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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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als ihre Worte. Manchmal trug sie das elende Würmchen
eine halbe Nacht lang im Zimmer umher, und suchte es in
Schlaf zu wiegen.

Karl fing jetzt an, des Abends regelmäßig auszugehen.
Es hatte sich herumgeredet, daß Büttnerkarl im Besitze einer
größeren Summe Geldes sei. Wie immer hatte das Gerücht
vergrößert. Karl fand daher in den Schenken Kredit.

Therese war außer sich. Sie lief bei den Leuten umher
und verbreitete, Karl besitze von dem Gelde keinen Pfennig
mehr. Aber der Eifer, mit dem sie das erzählte, machte ihre
Behauptung unglaubwürdig. Ihr Mann bekam nach wie
vor Schnaps geschenkt, soviel er nur wollte.

Auch den Kretscham von Halbenau besuchte Karl öfters.
Kaschelernst kicherte vergnügt, sobald er des Neffen ansichtig
wurde. Mit der Miene des teilnehmenden Verwandten erzählte
er ihm auch gelegentlich, was "der Alte" mache. Seinen
Vater hatte Karl noch nicht wieder gesehen, seit er im Früh¬
jahr nach Wörmsbach gezogen war.

Natürlich war Kaschelernst äußerst neugierig, zu erfahren,
wie es mit des Neffen Gelde stehe. Bald hatte er auch heraus¬
bekommen, daß Karl da nicht 'ran dürfe. Die Geschichte ergötzte
den alten Gauner auf's Höchste; dergleichen Angelegenheiten
waren ganz nach seinem Sinne.

Eines Tages kam er mit geheimnisvoller Miene an Karl
heran, tuschelte ihm in's Ohr: wenn er noch etwas von
seinem Gelde sehen wolle, möge er sich dazuhalten; Therese sei
drauf und dran, ein paar Ziegen davon zu kaufen.

Karl lief spornstreichs nach Haus. Diese Nachricht hatte
den Trägen in Aufruhr gebracht. Therese Ziegen kaufen,
von seinem Gelde! -- Jetzt wollte er's heraushaben von ihr!

Aber auf dem Wege von Halbenau nach Wörmsbach hatte
er Zeit, sich die Sache zu überlegen. -- Wenn er was sagte,
würde sie's merken, und er hatte wieder das Nachsehen. Dies¬
mal wollte er's schlauer anfangen. Sie hielt ihn zwar für
dumm; zehnmal am Tage bekam er einen "Uchsen" an den
Kopf geworfen, aber nun wollte er sie grade mal über¬

als ihre Worte. Manchmal trug ſie das elende Würmchen
eine halbe Nacht lang im Zimmer umher, und ſuchte es in
Schlaf zu wiegen.

Karl fing jetzt an, des Abends regelmäßig auszugehen.
Es hatte ſich herumgeredet, daß Büttnerkarl im Beſitze einer
größeren Summe Geldes ſei. Wie immer hatte das Gerücht
vergrößert. Karl fand daher in den Schenken Kredit.

Thereſe war außer ſich. Sie lief bei den Leuten umher
und verbreitete, Karl beſitze von dem Gelde keinen Pfennig
mehr. Aber der Eifer, mit dem ſie das erzählte, machte ihre
Behauptung unglaubwürdig. Ihr Mann bekam nach wie
vor Schnaps geſchenkt, ſoviel er nur wollte.

Auch den Kretſcham von Halbenau beſuchte Karl öfters.
Kaſchelernſt kicherte vergnügt, ſobald er des Neffen anſichtig
wurde. Mit der Miene des teilnehmenden Verwandten erzählte
er ihm auch gelegentlich, was „der Alte“ mache. Seinen
Vater hatte Karl noch nicht wieder geſehen, ſeit er im Früh¬
jahr nach Wörmsbach gezogen war.

Natürlich war Kaſchelernſt äußerſt neugierig, zu erfahren,
wie es mit des Neffen Gelde ſtehe. Bald hatte er auch heraus¬
bekommen, daß Karl da nicht 'ran dürfe. Die Geſchichte ergötzte
den alten Gauner auf's Höchſte; dergleichen Angelegenheiten
waren ganz nach ſeinem Sinne.

Eines Tages kam er mit geheimnisvoller Miene an Karl
heran, tuſchelte ihm in's Ohr: wenn er noch etwas von
ſeinem Gelde ſehen wolle, möge er ſich dazuhalten; Thereſe ſei
drauf und dran, ein paar Ziegen davon zu kaufen.

Karl lief ſpornſtreichs nach Haus. Dieſe Nachricht hatte
den Trägen in Aufruhr gebracht. Thereſe Ziegen kaufen,
von ſeinem Gelde! — Jetzt wollte er's heraushaben von ihr!

Aber auf dem Wege von Halbenau nach Wörmsbach hatte
er Zeit, ſich die Sache zu überlegen. — Wenn er was ſagte,
würde ſie's merken, und er hatte wieder das Nachſehen. Dies¬
mal wollte er's ſchlauer anfangen. Sie hielt ihn zwar für
dumm; zehnmal am Tage bekam er einen „Uchſen“ an den
Kopf geworfen, aber nun wollte er ſie grade mal über¬

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[375/0389] als ihre Worte. Manchmal trug ſie das elende Würmchen eine halbe Nacht lang im Zimmer umher, und ſuchte es in Schlaf zu wiegen. Karl fing jetzt an, des Abends regelmäßig auszugehen. Es hatte ſich herumgeredet, daß Büttnerkarl im Beſitze einer größeren Summe Geldes ſei. Wie immer hatte das Gerücht vergrößert. Karl fand daher in den Schenken Kredit. Thereſe war außer ſich. Sie lief bei den Leuten umher und verbreitete, Karl beſitze von dem Gelde keinen Pfennig mehr. Aber der Eifer, mit dem ſie das erzählte, machte ihre Behauptung unglaubwürdig. Ihr Mann bekam nach wie vor Schnaps geſchenkt, ſoviel er nur wollte. Auch den Kretſcham von Halbenau beſuchte Karl öfters. Kaſchelernſt kicherte vergnügt, ſobald er des Neffen anſichtig wurde. Mit der Miene des teilnehmenden Verwandten erzählte er ihm auch gelegentlich, was „der Alte“ mache. Seinen Vater hatte Karl noch nicht wieder geſehen, ſeit er im Früh¬ jahr nach Wörmsbach gezogen war. Natürlich war Kaſchelernſt äußerſt neugierig, zu erfahren, wie es mit des Neffen Gelde ſtehe. Bald hatte er auch heraus¬ bekommen, daß Karl da nicht 'ran dürfe. Die Geſchichte ergötzte den alten Gauner auf's Höchſte; dergleichen Angelegenheiten waren ganz nach ſeinem Sinne. Eines Tages kam er mit geheimnisvoller Miene an Karl heran, tuſchelte ihm in's Ohr: wenn er noch etwas von ſeinem Gelde ſehen wolle, möge er ſich dazuhalten; Thereſe ſei drauf und dran, ein paar Ziegen davon zu kaufen. Karl lief ſpornſtreichs nach Haus. Dieſe Nachricht hatte den Trägen in Aufruhr gebracht. Thereſe Ziegen kaufen, von ſeinem Gelde! — Jetzt wollte er's heraushaben von ihr! Aber auf dem Wege von Halbenau nach Wörmsbach hatte er Zeit, ſich die Sache zu überlegen. — Wenn er was ſagte, würde ſie's merken, und er hatte wieder das Nachſehen. Dies¬ mal wollte er's ſchlauer anfangen. Sie hielt ihn zwar für dumm; zehnmal am Tage bekam er einen „Uchſen“ an den Kopf geworfen, aber nun wollte er ſie grade mal über¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/389>, abgerufen am 24.11.2024.