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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Die mußten ihre Schuld abarbeiten, und er sorgte dafür, daß
der Posten niemals gänzlich getilgt wurde.

Auch den alten Büttner behandelte der Händler jetzt ganz
wie seinen Arbeiter. Er schalt ihn gelegentlich, nannte ihn
faul und dumm, ein andermal wieder lobte er ihn, je nach¬
dem seine Herrenlaune gerade war.

Der alte Mann nahm das mit jener mürrischen Ge¬
lassenheit hin, die ihm neuerdings zur zweiten Natur ge¬
worden zu sein schien. In seinem Wesen war etwas ge¬
knickt, ausgelöscht für immer; es war, als habe er kein Ehr¬
gefühl mehr im Leibe.

Dergleichen Behandlung hätte ihm früher einmal jemand
bieten sollen! Heiler Haut wäre der nicht vom Hofe gekommen.
Und jetzt ließ er sich schmähen von dem Fremdling! --

In sein Dasein, in sein ganzes Treiben und Thun war
etwas Zweckloses, Widersinniges gekommen: er arbeitete für
seinen Peiniger, ernährte mit seiner Händewerk nur das starke
Raubtier, das ihm das Blut aussaugte.

Es gab kein Entrinnen! Harrassowitz hielt ihn an vielen
Ketten. Er war der Schuldner des Händlers geblieben, auch
nachdem er sein Gut an ihn verloren. Es war ein Akt der
Gnade, wenn der neue Herr den Alten im Hause ließ. Fiel
es dem Besitzer ein, ihn hinauszuwerfen, dann brauchte er
nicht einmal zu kündigen. Gelegentlich damit zu drohen, ver¬
fehlte Sam nicht. Er war, in seiner Art, ein Kenner des
deutschen Bauern. Er wußte, wie zähe diese Sorte an der
Scholle klebt, wie ihr zur Erde gewandter Blick sie dumpf
und blöde macht, unfähig, Vorteil von Nachteil zu unter¬
scheiden.

Sam wußte nur zu gut, daß der alte Büttner sich lieber
das Herz aus dem Leibe würde reißen lassen, als daß er die
Stelle verlassen hätte, die seine Vorfahren besessen, die er
selbst durch ein Leben innegehabt. Die Angst, vom Hofe ge¬
trieben zu werden, band den Alten, wie ein ungeschriebener,
aber darum nicht minder wirksamer Kontrakt, an den neuen
Besitzer des Bauerngutes.

Die mußten ihre Schuld abarbeiten, und er ſorgte dafür, daß
der Poſten niemals gänzlich getilgt wurde.

Auch den alten Büttner behandelte der Händler jetzt ganz
wie ſeinen Arbeiter. Er ſchalt ihn gelegentlich, nannte ihn
faul und dumm, ein andermal wieder lobte er ihn, je nach¬
dem ſeine Herrenlaune gerade war.

Der alte Mann nahm das mit jener mürriſchen Ge¬
laſſenheit hin, die ihm neuerdings zur zweiten Natur ge¬
worden zu ſein ſchien. In ſeinem Weſen war etwas ge¬
knickt, ausgelöſcht für immer; es war, als habe er kein Ehr¬
gefühl mehr im Leibe.

Dergleichen Behandlung hätte ihm früher einmal jemand
bieten ſollen! Heiler Haut wäre der nicht vom Hofe gekommen.
Und jetzt ließ er ſich ſchmähen von dem Fremdling! —

In ſein Daſein, in ſein ganzes Treiben und Thun war
etwas Zweckloſes, Widerſinniges gekommen: er arbeitete für
ſeinen Peiniger, ernährte mit ſeiner Händewerk nur das ſtarke
Raubtier, das ihm das Blut ausſaugte.

Es gab kein Entrinnen! Harraſſowitz hielt ihn an vielen
Ketten. Er war der Schuldner des Händlers geblieben, auch
nachdem er ſein Gut an ihn verloren. Es war ein Akt der
Gnade, wenn der neue Herr den Alten im Hauſe ließ. Fiel
es dem Beſitzer ein, ihn hinauszuwerfen, dann brauchte er
nicht einmal zu kündigen. Gelegentlich damit zu drohen, ver¬
fehlte Sam nicht. Er war, in ſeiner Art, ein Kenner des
deutſchen Bauern. Er wußte, wie zähe dieſe Sorte an der
Scholle klebt, wie ihr zur Erde gewandter Blick ſie dumpf
und blöde macht, unfähig, Vorteil von Nachteil zu unter¬
ſcheiden.

Sam wußte nur zu gut, daß der alte Büttner ſich lieber
das Herz aus dem Leibe würde reißen laſſen, als daß er die
Stelle verlaſſen hätte, die ſeine Vorfahren beſeſſen, die er
ſelbſt durch ein Leben innegehabt. Die Angſt, vom Hofe ge¬
trieben zu werden, band den Alten, wie ein ungeſchriebener,
aber darum nicht minder wirkſamer Kontrakt, an den neuen
Beſitzer des Bauerngutes.

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[335/0349] Die mußten ihre Schuld abarbeiten, und er ſorgte dafür, daß der Poſten niemals gänzlich getilgt wurde. Auch den alten Büttner behandelte der Händler jetzt ganz wie ſeinen Arbeiter. Er ſchalt ihn gelegentlich, nannte ihn faul und dumm, ein andermal wieder lobte er ihn, je nach¬ dem ſeine Herrenlaune gerade war. Der alte Mann nahm das mit jener mürriſchen Ge¬ laſſenheit hin, die ihm neuerdings zur zweiten Natur ge¬ worden zu ſein ſchien. In ſeinem Weſen war etwas ge¬ knickt, ausgelöſcht für immer; es war, als habe er kein Ehr¬ gefühl mehr im Leibe. Dergleichen Behandlung hätte ihm früher einmal jemand bieten ſollen! Heiler Haut wäre der nicht vom Hofe gekommen. Und jetzt ließ er ſich ſchmähen von dem Fremdling! — In ſein Daſein, in ſein ganzes Treiben und Thun war etwas Zweckloſes, Widerſinniges gekommen: er arbeitete für ſeinen Peiniger, ernährte mit ſeiner Händewerk nur das ſtarke Raubtier, das ihm das Blut ausſaugte. Es gab kein Entrinnen! Harraſſowitz hielt ihn an vielen Ketten. Er war der Schuldner des Händlers geblieben, auch nachdem er ſein Gut an ihn verloren. Es war ein Akt der Gnade, wenn der neue Herr den Alten im Hauſe ließ. Fiel es dem Beſitzer ein, ihn hinauszuwerfen, dann brauchte er nicht einmal zu kündigen. Gelegentlich damit zu drohen, ver¬ fehlte Sam nicht. Er war, in ſeiner Art, ein Kenner des deutſchen Bauern. Er wußte, wie zähe dieſe Sorte an der Scholle klebt, wie ihr zur Erde gewandter Blick ſie dumpf und blöde macht, unfähig, Vorteil von Nachteil zu unter¬ ſcheiden. Sam wußte nur zu gut, daß der alte Büttner ſich lieber das Herz aus dem Leibe würde reißen laſſen, als daß er die Stelle verlaſſen hätte, die ſeine Vorfahren beſeſſen, die er ſelbſt durch ein Leben innegehabt. Die Angſt, vom Hofe ge¬ trieben zu werden, band den Alten, wie ein ungeſchriebener, aber darum nicht minder wirkſamer Kontrakt, an den neuen Beſitzer des Bauerngutes.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/349>, abgerufen am 22.11.2024.