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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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die beiden dort anzutreffen, und spornte seine Schritte zur
größten Eile an. Bald lag der Schuppen vor ihm, hell vom
Mondlicht beleuchtet; ungesehen heranzukommen, war unmöglich.

Er war nur noch wenige Schritte von dem Gebäude ent¬
fernt, als sich die Thür öffnete. Ein bärtiger Kopf erschien
für einen Augenblick und fuhr blitzschnell zurück.

Mit einem Satze war der Aufseher an der Thür, und
wollte sie aufreißen. Er stieß auf Widerstand. Von drinnen
wurde zugehalten. Gustav legte sich gegen die Thür. Um¬
sonst! Er rief: man solle ihm aufmachen. Drinnen wurde
geflüstert, aber eine Antwort kam nicht, und geöffnet wurde
auch nicht.

Da überkam ihn der Zorn. Er trat einige Schritte zu¬
rück, nahm Anlauf, warf sich mit der ganzen Wucht seines
Körpers gegen die Thür. Die Haspen sprangen aus dem
dünnen Mauerwerk, das morsche Holz barst, die ganze Thür
fiel in Stücken zusammen. Der Aufseher war im Schuppen.

Die drei Menschen standen einander gegenüber, keuchend,
die Männer kampfbereit, jeder den Angriff des anderen er¬
wartend, das Mädchen erschrocken sich an den Geliebten
klammernd.

Es kam auf eine Kleinigkeit an, und hier wäre Blut ge¬
flossen. Gustav befand sich in wilder Erregung. Eine drohende
Bewegung des Gegners, ein Wort des Widerspruchs, und er
hätte zugeschlagen.

Aber Häschke, der die Lage schnell erkannte, hütete sich
wohl, den anderen zu reizen. Mit Ernestinens Bruder in Frieden
auszukommen, war jedenfalls rätlicher, als es auf einen Kampf
ankommen zu lassen. Er ließ Kopf und Arme sinken, stand
vor dem Aufseher mit der Miene des ertappten Sünders.

Der Schlaukopf hatte richtig gerechnet; Gustav war durch
die nachgiebige Haltung entwaffnet.

Aber, irgend etwas mußte geschehen, das fühlte Gustav
deutlich. Er fing an zu fluchen; die beiden standen wie
unter einem Hagel. Der Geist seines Vaters war über den
jungen Menschen gekommen; er stieß Schimpfreden und Flüche

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 21

die beiden dort anzutreffen, und ſpornte ſeine Schritte zur
größten Eile an. Bald lag der Schuppen vor ihm, hell vom
Mondlicht beleuchtet; ungeſehen heranzukommen, war unmöglich.

Er war nur noch wenige Schritte von dem Gebäude ent¬
fernt, als ſich die Thür öffnete. Ein bärtiger Kopf erſchien
für einen Augenblick und fuhr blitzſchnell zurück.

Mit einem Satze war der Aufſeher an der Thür, und
wollte ſie aufreißen. Er ſtieß auf Widerſtand. Von drinnen
wurde zugehalten. Guſtav legte ſich gegen die Thür. Um¬
ſonſt! Er rief: man ſolle ihm aufmachen. Drinnen wurde
geflüſtert, aber eine Antwort kam nicht, und geöffnet wurde
auch nicht.

Da überkam ihn der Zorn. Er trat einige Schritte zu¬
rück, nahm Anlauf, warf ſich mit der ganzen Wucht ſeines
Körpers gegen die Thür. Die Haspen ſprangen aus dem
dünnen Mauerwerk, das morſche Holz barſt, die ganze Thür
fiel in Stücken zuſammen. Der Aufſeher war im Schuppen.

Die drei Menſchen ſtanden einander gegenüber, keuchend,
die Männer kampfbereit, jeder den Angriff des anderen er¬
wartend, das Mädchen erſchrocken ſich an den Geliebten
klammernd.

Es kam auf eine Kleinigkeit an, und hier wäre Blut ge¬
floſſen. Guſtav befand ſich in wilder Erregung. Eine drohende
Bewegung des Gegners, ein Wort des Widerſpruchs, und er
hätte zugeſchlagen.

Aber Häſchke, der die Lage ſchnell erkannte, hütete ſich
wohl, den anderen zu reizen. Mit Erneſtinens Bruder in Frieden
auszukommen, war jedenfalls rätlicher, als es auf einen Kampf
ankommen zu laſſen. Er ließ Kopf und Arme ſinken, ſtand
vor dem Aufſeher mit der Miene des ertappten Sünders.

Der Schlaukopf hatte richtig gerechnet; Guſtav war durch
die nachgiebige Haltung entwaffnet.

Aber, irgend etwas mußte geſchehen, das fühlte Guſtav
deutlich. Er fing an zu fluchen; die beiden ſtanden wie
unter einem Hagel. Der Geiſt ſeines Vaters war über den
jungen Menſchen gekommen; er ſtieß Schimpfreden und Flüche

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 21
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[321/0335] die beiden dort anzutreffen, und ſpornte ſeine Schritte zur größten Eile an. Bald lag der Schuppen vor ihm, hell vom Mondlicht beleuchtet; ungeſehen heranzukommen, war unmöglich. Er war nur noch wenige Schritte von dem Gebäude ent¬ fernt, als ſich die Thür öffnete. Ein bärtiger Kopf erſchien für einen Augenblick und fuhr blitzſchnell zurück. Mit einem Satze war der Aufſeher an der Thür, und wollte ſie aufreißen. Er ſtieß auf Widerſtand. Von drinnen wurde zugehalten. Guſtav legte ſich gegen die Thür. Um¬ ſonſt! Er rief: man ſolle ihm aufmachen. Drinnen wurde geflüſtert, aber eine Antwort kam nicht, und geöffnet wurde auch nicht. Da überkam ihn der Zorn. Er trat einige Schritte zu¬ rück, nahm Anlauf, warf ſich mit der ganzen Wucht ſeines Körpers gegen die Thür. Die Haspen ſprangen aus dem dünnen Mauerwerk, das morſche Holz barſt, die ganze Thür fiel in Stücken zuſammen. Der Aufſeher war im Schuppen. Die drei Menſchen ſtanden einander gegenüber, keuchend, die Männer kampfbereit, jeder den Angriff des anderen er¬ wartend, das Mädchen erſchrocken ſich an den Geliebten klammernd. Es kam auf eine Kleinigkeit an, und hier wäre Blut ge¬ floſſen. Guſtav befand ſich in wilder Erregung. Eine drohende Bewegung des Gegners, ein Wort des Widerſpruchs, und er hätte zugeſchlagen. Aber Häſchke, der die Lage ſchnell erkannte, hütete ſich wohl, den anderen zu reizen. Mit Erneſtinens Bruder in Frieden auszukommen, war jedenfalls rätlicher, als es auf einen Kampf ankommen zu laſſen. Er ließ Kopf und Arme ſinken, ſtand vor dem Aufſeher mit der Miene des ertappten Sünders. Der Schlaukopf hatte richtig gerechnet; Guſtav war durch die nachgiebige Haltung entwaffnet. Aber, irgend etwas mußte geſchehen, das fühlte Guſtav deutlich. Er fing an zu fluchen; die beiden ſtanden wie unter einem Hagel. Der Geiſt ſeines Vaters war über den jungen Menſchen gekommen; er ſtieß Schimpfreden und Flüche W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 21

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/335>, abgerufen am 22.11.2024.