Früh beim Morgengrauen erst kam er zurück, schmutzbe¬ deckt und erhitzt, wie von angestrengter Arbeit. Er kleidete sich aus, legte sich noch einmal zu Bett und schlief bis tief in den Tag hinein. Die Bäuerin konnte sich nicht entsinnen, je zuvor etwas Ähnliches an ihrem Eheherrn erlebt zu haben. --
Im Kretscham sammelten sich inzwischen die Bieter. Heute sollte ja, laut Zeitungsanzeige, die Vereinzelung des ehemalig Büttnerschern Bauerngutes stattfinden. Halbenau machte Feier¬ tag an diesem Montage. Denn wenn auch nicht jeder bieten konnte, so wollte doch jeder zum mindestens dabei gewesen sein.
Es kamen etwa sechzig Morgen in kleineren Parzellen zur Versteigerung. Den Bauernhof mit einem Areal von etwa vierzig Morgen nahm der Besitzer von der Auktion aus, ebenso den Wald. Ein Stück von zehn Morgen hatte der Kretschamwirt bereits vorher erstanden; zu einem auffällig niedrigen Preise, wie gemunkelt wurde. Nun, er war ja gut Freund mit Samuel Harrassowitz! --
Die Stimmung war eine angeregte, es schien Kauflust vorhanden. Der Händler kannte seine Leute, wußte womit man den kleinen Mann ködert. Der Landhunger war auch bei den Halbenauern ausgeprägt. Die ärmsten Schlucker, die sich das Geld womöglich hatten zusammenborgen müssen zur Anzahlung, wollten diese Gelegenheit, zu eigenem Grund und Boden zu gelangen, nicht ungenützt vorübergehen lassen; die Erwägung, ob sie jemals im stande sein würden, nur die Zinsen des Kauf¬ geldes herauszuwirtschaften, bewegte diese Köpfe nicht. Kauf¬ männisch zu verfahren, oder auch nur ihren Vorteil im voraus zu bedenken, war nicht die Sache von Leuten, die aus der Hand in den Mund lebten und nichts zu verlieren hatten.
Mit Spannung sah man der Ankunft des Händlers ent¬ gegen, ohne den die Auktion nicht beginnen konnte. Endlich kam das Wägelchen, auf dem Bocke der Kutscher, mit dem blauen Rocke und der silbernen Tresse am Hute, die in Halbenau nicht mehr unbekannt waren. Harrassowitz hatte den jungen Advokaten Riesenthal mitgebracht, der ihm die Kontrakte mit den Käufern gleich fix und fertig machen sollte.
Früh beim Morgengrauen erſt kam er zurück, ſchmutzbe¬ deckt und erhitzt, wie von angeſtrengter Arbeit. Er kleidete ſich aus, legte ſich noch einmal zu Bett und ſchlief bis tief in den Tag hinein. Die Bäuerin konnte ſich nicht entſinnen, je zuvor etwas Ähnliches an ihrem Eheherrn erlebt zu haben. —
Im Kretſcham ſammelten ſich inzwiſchen die Bieter. Heute ſollte ja, laut Zeitungsanzeige, die Vereinzelung des ehemalig Büttnerſchern Bauerngutes ſtattfinden. Halbenau machte Feier¬ tag an dieſem Montage. Denn wenn auch nicht jeder bieten konnte, ſo wollte doch jeder zum mindeſtens dabei geweſen ſein.
Es kamen etwa ſechzig Morgen in kleineren Parzellen zur Verſteigerung. Den Bauernhof mit einem Areal von etwa vierzig Morgen nahm der Beſitzer von der Auktion aus, ebenſo den Wald. Ein Stück von zehn Morgen hatte der Kretſchamwirt bereits vorher erſtanden; zu einem auffällig niedrigen Preiſe, wie gemunkelt wurde. Nun, er war ja gut Freund mit Samuel Harraſſowitz! —
Die Stimmung war eine angeregte, es ſchien Kaufluſt vorhanden. Der Händler kannte ſeine Leute, wußte womit man den kleinen Mann ködert. Der Landhunger war auch bei den Halbenauern ausgeprägt. Die ärmſten Schlucker, die ſich das Geld womöglich hatten zuſammenborgen müſſen zur Anzahlung, wollten dieſe Gelegenheit, zu eigenem Grund und Boden zu gelangen, nicht ungenützt vorübergehen laſſen; die Erwägung, ob ſie jemals im ſtande ſein würden, nur die Zinſen des Kauf¬ geldes herauszuwirtſchaften, bewegte dieſe Köpfe nicht. Kauf¬ männiſch zu verfahren, oder auch nur ihren Vorteil im voraus zu bedenken, war nicht die Sache von Leuten, die aus der Hand in den Mund lebten und nichts zu verlieren hatten.
Mit Spannung ſah man der Ankunft des Händlers ent¬ gegen, ohne den die Auktion nicht beginnen konnte. Endlich kam das Wägelchen, auf dem Bocke der Kutſcher, mit dem blauen Rocke und der ſilbernen Treſſe am Hute, die in Halbenau nicht mehr unbekannt waren. Harraſſowitz hatte den jungen Advokaten Rieſenthal mitgebracht, der ihm die Kontrakte mit den Käufern gleich fix und fertig machen ſollte.
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Früh beim Morgengrauen erſt kam er zurück, ſchmutzbe¬
deckt und erhitzt, wie von angeſtrengter Arbeit. Er kleidete
ſich aus, legte ſich noch einmal zu Bett und ſchlief bis tief
in den Tag hinein. Die Bäuerin konnte ſich nicht entſinnen,
je zuvor etwas Ähnliches an ihrem Eheherrn erlebt zu haben. —
Im Kretſcham ſammelten ſich inzwiſchen die Bieter. Heute
ſollte ja, laut Zeitungsanzeige, die Vereinzelung des ehemalig
Büttnerſchern Bauerngutes ſtattfinden. Halbenau machte Feier¬
tag an dieſem Montage. Denn wenn auch nicht jeder bieten
konnte, ſo wollte doch jeder zum mindeſtens dabei geweſen ſein.
Es kamen etwa ſechzig Morgen in kleineren Parzellen
zur Verſteigerung. Den Bauernhof mit einem Areal von
etwa vierzig Morgen nahm der Beſitzer von der Auktion aus,
ebenſo den Wald. Ein Stück von zehn Morgen hatte der
Kretſchamwirt bereits vorher erſtanden; zu einem auffällig
niedrigen Preiſe, wie gemunkelt wurde. Nun, er war ja gut
Freund mit Samuel Harraſſowitz! —
Die Stimmung war eine angeregte, es ſchien Kaufluſt
vorhanden. Der Händler kannte ſeine Leute, wußte womit man
den kleinen Mann ködert. Der Landhunger war auch bei den
Halbenauern ausgeprägt. Die ärmſten Schlucker, die ſich das
Geld womöglich hatten zuſammenborgen müſſen zur Anzahlung,
wollten dieſe Gelegenheit, zu eigenem Grund und Boden zu
gelangen, nicht ungenützt vorübergehen laſſen; die Erwägung,
ob ſie jemals im ſtande ſein würden, nur die Zinſen des Kauf¬
geldes herauszuwirtſchaften, bewegte dieſe Köpfe nicht. Kauf¬
männiſch zu verfahren, oder auch nur ihren Vorteil im voraus
zu bedenken, war nicht die Sache von Leuten, die aus der Hand
in den Mund lebten und nichts zu verlieren hatten.
Mit Spannung ſah man der Ankunft des Händlers ent¬
gegen, ohne den die Auktion nicht beginnen konnte. Endlich
kam das Wägelchen, auf dem Bocke der Kutſcher, mit dem
blauen Rocke und der ſilbernen Treſſe am Hute, die in Halbenau
nicht mehr unbekannt waren. Harraſſowitz hatte den jungen
Advokaten Rieſenthal mitgebracht, der ihm die Kontrakte mit
den Käufern gleich fix und fertig machen ſollte.
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/315>, abgerufen am 23.11.2024.
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