Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

sucht ihn abzuhalten vom Spiel. Aber das Bürschchen, das
dem Alten längst über den Kopf gewachsen war, hatte geant¬
wortet: der Vater habe ja seine Kümmelpulle; da möge er ihm
gefälligst die Karten lassen.

Eines Abends, als Karl in den Kretscham kam, setzte sich
Richard wie gewöhnlich zu dem Vetter an den Tisch. Nach¬
dem Karl bereits sein zweites Fläschchen Korn geleert, fragte
ihn Richard, ob er Lust habe, ein Viertel Schwein zu ge¬
winnen.

Karl begriff zunächst nicht, was jener damit meine.
Der Vetter erklärte ihm, im Hinterzimmer säßen zwei fremde
Herren, die Lust hätten, ein Spielchen zu machen. Der eine
habe eine Gans mitgebracht, der andere ein Paar Magenwürste,
er selbst, Richard, wolle ein Viertel von dem eben geschlachteten
Schweine setzen; es fehle ihnen aber der vierte Mann. Wenn
Karl nichts anderes bei sich habe, könne er auch Geld setzen;
die Herren würden das schon erlauben. Dann schilderte er
die Herrlichkeiten, die man gewinnen könne, ließ Speckseiten
und Würste vor den Sinnen des bereits Halbberauschten auf¬
marschieren.

Karl hatte beim Militär hin und wieder Karten in Hän¬
den gehabt, seitdem nicht mehr. Aber Richard versprach zu
helfen; sie zwei wollten die beiden anderen tüchtig ausnehmen,
raunte er dem Vetter ins Ohr.

Der Gedanke an den fetten Einsatz erschien verlockend.
Karl taumelte in's Hinterzimmer. Die beiden Fremden saßen
bereits da. Über dem ganzen Zimmer, das von einer Hänge¬
lampe beleuchtet wurde, schwebte es wie bläulicher Dunst.

Karl wußte, daß er betrunken sei. Aber er befand sich
in jenem Stadium des Rausches, wo alles selbstverständlich
erscheint, wo alle Bedenken leicht wie Rauch verfliegen. ,Du
wirst diesen Kerlen mal zeigen! Du wirst ihnen mal zeigen . . .'
dachte er bei sich.

Dann saß er am Tisch, die Faust voll Karten; das war
der Schellenkönig und das die rote Zehne! -- O, er kannte
sie noch ganz genau die Karten, wußte auch ihre Namen! --

ſucht ihn abzuhalten vom Spiel. Aber das Bürſchchen, das
dem Alten längſt über den Kopf gewachſen war, hatte geant¬
wortet: der Vater habe ja ſeine Kümmelpulle; da möge er ihm
gefälligſt die Karten laſſen.

Eines Abends, als Karl in den Kretſcham kam, ſetzte ſich
Richard wie gewöhnlich zu dem Vetter an den Tiſch. Nach¬
dem Karl bereits ſein zweites Fläſchchen Korn geleert, fragte
ihn Richard, ob er Luſt habe, ein Viertel Schwein zu ge¬
winnen.

Karl begriff zunächſt nicht, was jener damit meine.
Der Vetter erklärte ihm, im Hinterzimmer ſäßen zwei fremde
Herren, die Luſt hätten, ein Spielchen zu machen. Der eine
habe eine Gans mitgebracht, der andere ein Paar Magenwürſte,
er ſelbſt, Richard, wolle ein Viertel von dem eben geſchlachteten
Schweine ſetzen; es fehle ihnen aber der vierte Mann. Wenn
Karl nichts anderes bei ſich habe, könne er auch Geld ſetzen;
die Herren würden das ſchon erlauben. Dann ſchilderte er
die Herrlichkeiten, die man gewinnen könne, ließ Speckſeiten
und Würſte vor den Sinnen des bereits Halbberauſchten auf¬
marſchieren.

Karl hatte beim Militär hin und wieder Karten in Hän¬
den gehabt, ſeitdem nicht mehr. Aber Richard verſprach zu
helfen; ſie zwei wollten die beiden anderen tüchtig ausnehmen,
raunte er dem Vetter ins Ohr.

Der Gedanke an den fetten Einſatz erſchien verlockend.
Karl taumelte in's Hinterzimmer. Die beiden Fremden ſaßen
bereits da. Über dem ganzen Zimmer, das von einer Hänge¬
lampe beleuchtet wurde, ſchwebte es wie bläulicher Dunſt.

Karl wußte, daß er betrunken ſei. Aber er befand ſich
in jenem Stadium des Rauſches, wo alles ſelbſtverſtändlich
erſcheint, wo alle Bedenken leicht wie Rauch verfliegen. ,Du
wirſt dieſen Kerlen mal zeigen! Du wirſt ihnen mal zeigen . . .‘
dachte er bei ſich.

Dann ſaß er am Tiſch, die Fauſt voll Karten; das war
der Schellenkönig und das die rote Zehne! — O, er kannte
ſie noch ganz genau die Karten, wußte auch ihre Namen! —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0404" n="390"/>
&#x017F;ucht ihn abzuhalten vom Spiel. Aber das Bür&#x017F;chchen, das<lb/>
dem Alten läng&#x017F;t über den Kopf gewach&#x017F;en war, hatte geant¬<lb/>
wortet: der Vater habe ja &#x017F;eine Kümmelpulle; da möge er ihm<lb/>
gefällig&#x017F;t die Karten la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Eines Abends, als Karl in den Kret&#x017F;cham kam, &#x017F;etzte &#x017F;ich<lb/>
Richard wie gewöhnlich zu dem Vetter an den Ti&#x017F;ch. Nach¬<lb/>
dem Karl bereits &#x017F;ein zweites Flä&#x017F;chchen Korn geleert, fragte<lb/>
ihn Richard, ob er Lu&#x017F;t habe, ein Viertel Schwein zu ge¬<lb/>
winnen.</p><lb/>
          <p>Karl begriff zunäch&#x017F;t nicht, was jener damit meine.<lb/>
Der Vetter erklärte ihm, im Hinterzimmer &#x017F;äßen zwei fremde<lb/>
Herren, die Lu&#x017F;t hätten, ein Spielchen zu machen. Der eine<lb/>
habe eine Gans mitgebracht, der andere ein Paar Magenwür&#x017F;te,<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t, Richard, wolle ein Viertel von dem eben ge&#x017F;chlachteten<lb/>
Schweine &#x017F;etzen; es fehle ihnen aber der vierte Mann. Wenn<lb/>
Karl nichts anderes bei &#x017F;ich habe, könne er auch Geld &#x017F;etzen;<lb/>
die Herren würden das &#x017F;chon erlauben. Dann &#x017F;childerte er<lb/>
die Herrlichkeiten, die man gewinnen könne, ließ Speck&#x017F;eiten<lb/>
und Wür&#x017F;te vor den Sinnen des bereits Halbberau&#x017F;chten auf¬<lb/>
mar&#x017F;chieren.</p><lb/>
          <p>Karl hatte beim Militär hin und wieder Karten in Hän¬<lb/>
den gehabt, &#x017F;eitdem nicht mehr. Aber Richard ver&#x017F;prach zu<lb/>
helfen; &#x017F;ie zwei wollten die beiden anderen tüchtig ausnehmen,<lb/>
raunte er dem Vetter ins Ohr.</p><lb/>
          <p>Der Gedanke an den fetten Ein&#x017F;atz er&#x017F;chien verlockend.<lb/>
Karl taumelte in's Hinterzimmer. Die beiden Fremden &#x017F;aßen<lb/>
bereits da. Über dem ganzen Zimmer, das von einer Hänge¬<lb/>
lampe beleuchtet wurde, &#x017F;chwebte es wie bläulicher Dun&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Karl wußte, daß er betrunken &#x017F;ei. Aber er befand &#x017F;ich<lb/>
in jenem Stadium des Rau&#x017F;ches, wo alles &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich<lb/>
er&#x017F;cheint, wo alle Bedenken leicht wie Rauch verfliegen. ,Du<lb/>
wir&#x017F;t die&#x017F;en Kerlen mal zeigen! Du wir&#x017F;t ihnen mal zeigen . . .&#x2018;<lb/>
dachte er bei &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Dann &#x017F;aß er am Ti&#x017F;ch, die Fau&#x017F;t voll Karten; das war<lb/>
der Schellenkönig und das die rote Zehne! &#x2014; O, er kannte<lb/>
&#x017F;ie noch ganz genau die Karten, wußte auch ihre Namen! &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0404] ſucht ihn abzuhalten vom Spiel. Aber das Bürſchchen, das dem Alten längſt über den Kopf gewachſen war, hatte geant¬ wortet: der Vater habe ja ſeine Kümmelpulle; da möge er ihm gefälligſt die Karten laſſen. Eines Abends, als Karl in den Kretſcham kam, ſetzte ſich Richard wie gewöhnlich zu dem Vetter an den Tiſch. Nach¬ dem Karl bereits ſein zweites Fläſchchen Korn geleert, fragte ihn Richard, ob er Luſt habe, ein Viertel Schwein zu ge¬ winnen. Karl begriff zunächſt nicht, was jener damit meine. Der Vetter erklärte ihm, im Hinterzimmer ſäßen zwei fremde Herren, die Luſt hätten, ein Spielchen zu machen. Der eine habe eine Gans mitgebracht, der andere ein Paar Magenwürſte, er ſelbſt, Richard, wolle ein Viertel von dem eben geſchlachteten Schweine ſetzen; es fehle ihnen aber der vierte Mann. Wenn Karl nichts anderes bei ſich habe, könne er auch Geld ſetzen; die Herren würden das ſchon erlauben. Dann ſchilderte er die Herrlichkeiten, die man gewinnen könne, ließ Speckſeiten und Würſte vor den Sinnen des bereits Halbberauſchten auf¬ marſchieren. Karl hatte beim Militär hin und wieder Karten in Hän¬ den gehabt, ſeitdem nicht mehr. Aber Richard verſprach zu helfen; ſie zwei wollten die beiden anderen tüchtig ausnehmen, raunte er dem Vetter ins Ohr. Der Gedanke an den fetten Einſatz erſchien verlockend. Karl taumelte in's Hinterzimmer. Die beiden Fremden ſaßen bereits da. Über dem ganzen Zimmer, das von einer Hänge¬ lampe beleuchtet wurde, ſchwebte es wie bläulicher Dunſt. Karl wußte, daß er betrunken ſei. Aber er befand ſich in jenem Stadium des Rauſches, wo alles ſelbſtverſtändlich erſcheint, wo alle Bedenken leicht wie Rauch verfliegen. ,Du wirſt dieſen Kerlen mal zeigen! Du wirſt ihnen mal zeigen . . .‘ dachte er bei ſich. Dann ſaß er am Tiſch, die Fauſt voll Karten; das war der Schellenkönig und das die rote Zehne! — O, er kannte ſie noch ganz genau die Karten, wußte auch ihre Namen! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/404
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/404>, abgerufen am 23.11.2024.