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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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eine Weile. Soviel man auf die Entfernung erkennen konnte,
war er ein älterer Herr mit grauem Backenbart, der eine
Brille trug. Das war also der reiche Herr Hallstädt-Welz¬
leben, ihr Brotherr!

Gustav erwartete bestimmt, der Herr werde ihn rufen
lassen, oder werde selbst zu ihm und den Leuten herankommen.
Sie standen doch bei ihm in Brot und Arbeit, sie bestellten
doch seinen Grund und Boden. Auf sein Geheiß waren sie so
viele Meilen weit hierher gekommen. --

Aber Herr Hallstädt-Welzleben ließ nach einer Weile
weiterfahren, ohne Gruß, ohne ein Wort mit seinen Arbeitern
gewechselt zu haben.

Häschkekarl spuckte aus. Das war Wasser auf seine
Mühle. Die Großen taugten alle nichts; überall war es die¬
selbe Geschichte! Und Gustav mußte an die Worte des Agenten
Zittwitz denken: ,Der eine gibt die Goldstücke, der andere seine
Kräfte. Das ist ein Geschäft, klar und einfach. Alles wird
auf Geld zurückgeführt. Das nennt man das moderne Wirt¬
schaftssystem'. So ungefähr hatte der sich geäußert, und er
schien Recht behalten zu sollen.

Jeden Sonnabend erhielt Gustav den Lohn für die Arbeit
der Woche ausgezahlt. Ein Bruchteil des Geldes wurde zu¬
rückgehalten, als Deckung für den Fall, daß ein Arbeiter
den Dienst vorzeitig verließ. Auch Strafgelder waren vor¬
gesehen, und im Kontrakte fehlte die Klausel nicht, daß jeder
Arbeiter ohne weiteres entlassen werden könne, ohne Anspruch
auf Lohn, falls er sich den Anordnungen des Arbeitgebers
und seiner Beamten nicht füge. Kurz, man war, wie Häschke
sich ausdrückte: "in seinem Felle lebendig verkauft".

Mit der Ernährung der Leute gab es im Anfange
Schwierigkeiten. Die Feuerung war frei, Kartoffeln lieferte
das Gut. Um alles Übrige sollten sich die Wanderarbeiter
selbst kümmern. Auf den, Vorwerke war ein Wächter ange¬
stellt, der gleichzeitig Kramhandel betrieb. Von diesem Manne
hätten die fremden Arbeiter von jeher genommen, hieß es.
Die Waren dieses Kleinhändlers waren schlecht, seine Preise

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 19

eine Weile. Soviel man auf die Entfernung erkennen konnte,
war er ein älterer Herr mit grauem Backenbart, der eine
Brille trug. Das war alſo der reiche Herr Hallſtädt-Welz¬
leben, ihr Brotherr!

Guſtav erwartete beſtimmt, der Herr werde ihn rufen
laſſen, oder werde ſelbſt zu ihm und den Leuten herankommen.
Sie ſtanden doch bei ihm in Brot und Arbeit, ſie beſtellten
doch ſeinen Grund und Boden. Auf ſein Geheiß waren ſie ſo
viele Meilen weit hierher gekommen. —

Aber Herr Hallſtädt-Welzleben ließ nach einer Weile
weiterfahren, ohne Gruß, ohne ein Wort mit ſeinen Arbeitern
gewechſelt zu haben.

Häſchkekarl ſpuckte aus. Das war Waſſer auf ſeine
Mühle. Die Großen taugten alle nichts; überall war es die¬
ſelbe Geſchichte! Und Guſtav mußte an die Worte des Agenten
Zittwitz denken: ,Der eine gibt die Goldſtücke, der andere ſeine
Kräfte. Das iſt ein Geſchäft, klar und einfach. Alles wird
auf Geld zurückgeführt. Das nennt man das moderne Wirt¬
ſchaftsſyſtem‘. So ungefähr hatte der ſich geäußert, und er
ſchien Recht behalten zu ſollen.

Jeden Sonnabend erhielt Guſtav den Lohn für die Arbeit
der Woche ausgezahlt. Ein Bruchteil des Geldes wurde zu¬
rückgehalten, als Deckung für den Fall, daß ein Arbeiter
den Dienſt vorzeitig verließ. Auch Strafgelder waren vor¬
geſehen, und im Kontrakte fehlte die Klauſel nicht, daß jeder
Arbeiter ohne weiteres entlaſſen werden könne, ohne Anſpruch
auf Lohn, falls er ſich den Anordnungen des Arbeitgebers
und ſeiner Beamten nicht füge. Kurz, man war, wie Häſchke
ſich ausdrückte: „in ſeinem Felle lebendig verkauft“.

Mit der Ernährung der Leute gab es im Anfange
Schwierigkeiten. Die Feuerung war frei, Kartoffeln lieferte
das Gut. Um alles Übrige ſollten ſich die Wanderarbeiter
ſelbſt kümmern. Auf den, Vorwerke war ein Wächter ange¬
ſtellt, der gleichzeitig Kramhandel betrieb. Von dieſem Manne
hätten die fremden Arbeiter von jeher genommen, hieß es.
Die Waren dieſes Kleinhändlers waren ſchlecht, ſeine Preiſe

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 19
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[289/0303] eine Weile. Soviel man auf die Entfernung erkennen konnte, war er ein älterer Herr mit grauem Backenbart, der eine Brille trug. Das war alſo der reiche Herr Hallſtädt-Welz¬ leben, ihr Brotherr! Guſtav erwartete beſtimmt, der Herr werde ihn rufen laſſen, oder werde ſelbſt zu ihm und den Leuten herankommen. Sie ſtanden doch bei ihm in Brot und Arbeit, ſie beſtellten doch ſeinen Grund und Boden. Auf ſein Geheiß waren ſie ſo viele Meilen weit hierher gekommen. — Aber Herr Hallſtädt-Welzleben ließ nach einer Weile weiterfahren, ohne Gruß, ohne ein Wort mit ſeinen Arbeitern gewechſelt zu haben. Häſchkekarl ſpuckte aus. Das war Waſſer auf ſeine Mühle. Die Großen taugten alle nichts; überall war es die¬ ſelbe Geſchichte! Und Guſtav mußte an die Worte des Agenten Zittwitz denken: ,Der eine gibt die Goldſtücke, der andere ſeine Kräfte. Das iſt ein Geſchäft, klar und einfach. Alles wird auf Geld zurückgeführt. Das nennt man das moderne Wirt¬ ſchaftsſyſtem‘. So ungefähr hatte der ſich geäußert, und er ſchien Recht behalten zu ſollen. Jeden Sonnabend erhielt Guſtav den Lohn für die Arbeit der Woche ausgezahlt. Ein Bruchteil des Geldes wurde zu¬ rückgehalten, als Deckung für den Fall, daß ein Arbeiter den Dienſt vorzeitig verließ. Auch Strafgelder waren vor¬ geſehen, und im Kontrakte fehlte die Klauſel nicht, daß jeder Arbeiter ohne weiteres entlaſſen werden könne, ohne Anſpruch auf Lohn, falls er ſich den Anordnungen des Arbeitgebers und ſeiner Beamten nicht füge. Kurz, man war, wie Häſchke ſich ausdrückte: „in ſeinem Felle lebendig verkauft“. Mit der Ernährung der Leute gab es im Anfange Schwierigkeiten. Die Feuerung war frei, Kartoffeln lieferte das Gut. Um alles Übrige ſollten ſich die Wanderarbeiter ſelbſt kümmern. Auf den, Vorwerke war ein Wächter ange¬ ſtellt, der gleichzeitig Kramhandel betrieb. Von dieſem Manne hätten die fremden Arbeiter von jeher genommen, hieß es. Die Waren dieſes Kleinhändlers waren ſchlecht, ſeine Preiſe W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 19

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/303>, abgerufen am 25.11.2024.