Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.aus, die er als Kind, wie oft, aus dem Munde des Alten Das Mädchen fand zuerst Worte der Erwiderung. Sie Gustav rief ihr zu, sie sei ein dummes Mädel! und die Die Schwester lachte ihm in's Gesicht. Kein Mensch Gustav war starr über die Unverfrorenheit des siebzehn¬ "Laß mich ack gihn, Gustav!" sagte Ernestine nach einiger Er ließ ihren Arm fahren. Sie schritten weiter neben Gustavs Zorn war längst verraucht. Die natürliche Gut¬ Häschke mochte etwas von der Wandlung ahnen, die in aus, die er als Kind, wie oft, aus dem Munde des Alten Das Mädchen fand zuerſt Worte der Erwiderung. Sie Guſtav rief ihr zu, ſie ſei ein dummes Mädel! und die Die Schweſter lachte ihm in's Geſicht. Kein Menſch Guſtav war ſtarr über die Unverfrorenheit des ſiebzehn¬ „Laß mich ack gihn, Guſtav!“ ſagte Erneſtine nach einiger Er ließ ihren Arm fahren. Sie ſchritten weiter neben Guſtavs Zorn war längſt verraucht. Die natürliche Gut¬ Häſchke mochte etwas von der Wandlung ahnen, die in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0336" n="322"/> aus, die er als Kind, wie oft, aus dem Munde des Alten<lb/> vernommen hatte.</p><lb/> <p>Das Mädchen fand zuerſt Worte der Erwiderung. Sie<lb/> wären nicht ſchlecht, und ſie hätten nichts Böſes gethan; ſie<lb/> ſeien „ordentliche Liebesleute“. — Die Worte floſſen dem kleinen<lb/> Dinge auf einmal äußerſt beredt von den Lippen. Häſchke<lb/> brauchte gar nichts zu ſagen; er hörte mit Staunen, wie ſie ſeine<lb/> eigenen Gründe, die ſie noch vor kurzem beſtritten, jetzt mit<lb/> Eifer gegen den Bruder ins Feld führte. Wie ſchnell dieſe<lb/> Frauenzimmer lernten! —</p><lb/> <p>Guſtav rief ihr zu, ſie ſei ein dummes Mädel! und die<lb/> Liebesgedanken werde er ihr ſchon austreiben.</p><lb/> <p>Die Schweſter lachte ihm in's Geſicht. Kein Menſch<lb/> könne ihnen verbieten, ſich lieb zu haben, am wenigſten er;<lb/> er habe es ihnen ja vorgemacht.</p><lb/> <p>Guſtav war ſtarr über die Unverfrorenheit des ſiebzehn¬<lb/> jährigen Dinges. Er fühlte, daß er mit ſolchem Mundwerke<lb/> ſchwerlich fertig werden würde. Ohne ſich auf eine Wider¬<lb/> legung einzulaſſen ſchrie er ſie an: „Jetzt kommſt Du mit mir!<lb/> Marſch! Ich wer' Dich“ . . . Damit nahm er ſie am Arme<lb/> und führte ſie zur Thür, wie eine Gefangene. Häſchke folgte.<lb/> So ſchlugen ſie den Heimweg ein.</p><lb/> <p>„Laß mich ack gihn, Guſtav!“ ſagte Erneſtine nach einiger<lb/> Zeit; der Bruder hielt ihr Handgelenk in ſeine Fauſt ge¬<lb/> preßt, wie in einen Schraubſtock. „Ich lof' Der nich dervon.<lb/> Ich ha' ja niſcht Unrecht's nich gethan!“</p><lb/> <p>Er ließ ihren Arm fahren. Sie ſchritten weiter neben<lb/> einander her. Geſprochen wurde lange Zeit nichts zwiſchen den<lb/> dreien.</p><lb/> <p>Guſtavs Zorn war längſt verraucht. Die natürliche Gut¬<lb/> mütigkeit hatte die Oberhand gewonnen. War es denn wirklich<lb/> ſo ſchlimm, was die beiden gethan hatten? —</p><lb/> <p>Häſchke mochte etwas von der Wandlung ahnen, die in<lb/> dem Sinne des anderen vor ſich gegangen. Er nahm das<lb/> Wort, erkärte, daß er Erneſtinens Bräutigam ſei und daß ſie<lb/> ſich heiraten wollten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0336]
aus, die er als Kind, wie oft, aus dem Munde des Alten
vernommen hatte.
Das Mädchen fand zuerſt Worte der Erwiderung. Sie
wären nicht ſchlecht, und ſie hätten nichts Böſes gethan; ſie
ſeien „ordentliche Liebesleute“. — Die Worte floſſen dem kleinen
Dinge auf einmal äußerſt beredt von den Lippen. Häſchke
brauchte gar nichts zu ſagen; er hörte mit Staunen, wie ſie ſeine
eigenen Gründe, die ſie noch vor kurzem beſtritten, jetzt mit
Eifer gegen den Bruder ins Feld führte. Wie ſchnell dieſe
Frauenzimmer lernten! —
Guſtav rief ihr zu, ſie ſei ein dummes Mädel! und die
Liebesgedanken werde er ihr ſchon austreiben.
Die Schweſter lachte ihm in's Geſicht. Kein Menſch
könne ihnen verbieten, ſich lieb zu haben, am wenigſten er;
er habe es ihnen ja vorgemacht.
Guſtav war ſtarr über die Unverfrorenheit des ſiebzehn¬
jährigen Dinges. Er fühlte, daß er mit ſolchem Mundwerke
ſchwerlich fertig werden würde. Ohne ſich auf eine Wider¬
legung einzulaſſen ſchrie er ſie an: „Jetzt kommſt Du mit mir!
Marſch! Ich wer' Dich“ . . . Damit nahm er ſie am Arme
und führte ſie zur Thür, wie eine Gefangene. Häſchke folgte.
So ſchlugen ſie den Heimweg ein.
„Laß mich ack gihn, Guſtav!“ ſagte Erneſtine nach einiger
Zeit; der Bruder hielt ihr Handgelenk in ſeine Fauſt ge¬
preßt, wie in einen Schraubſtock. „Ich lof' Der nich dervon.
Ich ha' ja niſcht Unrecht's nich gethan!“
Er ließ ihren Arm fahren. Sie ſchritten weiter neben
einander her. Geſprochen wurde lange Zeit nichts zwiſchen den
dreien.
Guſtavs Zorn war längſt verraucht. Die natürliche Gut¬
mütigkeit hatte die Oberhand gewonnen. War es denn wirklich
ſo ſchlimm, was die beiden gethan hatten? —
Häſchke mochte etwas von der Wandlung ahnen, die in
dem Sinne des anderen vor ſich gegangen. Er nahm das
Wort, erkärte, daß er Erneſtinens Bräutigam ſei und daß ſie
ſich heiraten wollten.
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