Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

und hatte die Maßkette zu ziehen. Drei Tage lang arbeiteten
sie in dieser Weise, schrieben Zahlen an die Pflöckchen, und
machten Einzeichnungen in eine Karte.

Der Mann verschwand wieder, aber, seine Pfähle blieben
stehen.

Am Sonntag Nachmittag gab es dann eine wahre Völker¬
wanderung nach dem Bauerngute. Die Halbenauer kamen,
sich das abgesteckte Land zu besehen. Einzeln und in Gruppen
schritten sie auf den Rainen und Feldwegen auf und ab.

Der Büttnerbauer sah das vom Hofe aus. Die Zorn¬
ader schwoll ihm. Was wollte das Volk denn hier! Die zer¬
trampelten das Gras und liefen womöglich über die Saaten.
Er ging vor den Hof, und rief den ersten besten, der ihm in
den Wurf kam, an, was er hier zu suchen habe.

"Ich will a Morgen a zweee kefen, morne!" sagte der, und
ging seines Weges weiter.

Hier sei kein öffentlicher Weg, schrie ihn der alte
Mann an.

"Nu, Traugott, stell D'ch doch ne su an!" meinte der
andere, einer seiner Nachbarn. "Morne wollen se duch Deine
Felder eenzeln versteigern. 's hat ja im Blattel gestanda!"

Also, das war es: Vereinzelung des Gutes! -- Der alte
Mann stand eine ganze Weile, wie erstarrt. Dann setzte er
sich langsam in Bewegung, mit schleppenden Schritten, als ziehe
er eine schwere unsichtbare Bürde hinter sich drein.

Ein Trupp Dorfleute kam ihm entgegen, vom Felde. Sie
sprachen laut; offenbar unterhielten sie sich über die bevor¬
stehende Landauktion. Als sie des Alten ansichtig wurden, ver¬
stummte ihr Lärmen; schweigend, mit verlegenen Mienen eilten
sie an ihm vorüber.

Dann kamen wieder zwei, ein alter und ein junger:
Kaschelernst und Richard.

Der Kretschamwirt blieb stehen, als er in gleicher Höhe
mit seinem Schwager war. "Gu'n Tag Traugott!" Kein
Gegengruß erfolgte. "Du, Traugott!" meinte Kaschelernst,
scheinbar harmlos plaudernd, "Dei Korn stieht aber heuer gutt.

und hatte die Maßkette zu ziehen. Drei Tage lang arbeiteten
ſie in dieſer Weiſe, ſchrieben Zahlen an die Pflöckchen, und
machten Einzeichnungen in eine Karte.

Der Mann verſchwand wieder, aber, ſeine Pfähle blieben
ſtehen.

Am Sonntag Nachmittag gab es dann eine wahre Völker¬
wanderung nach dem Bauerngute. Die Halbenauer kamen,
ſich das abgeſteckte Land zu beſehen. Einzeln und in Gruppen
ſchritten ſie auf den Rainen und Feldwegen auf und ab.

Der Büttnerbauer ſah das vom Hofe aus. Die Zorn¬
ader ſchwoll ihm. Was wollte das Volk denn hier! Die zer¬
trampelten das Gras und liefen womöglich über die Saaten.
Er ging vor den Hof, und rief den erſten beſten, der ihm in
den Wurf kam, an, was er hier zu ſuchen habe.

„Ich will a Morgen a zweee kefen, morne!“ ſagte der, und
ging ſeines Weges weiter.

Hier ſei kein öffentlicher Weg, ſchrie ihn der alte
Mann an.

„Nu, Traugott, ſtell D'ch doch ne ſu an!“ meinte der
andere, einer ſeiner Nachbarn. „Morne wollen ſe duch Deine
Felder eenzeln verſteigern. 's hat ja im Blattel geſtanda!“

Alſo, das war es: Vereinzelung des Gutes! — Der alte
Mann ſtand eine ganze Weile, wie erſtarrt. Dann ſetzte er
ſich langſam in Bewegung, mit ſchleppenden Schritten, als ziehe
er eine ſchwere unſichtbare Bürde hinter ſich drein.

Ein Trupp Dorfleute kam ihm entgegen, vom Felde. Sie
ſprachen laut; offenbar unterhielten ſie ſich über die bevor¬
ſtehende Landauktion. Als ſie des Alten anſichtig wurden, ver¬
ſtummte ihr Lärmen; ſchweigend, mit verlegenen Mienen eilten
ſie an ihm vorüber.

Dann kamen wieder zwei, ein alter und ein junger:
Kaſchelernſt und Richard.

Der Kretſchamwirt blieb ſtehen, als er in gleicher Höhe
mit ſeinem Schwager war. „Gu'n Tag Traugott!“ Kein
Gegengruß erfolgte. „Du, Traugott!“ meinte Kaſchelernſt,
ſcheinbar harmlos plaudernd, „Dei Korn ſtieht aber heuer gutt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="297"/>
und hatte die Maßkette zu ziehen. Drei Tage lang arbeiteten<lb/>
&#x017F;ie in die&#x017F;er Wei&#x017F;e, &#x017F;chrieben Zahlen an die Pflöckchen, und<lb/>
machten Einzeichnungen in eine Karte.</p><lb/>
          <p>Der Mann ver&#x017F;chwand wieder, aber, &#x017F;eine Pfähle blieben<lb/>
&#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Am Sonntag Nachmittag gab es dann eine wahre Völker¬<lb/>
wanderung nach dem Bauerngute. Die Halbenauer kamen,<lb/>
&#x017F;ich das abge&#x017F;teckte Land zu be&#x017F;ehen. Einzeln und in Gruppen<lb/>
&#x017F;chritten &#x017F;ie auf den Rainen und Feldwegen auf und ab.</p><lb/>
          <p>Der Büttnerbauer &#x017F;ah das vom Hofe aus. Die Zorn¬<lb/>
ader &#x017F;chwoll ihm. Was wollte das Volk denn hier! Die zer¬<lb/>
trampelten das Gras und liefen womöglich über die Saaten.<lb/>
Er ging vor den Hof, und rief den er&#x017F;ten be&#x017F;ten, der ihm in<lb/>
den Wurf kam, an, was er hier zu &#x017F;uchen habe.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich will a Morgen a zweee kefen, morne!&#x201C; &#x017F;agte der, und<lb/>
ging &#x017F;eines Weges weiter.</p><lb/>
          <p>Hier &#x017F;ei kein öffentlicher Weg, &#x017F;chrie ihn der alte<lb/>
Mann an.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nu, Traugott, &#x017F;tell D'ch doch ne &#x017F;u an!&#x201C; meinte der<lb/>
andere, einer &#x017F;einer Nachbarn. &#x201E;Morne wollen &#x017F;e duch Deine<lb/>
Felder eenzeln ver&#x017F;teigern. 's hat ja im Blattel ge&#x017F;tanda!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o, das war es: Vereinzelung des Gutes! &#x2014; Der alte<lb/>
Mann &#x017F;tand eine ganze Weile, wie er&#x017F;tarrt. Dann &#x017F;etzte er<lb/>
&#x017F;ich lang&#x017F;am in Bewegung, mit &#x017F;chleppenden Schritten, als ziehe<lb/>
er eine &#x017F;chwere un&#x017F;ichtbare Bürde hinter &#x017F;ich drein.</p><lb/>
          <p>Ein Trupp Dorfleute kam ihm entgegen, vom Felde. Sie<lb/>
&#x017F;prachen laut; offenbar unterhielten &#x017F;ie &#x017F;ich über die bevor¬<lb/>
&#x017F;tehende Landauktion. Als &#x017F;ie des Alten an&#x017F;ichtig wurden, ver¬<lb/>
&#x017F;tummte ihr Lärmen; &#x017F;chweigend, mit verlegenen Mienen eilten<lb/>
&#x017F;ie an ihm vorüber.</p><lb/>
          <p>Dann kamen wieder zwei, ein alter und ein junger:<lb/>
Ka&#x017F;chelern&#x017F;t und Richard.</p><lb/>
          <p>Der Kret&#x017F;chamwirt blieb &#x017F;tehen, als er in gleicher Höhe<lb/>
mit &#x017F;einem Schwager war. &#x201E;Gu'n Tag Traugott!&#x201C; Kein<lb/>
Gegengruß erfolgte. &#x201E;Du, Traugott!&#x201C; meinte Ka&#x017F;chelern&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;cheinbar harmlos plaudernd, &#x201E;Dei Korn &#x017F;tieht aber heuer gutt.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0311] und hatte die Maßkette zu ziehen. Drei Tage lang arbeiteten ſie in dieſer Weiſe, ſchrieben Zahlen an die Pflöckchen, und machten Einzeichnungen in eine Karte. Der Mann verſchwand wieder, aber, ſeine Pfähle blieben ſtehen. Am Sonntag Nachmittag gab es dann eine wahre Völker¬ wanderung nach dem Bauerngute. Die Halbenauer kamen, ſich das abgeſteckte Land zu beſehen. Einzeln und in Gruppen ſchritten ſie auf den Rainen und Feldwegen auf und ab. Der Büttnerbauer ſah das vom Hofe aus. Die Zorn¬ ader ſchwoll ihm. Was wollte das Volk denn hier! Die zer¬ trampelten das Gras und liefen womöglich über die Saaten. Er ging vor den Hof, und rief den erſten beſten, der ihm in den Wurf kam, an, was er hier zu ſuchen habe. „Ich will a Morgen a zweee kefen, morne!“ ſagte der, und ging ſeines Weges weiter. Hier ſei kein öffentlicher Weg, ſchrie ihn der alte Mann an. „Nu, Traugott, ſtell D'ch doch ne ſu an!“ meinte der andere, einer ſeiner Nachbarn. „Morne wollen ſe duch Deine Felder eenzeln verſteigern. 's hat ja im Blattel geſtanda!“ Alſo, das war es: Vereinzelung des Gutes! — Der alte Mann ſtand eine ganze Weile, wie erſtarrt. Dann ſetzte er ſich langſam in Bewegung, mit ſchleppenden Schritten, als ziehe er eine ſchwere unſichtbare Bürde hinter ſich drein. Ein Trupp Dorfleute kam ihm entgegen, vom Felde. Sie ſprachen laut; offenbar unterhielten ſie ſich über die bevor¬ ſtehende Landauktion. Als ſie des Alten anſichtig wurden, ver¬ ſtummte ihr Lärmen; ſchweigend, mit verlegenen Mienen eilten ſie an ihm vorüber. Dann kamen wieder zwei, ein alter und ein junger: Kaſchelernſt und Richard. Der Kretſchamwirt blieb ſtehen, als er in gleicher Höhe mit ſeinem Schwager war. „Gu'n Tag Traugott!“ Kein Gegengruß erfolgte. „Du, Traugott!“ meinte Kaſchelernſt, ſcheinbar harmlos plaudernd, „Dei Korn ſtieht aber heuer gutt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/311
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/311>, abgerufen am 22.11.2024.