menschen behaupteten, in vielen
Stücken ähnelte -- wenn er auf freiem Gute hätte selbständig
schalten und walten dürfen, als sein eigner Herr, da hätte
er wohl jede Arbeit auf sich nehmen wollen, wäre sicher
gewesen, etwas Rechtes vor sich zu bringen. Aber so, wo
das Glück der Familie vernichtet war! Wo einer hätte wieder
ganz von vorn anfangen müssen! wo ihm, dem Bauernsohne,
nichts übrig blieb, als sich als Tagelöhner oder Knecht zu
verdingen! --

Nein! da wollte er doch lieber ganz von dem Orte weg
gehen, wo er und seine Vorfahren einstmals bessere Tage ge¬
sehen hatten. In der Stadt kannte ihn wenigstens keiner!
Da konnte ihn niemand verhöhnen, daß er hatte herabsteigen
müssen, daß er, der einstmals kommandiert hatte, nun selbst
dienen mußte.

Was er früher nicht für möglich gehalten haben würde, der
Abschied von der Heimat, wurde ihm jetzt nicht einmal schwer.
Die Wurzeln, die ihn einstmals so fest mit diesem Boden ver¬
bunden hatten, waren eben eine nach der anderen durchschnitten

Ahnung auf von dem, was man ſelbſt wollte und ſollte. Da
war man unter Tauſenden und Abertauſenden, und doch ein
ſelbſtſtändiger, freier Menſch.

Auf dem Lande glichen die Arbeiter dem Laſttiere, das
ſeine Arbeit verrichtet, ſein Futter vertilgt und nur er¬
wacht, um von neuem zur Arbeit getrieben zu werden. So
dämmerten die meiſten Leute auf dem Dorfe dahin, ſtumpf
und gelangweilt, ohne viel mehr nachzudenken, als das
liebe Vieh.

Nein! ſolch ein Leben wollte er nicht weiter führen! Wenn
man einmal ſtarb, wollte man doch wenigſtens ſich ſagen können,
daß man gelebt habe.

Er hatte ja früher die Heimat geliebt — er liebte ſie
noch — aber, es war zu vieles vorgefallen, in den letz¬
ten Jahren, was ihm die Freude an dem Heim vergällt
hatte.

Ja, wenn er's ſo hätte haben können, wie ſein Großvater
Leberecht — dem er, wie die Menſchen behaupteten, in vielen
Stücken ähnelte — wenn er auf freiem Gute hätte ſelbſtändig
ſchalten und walten dürfen, als ſein eigner Herr, da hätte
er wohl jede Arbeit auf ſich nehmen wollen, wäre ſicher
geweſen, etwas Rechtes vor ſich zu bringen. Aber ſo, wo
das Glück der Familie vernichtet war! Wo einer hätte wieder
ganz von vorn anfangen müſſen! wo ihm, dem Bauernſohne,
nichts übrig blieb, als ſich als Tagelöhner oder Knecht zu
verdingen! —

Nein! da wollte er doch lieber ganz von dem Orte weg
gehen, wo er und ſeine Vorfahren einſtmals beſſere Tage ge¬
ſehen hatten. In der Stadt kannte ihn wenigſtens keiner!
Da konnte ihn niemand verhöhnen, daß er hatte herabſteigen
müſſen, daß er, der einſtmals kommandiert hatte, nun ſelbſt
dienen mußte.

Was er früher nicht für möglich gehalten haben würde, der
Abſchied von der Heimat, wurde ihm jetzt nicht einmal ſchwer.
Die Wurzeln, die ihn einſtmals ſo feſt mit dieſem Boden ver¬
bunden hatten, waren eben eine nach der anderen durchſchnitten

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[404/0418] Ahnung auf von dem, was man ſelbſt wollte und ſollte. Da war man unter Tauſenden und Abertauſenden, und doch ein ſelbſtſtändiger, freier Menſch. Auf dem Lande glichen die Arbeiter dem Laſttiere, das ſeine Arbeit verrichtet, ſein Futter vertilgt und nur er¬ wacht, um von neuem zur Arbeit getrieben zu werden. So dämmerten die meiſten Leute auf dem Dorfe dahin, ſtumpf und gelangweilt, ohne viel mehr nachzudenken, als das liebe Vieh. Nein! ſolch ein Leben wollte er nicht weiter führen! Wenn man einmal ſtarb, wollte man doch wenigſtens ſich ſagen können, daß man gelebt habe. Er hatte ja früher die Heimat geliebt — er liebte ſie noch — aber, es war zu vieles vorgefallen, in den letz¬ ten Jahren, was ihm die Freude an dem Heim vergällt hatte. Ja, wenn er's ſo hätte haben können, wie ſein Großvater Leberecht — dem er, wie die Menſchen behaupteten, in vielen Stücken ähnelte — wenn er auf freiem Gute hätte ſelbſtändig ſchalten und walten dürfen, als ſein eigner Herr, da hätte er wohl jede Arbeit auf ſich nehmen wollen, wäre ſicher geweſen, etwas Rechtes vor ſich zu bringen. Aber ſo, wo das Glück der Familie vernichtet war! Wo einer hätte wieder ganz von vorn anfangen müſſen! wo ihm, dem Bauernſohne, nichts übrig blieb, als ſich als Tagelöhner oder Knecht zu verdingen! — Nein! da wollte er doch lieber ganz von dem Orte weg gehen, wo er und ſeine Vorfahren einſtmals beſſere Tage ge¬ ſehen hatten. In der Stadt kannte ihn wenigſtens keiner! Da konnte ihn niemand verhöhnen, daß er hatte herabſteigen müſſen, daß er, der einſtmals kommandiert hatte, nun ſelbſt dienen mußte. Was er früher nicht für möglich gehalten haben würde, der Abſchied von der Heimat, wurde ihm jetzt nicht einmal ſchwer. Die Wurzeln, die ihn einſtmals ſo feſt mit dieſem Boden ver¬ bunden hatten, waren eben eine nach der anderen durchſchnitten

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/418>, abgerufen am 24.11.2024.