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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Der Offizier betrachtete sich den großen ungeschlachten
Burschen eine Weile, dann schien ihm die Erinnerung zu kommen.

"Waren Sie nicht anfangs rechter Flügelmann der Ab¬
teilung?" fragte er. Karl bejahte. "Aber nachher mußte ich
Sie in's zweite Glied stecken, weil Sie mir die ganze Gesell¬
schaft umschmissen. Denn Sie waren doch der Rekrut, der immer
rechts und links verwechselte -- nichtwahr?" Karl antwortete
durch ein verlegenes Grinsen auf diese verfängliche Frage.

Der Major erzählte nun den anderen Schützen allerhand
Streiche von dem Rekruten Büttner. Er that sich auf sein
ausgezeichnetes Gedächtnis etwas zu gute. Dann erkundigte
er sich nach Karls jetziger Beschäftigung, ob er verheiratet sei,
Kinder habe, und so weiter.

Während des nächsten Treibens hatte Hauptmann Schroff,
welcher Zeuge der Unterhaltung gewesen war, dem Major die
Geschichte der Büttnerschen Familie berichtet. Andere Herren
traten hinzu, der Fall wurde hin und her besprochen. Über
den ländlichen Wucher ward manch kräftiges Wörtlein ge¬
sagt. Karl Büttner, als der älteste Sohn des ausgewucherten
Bauern, wurde, ohne es zu wissen, zum Märtyrer gestempelt;
auf einmal stand er im Mittelpunkte des Mitleids und der
Sympathie.

Der Major veranstaltete schließlich eine Geldsammlung
für seinen ehemaligen Rekruten. Es gingen ebensoviele Gold¬
stücke ein, wie Herren da waren. Der Major drückte dem er¬
staunten Karl die Summe von hundert und vierzig Mark in
die Hand, mit dem Wunsche, daß er sich damit ein wenig
"aufrappeln" solle.

Karl vergaß das Danken, so überrascht war er.

Die anderen Treiber steckten die Köpfe zusammen. Schon
regte sich der Neid. So viel Geld verdiente man auf recht¬
mähige Weise ja nicht in vielen Monaten.

Hauptmann Schroff war ungehalten, daß man dem Manne
das Geld so ohne weiteres ausgehändigt hatte; doch konnte
er nichts mehr daran ändern. Er ermahnte Karl wenigstens,
er möge keinen Unfug damit anstellen.

Der Offizier betrachtete ſich den großen ungeſchlachten
Burſchen eine Weile, dann ſchien ihm die Erinnerung zu kommen.

„Waren Sie nicht anfangs rechter Flügelmann der Ab¬
teilung?“ fragte er. Karl bejahte. „Aber nachher mußte ich
Sie in's zweite Glied ſtecken, weil Sie mir die ganze Geſell¬
ſchaft umſchmiſſen. Denn Sie waren doch der Rekrut, der immer
rechts und links verwechſelte — nichtwahr?“ Karl antwortete
durch ein verlegenes Grinſen auf dieſe verfängliche Frage.

Der Major erzählte nun den anderen Schützen allerhand
Streiche von dem Rekruten Büttner. Er that ſich auf ſein
ausgezeichnetes Gedächtnis etwas zu gute. Dann erkundigte
er ſich nach Karls jetziger Beſchäftigung, ob er verheiratet ſei,
Kinder habe, und ſo weiter.

Während des nächſten Treibens hatte Hauptmann Schroff,
welcher Zeuge der Unterhaltung geweſen war, dem Major die
Geſchichte der Büttnerſchen Familie berichtet. Andere Herren
traten hinzu, der Fall wurde hin und her beſprochen. Über
den ländlichen Wucher ward manch kräftiges Wörtlein ge¬
ſagt. Karl Büttner, als der älteſte Sohn des ausgewucherten
Bauern, wurde, ohne es zu wiſſen, zum Märtyrer geſtempelt;
auf einmal ſtand er im Mittelpunkte des Mitleids und der
Sympathie.

Der Major veranſtaltete ſchließlich eine Geldſammlung
für ſeinen ehemaligen Rekruten. Es gingen ebenſoviele Gold¬
ſtücke ein, wie Herren da waren. Der Major drückte dem er¬
ſtaunten Karl die Summe von hundert und vierzig Mark in
die Hand, mit dem Wunſche, daß er ſich damit ein wenig
„aufrappeln“ ſolle.

Karl vergaß das Danken, ſo überraſcht war er.

Die anderen Treiber ſteckten die Köpfe zuſammen. Schon
regte ſich der Neid. So viel Geld verdiente man auf recht¬
mähige Weiſe ja nicht in vielen Monaten.

Hauptmann Schroff war ungehalten, daß man dem Manne
das Geld ſo ohne weiteres ausgehändigt hatte; doch konnte
er nichts mehr daran ändern. Er ermahnte Karl wenigſtens,
er möge keinen Unfug damit anſtellen.

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[344/0358] Der Offizier betrachtete ſich den großen ungeſchlachten Burſchen eine Weile, dann ſchien ihm die Erinnerung zu kommen. „Waren Sie nicht anfangs rechter Flügelmann der Ab¬ teilung?“ fragte er. Karl bejahte. „Aber nachher mußte ich Sie in's zweite Glied ſtecken, weil Sie mir die ganze Geſell¬ ſchaft umſchmiſſen. Denn Sie waren doch der Rekrut, der immer rechts und links verwechſelte — nichtwahr?“ Karl antwortete durch ein verlegenes Grinſen auf dieſe verfängliche Frage. Der Major erzählte nun den anderen Schützen allerhand Streiche von dem Rekruten Büttner. Er that ſich auf ſein ausgezeichnetes Gedächtnis etwas zu gute. Dann erkundigte er ſich nach Karls jetziger Beſchäftigung, ob er verheiratet ſei, Kinder habe, und ſo weiter. Während des nächſten Treibens hatte Hauptmann Schroff, welcher Zeuge der Unterhaltung geweſen war, dem Major die Geſchichte der Büttnerſchen Familie berichtet. Andere Herren traten hinzu, der Fall wurde hin und her beſprochen. Über den ländlichen Wucher ward manch kräftiges Wörtlein ge¬ ſagt. Karl Büttner, als der älteſte Sohn des ausgewucherten Bauern, wurde, ohne es zu wiſſen, zum Märtyrer geſtempelt; auf einmal ſtand er im Mittelpunkte des Mitleids und der Sympathie. Der Major veranſtaltete ſchließlich eine Geldſammlung für ſeinen ehemaligen Rekruten. Es gingen ebenſoviele Gold¬ ſtücke ein, wie Herren da waren. Der Major drückte dem er¬ ſtaunten Karl die Summe von hundert und vierzig Mark in die Hand, mit dem Wunſche, daß er ſich damit ein wenig „aufrappeln“ ſolle. Karl vergaß das Danken, ſo überraſcht war er. Die anderen Treiber ſteckten die Köpfe zuſammen. Schon regte ſich der Neid. So viel Geld verdiente man auf recht¬ mähige Weiſe ja nicht in vielen Monaten. Hauptmann Schroff war ungehalten, daß man dem Manne das Geld ſo ohne weiteres ausgehändigt hatte; doch konnte er nichts mehr daran ändern. Er ermahnte Karl wenigſtens, er möge keinen Unfug damit anſtellen.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/358>, abgerufen am 27.11.2024.